„Depression ist eine systemische Erkrankung!“

Prof. Dr. med. Andreas Menke, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ist ein international ausgewiesener Experte in der Behandlung von Depressionen, Bipolarer Störung und stressassoziierten psychischen Erkrankungen. Im Interview geht er auf Besonderheiten der oft unterschätzten Depression ein, auch im Zusammenhang mit Corona. Außerdem verrät er, was Hausärztinnen und Hausärzte in seinen beiden Fortbildungen erwartet.

Dr. Jakob Berger
Prof. Dr. Andreas Menke

Ihre beiden Fortbildungen drehen sich um die psychische Gesundheit. Warum ist das gerade jetzt ein besonders wichtiges Thema?

Prof. Dr. Menke: Das ist eigentlich immer ein ganz wichtiges Thema, nur haben viele Menschen das leider nicht so auf dem Schirm. Die Corona-Pandemie hat diesen Aspekt etwas in den Vordergrund geschoben. Es ist ja so: Je mehr chronischem Stress jemand ausgesetzt ist, desto größer wird die Gefahr einer psychischen Erkrankung, zumal, wenn Kompensationsmöglichkeiten wegfallen, etwa durch die Coronaschutzmaßnahmen. Und die Pandemie hat bei vielen zu dauerhaftem Stress geführt, vor allem bei Beschäftigten im Gesundheitssektor, die sich seit Monaten einer enormen Arbeitsbelastung ausgesetzt sehen. Aber auch Pandemie-Auswirkungen wie die verstärkte Arbeit im Home-Office empfinden nicht wenige Beschäftigte als belastend. Der direkte Austausch mit Kolleginnen und Kollegen fehlt, zu Hause musste in vielen Haushalten das Homeschooling nebenherlaufen, oft im gleichen Raum. Das hat in vielen Familien für Dauerstress gesorgt.

Nicht nur Corona-Maßnahmen, auch die Infektion selbst kann auf die Psyche schlagen…

Prof. Dr. Menke: Ja, das ist richtig. Als neurotropes Virus kann SARS-COV-2 auch das Gehirn schädigen. Studien haben zum einen gezeigt, dass eine COVID-19-Erkrankung bei zuvor psychisch Gesunden das Risiko für eine psychische Erkrankung wie eine Depression deutlich erhöht. Zum anderen haben Menschen mit psychischer Vorerkrankung ein höheres Risiko, sich mit SARS-COV-2 zu infizieren, und im Falle einer Infektion auch häufiger einen schweren Krankheitsverlauf. Unter psychisch Kranken ist die Mortalitätsrate infolge einer COVID-19-Erkrankung doppelt so hoch als bei vergleichbaren psychisch Gesunden. Für diese Zusammenhänge möchte ich in der Fortbildung „Macht uns Corona depressiv? Zusammenhang zwischen Corona, Stress und psychischen Erkrankungen“ sensibilisieren. Und auch dafür, dass es sich bei einer Depression um eine systemische Erkrankung handelt, die in ihrem Verlauf den ganzen Körper beeinträchtigt. Sie wirkt sich auf das sympathische Nervensystem, das Stress-Hormon-System und das Immunsystem aus. In der Folge tragen Betroffene ein höheres Risiko beispielsweise für Herz-Kreislauf-Erkrankungen das metabolische Syndrom und Diabetes.

Wie erkennt die Hausärztin/der Hausarzt psychische Probleme? Patienten schieben möglicherweise andere Beratungsanlässe vor.

Prof. Dr. Menke: Nicht nur das, Patientinnen und Patienten, die noch nie unter einer psychischen Erkrankung gelitten haben, können Symptome einer Depression wie Schlafprobleme und Antriebslosigkeit oft nicht richtig einordnen, wissen gar nicht, was mit ihnen los ist. Hausärztinnen und Hausärzte als ersten Ansprechpartnern kommt die Aufgabe zu, Anzeichen einer Depression bei Ratsuchenden zu erkennen und deren Blick für Alarmsignale einer psychischen Erkrankung zu schärfen. Auch darum geht es in meinen Fortbildungen.

Therapieplätze für psychisch Erkrankte sind rar, oft ist mit langen Wartezeiten zu rechnen. Wie kann die Hausärztin/der Hausarzt überbrücken?

Prof. Dr. Menke: Ohne entsprechende Ausbildung kann der Hausarzt keine Psychotherapie anbieten. Als Überbrückung können Psychopharmaka eine Option sein.

Das Thema Ihrer Fortbildung „Psychopharmakologische Behandlung von psychischen Erkrankungen und Notfällen“?

Prof. Dr. Menke: Genau. Ich möchte den Teilnehmenden medikamentöse Möglichkeiten vorstellen –und ihnen eine Toolbox an die Hand geben, um die jeweils geeignete Therapiemöglichkeit im individuellen Fall zu finden. Dazu gehören beispielsweise Gentests und Therapeutisches Drug Monitoring (TDM). Und es geht darum, zu erkennen, wann ein Notfall vorliegt und die Patientin/der Patient um eine stationäre Einweisung nicht mehr herumkommt.

Fortbildungen mit Prof. Dr. med. Andreas Menke:

Macht uns Corona depressiv? Zusammenhang zwischen Corona, Stress und psychischen Erkrankungen
Psychopharmakologische Behandlung von psychischen Erkrankungen und Notfällen

Beide Fortbildungen werden am Bayerischen Hausärztetag in Erlangen vom 13.- 14.05.2022 angeboten, erstere ist aber auch Teil unseres regulären Fortbildungsprogramms. Infos unter https://www.hausaerzte-bayern.de/index.php/bhaet/fortbildungen und unter www.hausaerzte-bayern.de/fortbildung.

 

 

 

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