Beschlüsse der Delegiertenversammlung vom 12.11.2022

Die Delegiertenversammlung des Bayerischen Hausärzteverbandes hat vergangenmes Wochenende in Bad Gögging mit einem einstimmig verabschiedeten Leitantrag die Bundesregierung und die Gesetzlichen Krankenkassen aufgefordert, Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzsituation der hausärztlichen Praxen und zur Weiterentwicklung der hausärztlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten in die Wege zu leiten und dazu einen Forderungskatalog vorgelegt. Eine Beschlussübersicht.

Leitantrag Herbst 2022 (im Wortlaut)

Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern die Bundesregierung und die Gesetzlichen Krankenkassen auf, insbesondere folgende notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzsituation der hausärztlichen Praxen und zur Weiterentwicklung der hausärztlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten in die Wege zu leiten:

  • Vollumfänglicher Inflationsausgleich: Zur Sicherstellung des Praxisbetriebs muss ein vollumfänglicher Inflationsausgleich durch die Gesetzlichen Krankenkassen gewährleistet werden, um es den Praxisinhaberinnen und -inhabern zu ermöglichen, insbesondere die steigenden Energie- und Personalkosten in den Praxen bewerkstelligen zu können. Die Bundesregierung ist aufgefordert, entsprechende steuerfinanzierte Zuschüsse an die Gesetzlichen Krankenkassen aus dem Bundeshaushalt zu leisten.
  • Honorarplus: Vorhaltepauschale, Ordinationsgebühr und Chronikerzuschläge im EBM und HZV müssen deutlich nach oben angepasst werden. Die Gesetzlichen Krankenkassen werden aufgefordert, den jeweiligen Verhandlungspartnern ausreichende Angebote zu unterbreiten.
  • Gegenfinanzierung Anstieg Mobilitätskosten: Honorare für Hausbesuche müssen – auch wegen der explodierenden Mobilitätskosten – erhöht werden. Die Gesetzlichen Krankenkassen werden aufgefordert, den jeweiligen Verhandlungspartnern ausreichende Angebote zu unterbreiten.
  • Medikamentenumstellung: In Analogie zur Vergütung in Apotheken muss künftig jede poststationäre und post-Reha-Beratung in unseren Praxen, die regelhaft mit einer Medikamentenumstellung verbunden ist, mit 90 Euro extrabudgetär vergütet werden. Die Bundesregierung und die Gesetzlichen Krankenkassen werden aufgefordert, die entsprechende Finanzierung sicherzustellen und analoge Regelungen für den hausärztlichen Bereich vorzulegen.

Die anhaltend hohe Teuerungsrate und der umkämpfte Arbeitsmarkt für Medizinische Fachangestellte (MFA) stellt die Arztpraxen in Deutschland vor immer größere wirtschaftliche Herausforderungen. Ende August 2022 hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) Alarm geschlagen: Zwischen 2017 und 2020, also noch vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den daraus resultierenden Preissteigerungen, sind die Praxis-Kosten bundesweit durchschnittlich um 13,2 Prozent gestiegen, obwohl die Inflation nur bei 3,7 Prozent lag. Nimmt man die bereits im Juli 2022 vom Statistischen Bundesamt errechnete Inflationsrate von 7,5 Prozent als Untergrenze, so prognostiziert das Zi Mehrkosten für jeden Praxisinhaber in Höhe von 12.700 Euro pro Jahr zu. Gegenüber 2017 wären die Personalkosten laut Zi dann um mehr als 30 Prozent, die Gesamtkosten für den Praxisbetrieb um nahezu 27 Prozent gestiegen. Doch in der Realität werden die Kostensteigerungen noch weitaus höher ausfallen, da insbesondere die Energiepreise derzeit rasant steigen.

Die ambulante Versorgung durch uns Hausärztinnen und Hausärzte ist das Rückgrat unseres Gesundheitssystems, dies hat die Corona-Pandemie sehr eindringlich gezeigt, als bis 90 Prozent der Covid19-Patienten ambulant versorgt wurden. Hausärztinnen und Hausärzte und ihre Praxisteams haben damit den Krankenhäusern den Rücken für die Versorgung der Schwersterkrankten freigehalten. Hausärztinnen und Hausärzte haben aber nicht nur gegenüber ihren Patientinnen und Patienten eine Verantwortung, sondern auch gegenüber ihren MFAs und VERAHs, denen eine würdige Entlohnung zusteht.

