Apropos Digitalisierung: "Wir haben weder die Zeit noch die Nerven, unausgegorene Digitalprojekte zu testen"

 
Dr. Markus Beier
Ein bestimmter Karten-Typ kann
Systemabstürze auslösen.

Apropos Digitalisierung – das Buzzword im Bundestagswahlkampf. Eine schöne neue Welt, in der Computer für Menschen lästige Arbeitsschritte übernehmen. Für den Gesundheitsbereich versprachen die Politiker den Ärztinnen und Ärzten weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Patienten. Und wie sieht jetzt wirklich aus, die schöne neue Welt?

Ein Beispiel: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung berichtete dieser Tage von einem Problem, das mittlerweile für massiven Ärger sorgt. Wird ein bestimmter Typ der elektronischen Gesundheitskarte in das Kartenterminal der Praxis gesteckt, führt dies zu einer elektronischen Entladung, was wiederum einen kompletten Systemabsturz verursacht. Dieser Kartentyp eines zertifizierten Herstellers ist mittlerweile millionenfach im Umlauf.

„Das Grundvertrauen in die Gematik ist zum wiederholten Mal erschüttert“

„Das Grundvertrauen in die Gematik ist zum wiederholten Mal erschüttert“, kommentiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung dieses Desaster. Und auch bei den Hausärztinnen und Hausärzten reißt der Geduldsfaden. „Wir haben nichts gegen die Digitalisierung, aber wir sind keine Versuchskaninchen für Digitalprojekte, die von der Politik zwar gewünscht, aber noch nicht seriös ausentwickelt wurden“, stellt Dr. Wolfgang Ritter, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Bayerischen Hausärzteverbandes, klar. Im Fokus der Hausärztinnen und Hausärzte stünde gerade jetzt der Kampf gegen die Corona-Pandemie und die Versorgung der anderen Patienten. „Wir haben weder die Zeit noch die Nerven, unausgegorene Digitalprojekte zu testen“, so Dr. Ritter.

Holpriger Start für eAU und eRezept

Das Desaster mit der elektronischen Gesundheitskarte ist jedoch kein Einzelfall. So wollte der vorherige Gesundheitsminister mit aller Gewalt das Digitalprojekt eRezept zum 1. Januar durchdrücken – ohne Testphase und ohne, dass eine hinreichend geprüfte Software zur Verfügung steht. Mit der neuen Bundesregierung konnte dieses Desaster noch letzter Minute abgewendet werden.

Ähnlich chaotisch läuft die Einführung der eAU. Ursprünglich sollten die Praxen verpflichtet werden, ab 1. Januar Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen ausschließlich digital auszustellen. Nur: Viele Software-Anbieter waren nicht in der Lage, die Praxisverwaltungsprogramme entsprechend weiterzuentwickeln. Folge: Auch diese Einführung musste in letzter Minute auf 1. Juli 2022 verschoben werden, um ein Chaos in den Praxen zu verhindern.

"Wir erwarten von der Politik mehr Nachhaltigkeit und Professionalität“

Dr. Wolfgang Ritter: „Aus der Blamage rund um den Bau des Flughafens BER sollte die Politik eigentlich gelernt haben, dass komplexe Projekte von Fachleuten detailliert geplant werden müssen. Es kann nicht sein, dass Politiker irgendwelche Schlagwörter aufgreifen, und wir in unseren Praxen die Folgen ausbaden müssen. Wir Hausärztinnen und Hausärzte erwarten von der politischen Führung mehr Nachhaltigkeit und Professionalität.“

Thema „gescheiterte IT-Projekte“ jetzt im Petitionsausschuss

Angesichts der Vielzahl der Pannen bei der Einführung von Digitalprojekten zeigen die Ärzte jetzt klare Kante. Die Petition „Kassenarztrecht - Einführung von Flächentests zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und zum eRezept“, die Dr. Petra Reis-Berkowicz, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Bayerischen Hausärzteverbandes und Vorsitzende der Vertreterversammlung in KBV und KVB, initiiert hat, hat das notwendige Quorum erreicht. Damit kommt das Thema „gescheiterte IT-Projekte“ jetzt in den Petitionsausschuss des Bundestages.

 

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