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Im Interview geht Dr. Markus Beier, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, auf die 4. Corona-Welle, die Reaktionen aus der Politik und die Auswirkungen auf die Praxen ein. Sein Appell an Kolleginnen und Kollegen trotz aller Widrigkeiten: „Zusammenhalten und gemeinsam diese Pandemie bewältigen – durch Impfen, Impfen, Impfen.“

 
Dr. Markus Beier
Dr. Markus Beier, 
Landesvorsitzender
des Bayerischen Hausärzteverbandes

7-Tages-Inzidenzen von 800 und mehr in einigen bayerischen Landkreisen – war die Intensität der 4. Welle vorhersehbar?

Dr. Markus Beier: Hier muss man leider sagen: ja. Wenn man wieder zurück zur Normalität geht bei einer noch zu geringen Impfquote und sich das gesellschaftliche Leben jahreszeitbedingt wieder vermehrt in die Innenräume verlagert, dann kommt angesichts der hoch infektiösen Delta-Variante der drastische Anstieg der Infektionszahlen nicht überraschend.

Was bedeutet das für die Praxen?

Dr. Markus Beier: Für die Hausarztpraxen bedeutet das eine ganz enorme Belastung, gerade jetzt, wo Erkältungskrankheiten wieder zunehmen, Grippeimpfungen immer noch laufen und die Nachfrage nach Corona-Impfungen wieder ansteigt – das alles neben der Betreuung aller anderen Patientinnen und Patienten. Und nun kommen eben auch wieder häufiger Infektionen mit SARS-Cov-2 hinzu. Die Praxisteams arbeiten am Anschlag – das sehe ich in unserer Praxis, und das spiegeln mir auch Kolleginnen und Kollegen wider. Ich glaube, weder den Politikern noch der Öffentlichkeit ist bewusst, was derzeit eigentlich in den Arztpraxen geleistet wird.

In dieser Situation schlägt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Antikörpertests für alle vor. Wie kommt das bei Ihnen als Hausarzt an?

Dr. Markus Beier: Antikörpertest machen wirklich nur in ausgewählten Einzelfällen Sinn, um beispielsweise bei immungeschwächten Patienten zu sehen, ob überhaupt eine Immunantwort stattgefunden hat. Als flächendeckende Maßnahme zur Überprüfung, wann eine Auffrischimpfung nötig ist, sind sie ungeeignet, weil unklar ist, wie hoch der Antikörperspiegel sein muss, um gegen COVID-19 geschützt zu sein. Außerdem spielen bei dem Schutz vor Infektionen nicht nur Antikörper, sondern auch die so genannten B- und T-Zellen eine Rolle, die bei Antikörpertests nicht erfasst werden. Kurz: Statt unseren ohnehin schon überlasteten Praxisteams auch noch sinnlose Massentests zuzumuten, sollten wir uns lieber auf’s Impfen und Boostern konzentrieren. Allein der öffentlich geäußerte Vorschlag von Herrn Söder, der derzeit weitgehend einer wissenschaftlichen Grundlage entbehrt, behindert den Ablauf in den Praxen, weil die Patienten dann diese nutzlosen Tests nachfragen und wir Hausärztinnen und Hausärzte wieder erklären müssen, warum wir sie nicht jedem anbieten wollen.

Eine weitere Forderung der Politik sind Booster-Impfungen ohne Altersbegrenzung 6 Monate nach Abschluss der ersten vollständigen Immunisierung. Gibt’s jetzt den großen Ansturm in den Praxen? Und wie sinnvoll ist es, wenn sich junge gesunde Menschen boostern lassen wollen?

Dr. Markus Beier: Natürlich führen solche öffentlichen Äußerungen zu einer entsprechenden Nachfragen in den Hausarztpraxen, auch in unserer Praxis in Erlangen werden sowohl Auffrisch- als auch Erstimpfungen seit etwa einer Woche verstärkt nachgefragt. Geradezu absurd ist es, dass unsere Forderung nach einer Flexibilisierung der Bestellmodalitäten für Corona-Impfstoffe über Wochen hinweg ignoriert wurde und nun die gesamte Bevölkerung quasi über Nacht dazu ermuntert wird, sich schnellstens die Auffrischimpfung zu holen. Das wird wieder zu Engpässen und verärgerten Patienten führen, denn bislang mussten Praxen ihren Impfstoffbedarf ja zwei Wochen im Voraus ordern – da war der Anstieg der Nachfrage nicht absehbar. Erst ab dem 16. November sind die Impfstoffbestellungen wieder mit einem wöchentlichen Vorlauf möglich. Viele Praxen werden also bis 23. November nicht genug Impfstoff haben und Patienten vertrösten müssen. Schon allein deshalb macht es Sinn, erst die besonders vulnerablen Gruppen vorzuziehen. Auffrischimpfungen sind auch für Jüngere unbedingt sinnvoll, aber nicht ganz so drängend, weil davon auszugehen ist, dass sie ein besseres Immunsystem als beispielsweise Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen haben und deshalb der Impfschutz länger stabil bleibt.

