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Zitrone mit bvkj

Am Dienstagabend dieser Woche war der angehende Kinder- und Jugendmediziner Johannes Wagner, der bei der bevorstehenden Bundestagswahl für Bündnis90/Die Grünen kandidiert, Gast der Diskussionsrunde „Klartext Hausarztmedizin – der Politik-Talk“. Moderiert von Diplom-Journalist Torsten Fricke, tauschte er sich mit Dr. Markus Beier, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, über seine gesundheitspolitischen Vorstellungen und die seiner Partei aus.

Dabei waren es ursprünglich nicht sein Beruf oder gesundheitspolitische Anliegen, die den jungen Arzt in die Politik brachten, sondern vor allem die Klimakriese beziehungsweise die Klimaschutzbewegung, erzählte er. Seine Weiterbildung zum Kinder- und Jugendmediziner am Coburger Krankenhaus – er ist jetzt im zweiten Weiterbildungsjahr – hat ihn mit gesundheitspolitischen Themen konfrontiert, auch mit dem Thema Hausärztemangel, von dem die Region besonders betroffen ist. Und natürlich auch mit der Corona-Pandemie und ihren Folgen.

61 Prozent vollständig Geimpfte - „pandemisch gesehen das Glas nicht halbvoll, sondern halb leer“

Und auf Corona beziehungsweise den Stand der Impfungen kamen er und Dr. Beier auch sehr schnell zu sprechen. 61 Prozent vollständig Geimpfte in Deutschland – für Dr. Beier ist „pandemisch gesehen das Glas nicht halbvoll, sondern halb leer“. „Ich hätte vor eineinhalb Jahren nicht gedacht, dass wir so schnell einen so hochwertigen Impfstoff bekommen. Dass zum jetzigen Zeitpunkt, wo genug Impfstoff da ist, die Erstimpfungen so zäh laufen, deprimiert mich schon ein bisschen“, so Dr. Beier. Er hoffe, dass die Impfwilligkeit jetzt noch Fahrt aufnimmt. „Wir haben auch nochmal im Ministerium interveniert, dass die Beratungen, die jetzt in den Praxen laufen, besonders aufwendig sind und die Beratungs- und Impfziffern dringlich nebeneinander abgerechnet gehören“, betonte er.

Einschränkungen für Ungeimpfte ja, aber keine allgemeine Impfpflicht

„Nicht zufriedenstellend“ nannte auch Wagner die aktuellen Impfzahlen, gerade auch mit Blick auf die kursierende hochansteckende Delta-Variante, die eine Impfquote von mindestens 80 Prozent erforderlich mache. „Da müssen wir sehen, dass wir mit vielen niedrigschwelligen Angeboten viele Menschen noch erreichen“. Dass es für ungeimpfte Menschen im Herbst schwieriger werde, in geschlossene Räume zu kommen und für Veranstaltungen möglicherweise die 2G-Regel komme, hält er für richtig – „da stehe ich auch dahinter“. Eine allgemeine Impfpflicht, war er sich mit Dr. Beier einig, sei abzulehnen, das sei auch Parteikonsens.

Als angehender Kinder- und Jugendmediziner plädiert Wagner auch für die Impfung von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren, die inzwischen von der STIKO empfohlen wird: „Da überwiegen ganz klar die Vorteile, und ich empfehle das auch bei allen, wo es möglich ist“, so Wagner. Zwar seien schwere Corona-Verläufe bei Kindern sehr selten. „Aber es gibt sie eben doch, sagte Wagner und verwies auf einen Fall, den er selbst betreute.

Hausarztverträge zur Patientensteuerung

Moderator Torsten Fricke lenkte das Gespräch auf das Wahlprogramm der Grünen, das besonders umfangreich ausgefallen ist. „Wir wollen die Primärversorgung durch HausärztInnen und weitere Gesundheitsberufe weiter stärken“, ist darin zu lesen. Da gehe es um Patientensteuerung, erläuterte Wagner, „Menschen mit leichten Symptomen müssen nicht immer direkt zum Spezialisten gehen“. Als Beispiel nannte er die Hausarztverträge, da könne man „solche Optionen noch stärken“.

Damit rannte er bei Dr. Beier offene Türen ein. „Es freut mich, dass Sie die Hausarztverträge hier genannt haben, wir hätten uns das bei so manchen Parteien auch im Programm gewünscht“, sagte er und verwies auf Erfahrungen in Bayern mit der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV), in die 1,3 Millionen Menschen eingeschrieben sind, „die zufrieden damit sind“. Hier werde vorgelebt, was Wagner zu Recht einfordere, nämlich dass steuernd eingegriffen wird und die Patientin/ der Patient nicht wie eine Flipperkugel mal hierhin und mal dorthin schießen. „Von daher sind wir da völlig beieinander“.