Wie die Berechnungen des Zi eindringlich belegen, brauchen die hausärztlichen Praxen umgehend einen Ausgleich für die extremen Kostensteigerungen, um die nachhaltige Versorgung in Stadt und Land sicherzustellen. Schon jetzt haben viele Praxen massive Personalprobleme, weil MFAs in Krankenhäuser wechseln, die höhere Löhne zahlen können. Seit Jahren gilt deshalb der Beruf der Medizinischen Fachangestellten als Engpassberuf, bestätigt auch das Zi. So stieg die Zahl der offenen Stellen bundesweit von 6.700 im Juli 2019 auf 9.600 im Juli 2022 – eine Steigerung von 42 (!) Prozent.

Hausarztmedizin ist Teamarbeit. Wenn Hausärztinnen und Hausärzte keine Mitarbeitenden mehr finden, steht die gesamte Versorgung auf der Kippe. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Tätigkeit in einer Hausarztpraxis sowohl für junge Medizinerinnen und Mediziner als auch für MFAs und VERAHs attraktiver zu machen. Diese Erfolge sind derzeit gefährdet, wenn Kassen und Politik auf Zeit zu spielen. Es ist dringend erforderlich, dass es kurzfristig zu deutlichen Honorarsteigerungen kommt und der EBM in Richtung hausärztliche Versorgung angepasst wird! Dies gilt auch für die Grundleistungen der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV).

Notwendig ist ferner, einen finanzieller Ausgleich für die gestiegenen Mobilitätskosten bei der Durchführung von Hausbesuchen zu schaffen. Hausbesuche – durch die Hausärztin / den Hausarzt oder die VERAH - stellen nach wie vor vielfach einen wesentlichen Baustein der hausärztlichen Betreuung gerade älterer und multimorbider Patientinnen und Patienten dar. Die Höhe der entsprechenden Wegepauschalen bzw. der Hausbesuchspauschalen allgemein sind kurzfristig anzupassen.

Hausärztinnen und Hausärzte sind in Fragen der Beratung von Patientinnen und Patienten bei Medikamentenumstellungen ab sofort finanziell den Apothekerinnen und Apothekern gleich zu stellen – und dies zunächst unabhängig von der Frage, ob diese Aufgaben fachlich und strukturell überhaupt in das Angebot von Apotheken gehören oder nicht.

Mehr hausärztliche Versorgungssteuerung

Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern von der Bundesregierung und den Mitgliedern der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag die zeitnahe Umsetzung der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Stärkung und Förderung der hausärztlichen Versorgung durch eine angemessene Vergütung und die Schaffung des dazu erforderlichen Finanzrahmens, um die zielorientierte Versorgung von Patientinnen und Patienten durch die hausärztlichen Praxisteams möglichst in der Häuslichkeit versorgen und steuern zu können. Dynamischen wirtschaftlichen Entwicklungen, wie beispielsweise rasant steigenden Praxiskosten, sind dabei angemessen Rechnung zu tragen.

Delegiertenwahlen Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) 2022

Die Delegiertenversammlung des Bayerischen Hausärzteverbandes unterstützt einhellig die zahlreichen Bewerbungen von Hausärztinnen und Hausärzten bei der Kammerwahl 2022, bekräftigte ihre Unterstützung für die unter Führung der hausärztlichen Kollegen Dr. Max Kaplan und Dr. Gerald Quitterer angestoßenen Reformen der ärztlichen Selbstverwaltung und ihrer thematischen Schwerpunktsetzung in der Bayerischen Landesärztekammer, begrüßte die Ankündigung des amtierenden BLÄK-Präsidenten Dr. Gerald Quitterer, nach der Wahl erneut für dieses Amt kandidieren zu wollen, und hat sich geschlossen hinter seine programmatischen Forderungen gestellt, die wie folgt lauten:

  • Wertschätzung der ärztlichen Profession
  • Förderung der Arztgesundheit (gemäß Genfer Gelöbnis)
  • kurzfristiger Schaffung von 6.000 zusätzlichen Medizinstudienplätze an deutschen Universitäten
  • Weiterentwicklung eines transparenten Sponsorings von Fortbildungsveranstaltungen / weiteres Einbremsen der Einflussnahme der Pharmaindustrie auf Fortbildungsveranstaltungen
  • entschiedenes Eintreten gegen eine zunehmende Kommerzialisierung der Medizin
  • Stärkung bestehender Versorgungsstrukturen, insbesondere wirksame Förderung der Niederlassung und damit der Teamversorgung in den Praxen
  • Anerkennung der Weiterbildung mit Facharztanerkennung für die weiteren berufliche Tätigkeit als ausreichend, insbesondere keine weitergehende Qualifizierungsanforderungen Dritter (wissenschaftliche Fachgesellschaften oder Krankenkassen)
  • Kooperation der Arztgruppen im Sinne einer sektorenverbindenden Versorgung
  • Kooperation mit nichtärztlichen medizinischen Fachberufen im Sinne einer Delegation arztentlastender Aufgaben statt Übertragung der Heilkunde
  • Definition originärer ärztlicher Aufgaben
  • Weiterqualifikation und Unterstützung der Medizinischen Fachangestellten
  • notwendige Patientensteuerung in Notaufnahmen
  • Umsetzung der neuen Approbationsordnung
  • Umsetzung und Beschluss der GOÄ neu
  • Neudefinition der Telematikinfrastruktur
  • wirksamer Bürokratieabbau
  • Stärkung der Patientensicherheit durch Therapieentscheidungen nach dem Prinzip „choosing wisely“
  • Respektierung der Patientendatensicherheit
  • Sicherung der ärztlichen Entscheidungsfreiheit und der Einhaltung der Berufsordnung bei Verträgen mit Zielvereinbarungen
  • Neugestaltung des Entlassmanagements
  • Ausbau der Weiterbildungsverbünde
  • Evaluation der Weiterbildungsstätten
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Erhalt der Freiberuflichkeit (frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter)