Was sagen Sie zu Vorschlägen, dass Hausärztinnen und Hausärzte auf Patienten zugehen sollen, die besonders dringend eine Auffrischimpfung brauchen?

Dr. Markus Beier: Das halte ich für komplett realitätsfern. In der jetzigen angespannten Lage können die Praxen das einfach nicht zusätzlich leisten. Diese Menschen über staatliche Stellen gezielt ansprechen zu lassen, wäre ein sinnvoller Beitrag von Seiten der Politik, anstatt mit immer neuen und unabgestimmten Vorschlägen die Bevölkerung zu verunsichern. Hier hat aber die Politik auch zum Glück zurückgerudert; in Bayern wird es ein Anschreiben von staatlicher Seite an alle ab 60 geben.

Sie haben immer wieder angemahnt, dass Hausärztinnen und Hausärzte bzw. ihre Vertreter in die Planungen zur Pandemiebekämpfung besser einbezogen werden sollten. Sehen Sie hier Fortschritte?

Dr. Markus Beier: Es gibt schon gewisse Fortschritte. Immerhin werden wir in Gespräche mit eingebunden, aber nicht in die Entscheidungen, die wir dann in den Praxen umsetzen müssen. Hier sehe ich schon noch Optimierungspotenzial. Das zeigen ja auch die jüngsten Entwicklungen. Wenn es einen Strategiewechsel beim Thema Auffrischimpfung gibt, dann genügt es eben nicht, die Hausärztevertreter ein paar Tage vorher zu informieren. So etwas muss man im Vorfeld gemeinsam besprechen und planen, wenn man Chaos und Frust in den Praxen vermeiden will.

Ferner braucht es in einigen Regionen dringend wieder Unterstützung bei den Testungen auch von Niedrigsymptomatischen, die außerhalb der Pandemie Ihre Symptome „einfach“ auf Sofa auskuriert haben, zum Beispiel über Anlaufstellen und den Bereitschaftsdienst.

Sind die Hausärztinnen und Hausärzte zu langsam beim Boostern, wie das teilweise in politischen Diskussionen suggeriert wird?

Dr. Markus Beier: Solche Äußerungen sind schlicht unverschämt – gerade auch vor dem Hintergrund, dass man uns mit dem bisherigen zweiwöchigen Bestellvorlauf für Corona-Impfstoff keine Möglichkeit gegeben hat, flexibel auf eine steigende Nachfrage zu reagieren. Und sie zeugen von mangelndem Respekt gegenüber denjenigen, die täglich an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen, um den ambulanten Schutzwall aufrecht zu erhalten, damit Kliniken sich weiterhin ausschließlich um Corona-Patienten mit schweren Verläufen kümmern können.

Erneute staatliche Bonuszahlungen für KlinikmitarbeiterInnen, aber nicht für MFA – wie schwer ist es, angesichts dieser Ungleichbehandlung die MFA weiter zum Durchhalten zu motivieren?

Dr. Markus Beier: Das ist nicht nachvollziehbar und ein Schlag ins Gesicht für unsere MFA, deren Einsatz in der Pandemie von unschätzbarem Wert ist. Natürlich wird in der stationären Pflege unter immenser Belastung Großartiges geleistet und ich gönne dort jeder und jedem die neuerliche Bonuszahlung. Auch im ambulanten Bereich arbeiten die MFA oft bis zur Erschöpfung, aber die Anerkennung bleibt aus. Ich kann an dieser Stelle nur nochmal Danke sagen und versprechen: Als Bayerischer Hausärzteverband werden wir unsere Forderung nach einem Corona-Bonus für MFA solange vorbringen, bis wir Gehör finden – das sind wir unseren PraxismitarbeiterInnen schuldig.

Und wie sind die Rückmeldungen aus dem Kollegenkreis? Was sagen Sie denjenigen, die am liebsten ganz aus der Corona-Impfung aussteigen würden?

Dr. Markus Beier: Bei allem verständlichen Ärger ist es wichtig, dass wir als Hausärztinnen und Hausärzte zusammenhalten und gemeinsam unseren Beitrag leisten, um diese Pandemie zu bewältigen – durch Impfen, Impfen, Impfen. Denn darin sind nun mal wir die Experten, das sollten wir uns von niemandem streitig machen lassen. Hier geht es um Solidarität untereinander und mit den Patienten, die uns ihre Gesundheit anvertrauen. Bleiben wir dran – alle gemeinsam!

 

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