HZV erhalten heißt auch planbare Verhältnisse für den hausärztlichen Nachwuchs

Die HZV ausbauen heißt für Dr. Beier, dass man dieses System erhält. „Wir erleben immer wieder Angriffe, sei es manchmal von der FDP, sei es von anderen Krankenkassen, wo man versucht, an der Verpflichtung für Krankernkassen, dieses freiwillige Primärarztsystem anzubieten, rumzuschrauben. Das haben wir schon mal - zuletzt bei Schwarz-gelb – gehabt, dass die Hausarztverträge abgewickelt werden sollten. Das ist für uns ein zentraler Punkt, wo wir sicher keine Ruhe geben werden“, unterstrich Dr. Beier.

Für ihn ist die HZV auch Antwort auf die Frage von Fritz Hörner, Bürgermeisters der oberfränkischen Gemeinde Markt Berolzheim, nach Lösungsmöglichkeiten für die „eklatante Unterversorgung von Landärzten und deren Überalterung“. „Wir brauchen planbare Verhältnisse für den hausärztlichen Nachwuchs, um auch aufs Land zu gehen, und die Hausarztverträge sind da ganz elementar wichtig“, erklärte Dr. Beier. Einen weiteren Lösungsansatz verfolgt der Bayerische Hausärzteverband mit seiner Stiftung, die Blockpraktika, Famulaturen und PJ-Abschnitte in ländlichen Hausarztpraxen fördert. „Es sind schon insgesamt mehrere 100 Medizinstudierende gefördert worden“, berichtete Dr. Beier. „Wer den ländliche Raum in der Famulatur und vor allem im PJ kennengelernt hat, der hat viel eher einen Klebeeffekt, weil er sieht, das ist tolles Arbeiten dort.“

Mehr Kontakt zum ländlichen Raum durch neue Approbationsordnung

Ein ganz wichtiger Aspekt ist für Dr. Beier auch die Reform der ärztlichen Approbationsordnung, die den Kontakt in den Ambulanten Bereich und den ländlichen Raum fördern würde, aber von einigen Bundesländern und den Interessensverbänden der Hochschulen ausgebremst wird. „Ich hoffe, dass es einer der ersten Schritte der neuen Bundesregierung ist, die neue Approbationsordnung auf den Weg zu bringen“, so Dr. Beier.

Hausärzte-Nachwuchs: Wagner sieht auch Kommunen in der Pflicht

Wagner nannte aus seiner Sicht als noch junger Arzt, der erst vor zwei Jahren seinen Medizinabschluss gemacht hat und, wie er sagt, die Wünsche der AbsolventInnen kennt, weitere Steuerungsmöglichkeiten. Die Berufs- und Ortswahl hänge von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel der Work-Life-Balance, dem Angebot vor Ort, beispielsweise Unterstützung auf dem Weg in die Selbstständigkeit, Auflagen, die zu erfüllen sind. Sein Vorschlag: Kommunen könnten unterstützen, nicht nur durch Räume, sondern beispielsweise auch durch das Übernehmen von Prozessen, etwa durch Praxismanager, die Bürokratie abfangen können. Es brauche Konzepte, die Raum für den eigentlichen ärztlichen Beruf lassen – ein Grund, so Wagner, warum viele jüngere Mediziner lieber in ein Angestelltenverhältnis gehen. Gemeinden könnten doch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) fördern, damit ÄrztInnen dort Anstellungsmöglichkeiten finden, so Wagner. Und die Infrastruktur müsse stimmen. „Öffentlicher Nahverkehr, Digitalisierung, Kindergärten und Schulen müssen dort sein, sonst lässt sich keine Familie nieder, wenn da nur eine schöne Hausarztpraxis steht, aber sonst nichts.“

Oligopol-Gefahr bei MVZ

Beim Stichwort MVZ räumte Dr. Beier ein, man habe als Bayerischer Hausärzteverband in dieser Organisationsform auch eine gute Möglichkeit für regionale Zusammenschlüsse vor Ort gesehen und sich auch mit Erfolg für rein hausärztliche MVZ stark gemacht. „Aber jetzt sehen wir mit Schrecken, dass diese Entwicklung jetzt ganz schnell ganz deutlich reguliert werden muss“. In Nürnberg beispielsweise gebe es jetzt hausärztliche MVZ mit fast 50 Arztsitzen. „Das ist eigentlich schon ein Oligopol und wird ganz problematisch, wenn der Kollege mal sein MVZ abgeben will.“ Welche Gefahren hier drohen, machte er am Beispiel der Ober Scharrer Gruppe für Augenheilkunde deutlich: „Die sind schon bei über 100 Sitzen und vom zweiten Fonds aufgekauft worden. Da geben wir Versorgung in Kapitalhände und entziehen das Geld und auch die Versorgung der Gesellschaft“, warnte Dr. Beier. „Neben der HZV werden MVZ eines der großen Themen sein, zu den wir in den nächsten Monaten und Jahren gemeinsam mit den PolitikerInnen vor Ort und in Berlin überlegen, wie wir MVZ auf ein sinnvolles Maß wieder begrenzen können“, prognostizierte er.