Klare Regeln für MVZ – Jetzt!

Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern das Bundesministerium für Gesundheit und die Regierungsparteien auf, bis zum 31.03.2023 verschiedene gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen:

  1. durch die Begrenzung der in einem MVZ tätigen Ärztinnen und Ärzte auf max. 50 Personen sollen die Entwicklung einer marktbeherrschenden Stellung in einer Region und das weitere Verschwinden wohnortnaher ambulanter Strukturen verhindert werden
  2. die gesetzliche Verankerung eines verpflichtenden MVZ-Transparentsregisters
  3. die Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für humanmedizinische MVZ beschränken analog der Beschränkung bei zahnmedizinischen MVZ (§ 95 Abs. 1 b SGB V);
  4. zu regeln, dass für ein MVZ die gleichen Zulassungsregeln gelten wie für Berufsausübungsgemeinschaften
  5. zu regeln, dass ein MVZ, unabhängig von seiner Gesellschaftsform nur dann zulassungsfähig ist, wenn Vertragsärztinnen und -ärzte dauerhaft über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte der MVZ-Trägergesellschaft verfügen bzw. alle Entscheidungsstrukturen einer MVZ-Trägergesellschaft auf Dauer in Händen von Vertragsärztinnen und -ärzten liegen;
  6. sogenannte Konzeptbewerbungen von MVZ zu verbieten und die Prüfung der Geeignetheit von MVZ durch die Zulassungsausschüsse zu ermöglichen.

 

Weitere Beschlüsse (zusammengefasst)

Aktualisierung Verbandsname Bayerischer Hausärzteverband

Im Sinne einer modernen, zeitgemäßen Außendarstellung und einer adäquaten Abbildung der Hausärztinnen und Hausärzte soll die Bezeichnung Bayerischer Hausärzteverband angepasst werden. Der geschäftsführende Vorstand ist aufgefordert, eine Namensänderung des Bayerischen Hausärzteverbandes mit dem Ziel einer adäquaten Abbildung von Hausärztinnen und Hausärzten zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung den Delegierten in der nächsten Delegiertenversammlung vorzustellen sowie zur Entscheidung vorzulegen.

Corona-Impfstoff

Um die Durchführung der Corona-Impfung in den Praxen zu erleichtern, soll einzeln verpackter Coronaimpfstoff für die Hausarztpraxen zur Verfügung gestellt werden und seitens der KVB die Impfdokumentationspflicht entfallen.

Klare Regeln für Fernbehandlungen

Die regelhafte und auf Dauer angelegte telemedizinischen Behandlung von Patientinnen und Patienten durch kommerzielle Anbieter ist durch eine entsprechende Beschlussfassung des Deutschen Ärztetages und durch Aufsichtsmaßnahmen der zuständigen Aufsichtsbehörden auszuschließen.

Telefonische AU

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird aufgefordert, die telefonische Krankschreibung für „eigene“, in den Praxen seit langem bekannten (HZV-)Patientinnen und (HZV-)Patienten dauerhaft zu ermöglichen und die Befristung bis zum 30. November 2022 für alle anderen Patientinnen und Patienten bis zum 31. März 2023 zu verlängern.

Nachbestellung Influenza-Impfstoffe

Das Bundesministerium für Gesundheit wird aufgefordert, sicher zu stellen, dass Influenza-Impfstoffe grundsätzlich auch bei Nachbestellungen prioritär an Hausarztpraxen auf dem üblichen Distributionsweg von den Apotheken ausgeliefert werden.

Zusammenfassung der Delegiertenbeschlüsse vom 12.11.2022 als PDF

 

 

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