Grenze zwischen ambulant und stationär nicht schleifen, aber ändern

Moderator Fricke kam noch einmal auf das Wahlprogramm zu sprechen, in dem es unter anderem heißt, man wolle ambulante und stationäre Angebote in Zukunft übergreifend planen, perspektivisch eine gemeinsame Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen einführen und die strikte Trennung zwischen EBM und GOÄ aufheben. „Heißt das, dass Sie praktisch diese Grenze zwischen ambulant und stationär schleifen wollen?“, fragte Fricke.
Wagner verneinte. Man wolle die Grenze verändern, weil der Informationsfluss leide. Schnittstellen stärken und den Austausch zwischen Niedergelassenen verschiedener Fachgruppen und Kliniken sei vielmehr das Ziel , um beispielsweise gegen bestimmte chronische Erkrankungen vorzugehen beziehungsweise vorzubeugen. Dabei setzt er auch auf die Digitalisierung, die vieles erleichtern werde.

„Sektorengrenzen sind auch ein Korrektiv“

Dr. Beier zeigte sich insgesamt skeptisch in Bezug auf die Aufhebung von Sektorengrenzen. Richtig sei, dass es viel zu viele Reibungsverluste zwischen den Sektoren gebe und diese besser verbunden werden sollten. Er stimmte Wagner zu, dass Digitalisierung dabei helfen könne. Sektorengrenzen stellen für Dr. Beier jedoch auch ein Korrektiv dar, auch hinsichtlich der Qualität. Wenn diese wegfielen und alle Mittel aus einem Topf kämen, könne dies zu Kannibalisierungsprozessen führen. Besser erstmal in den vorhandenen Strukturen Prozesse verbessern, lautete sein Vorschlag. Ein Wegfall der Sektorengrenze könne für Großkonzerne sehr interessant sein, warnte er.

Bürgerversicherung: „Ich hoffe, dass wir so etwas, wenn es mit der SPD klappt, einführen“

Auf Nachfrage von Ulrich Zuber, Vorsitzender des Hausarztvereins Coburg, verteidigte Wagner die im Grünen-Wahlprogramm propagierte Bürgerversicherung. Die finanziellen Vorteile seien zwar nicht so groß, „aber ich glaube, dass sie auf lange Sicht vieles vereinfachen würde“. Als Beispiele nannte er Selbstständige, die oft im Alter Probleme hätten, die steigenden Beiträge der Privatversicherung zu zahlen. Die Finanzierung medizinischen Fortschritts sei mit der Bürgerversicherung besser steuerbar, so Wagners Überzeugung. Finanzielle Nachteile gebe es nicht - auch nicht für Praxen, da die Vergütung dann entsprechend angepasst werden würde. Für Wagner ist die Bürgerversicherung auch ein Ausdruck sozialer Gerechtigkeit. „Ich glaube, wenn wir ein Solidarsystem haben, sei es für die Rente, für die Pflege oder die Krankenkassen, sollten wir alle einzahlen. Ich hoffe, dass wir so etwas, wenn es mit der SPD klappt, einführen“, stellte er in Aussicht.

Der nächste Gesundheitsminister? „Grade glaube ich, könnte es wirklich Herr Lauterbach werden“

Und noch eine Prognose gab Wagner am Ende der Diskussionsrunde ab, als er gefragt wurde, wer nächste Gesundheitsministerin/nächster Gesundheitsminister wird. „Ich kämpfe ganz stark dafür, dass wir nicht nur Klimapartei, sondern auch Gesundheitspartei sind und da auch jemanden ins Rennen schicken“, antworte er. „Aber ich weiß auch, dass Herr Lauterbach seit Jahren Anspruch erhebt auf dieses Amt.“ Und mit Blick auf die aktuellen Umfrageergebnissen meinte er: „Grade glaube ich, könnte es wirklich Herr Lauterbach werden“.
„Wir sind offen und hoffen, dass es uns egal sein kann, wer BundesgesundheitsministerIn ist, dass wir einfach mit unseren Themen durchdringen“, war Dr. Beiers Schlusswort dazu.

Klartext Hausarztmedizin - der Politik-Talk

 

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