Pharmazeutische Leistungen: Keine weitere Zersplitterung hausärztlicher Tätigkeiten!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

diese Gesellschaft und unser Gesundheitssystem hatten bisher ein großes Pfund, mit dem sich wuchern ließ, nämlich uns Hausärztinnen und Hausärzte, die immer den ganzen Menschen im Blick haben. Dieser ganzheitliche Ansatz zum Wohle der Patientinnen und Patienten steht jetzt auf der Kippe, wird immer mehr von politischem Aktionismus zerfleddert.

Was ist passiert? Auf Basis des unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn 2020 erarbeiteten und vom Deutschen Bundestag verabschiedeten „Apotheken-vor-Ort-Stärkungsgesetz“ erfolgte vor wenigen Tagen ein Schiedsspruch zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV Spitzenverband, der unseren schärfsten Widerspruch fordert.

Die im Wege dieses Schiedsspruchs konkretisierten „pharmazeutischen Dienstleistungen“, wie die sogenannte „erweiterte Medikamentenberatung“, sind eine Ohrfeige für uns Hausärztinnen und Hausärzte und ein frontaler Angriff auf die hausarztzentrierte Versorgung. Die damit geschaffene Zersplitterung hausärztlicher Kerntätigkeiten wird die Patientinnen und Patienten verunsichern und deren Versorgung deutlich verschlechtern. Gleichzeitig explodieren die Kosten für diese völlig unnötigen Maßnahmen. Damit zahlen die Beitragszahlerinnen und -zahler die Zeche für eine verfehlte Gesundheitspolitik unter Spahns Gnaden.

90 Euro netto dürfen Apotheken jetzt kassieren, wenn sie Patienten beraten, denen wir Hausärztinnen und Hausärzte fünf oder mehr Medikamente verordnet haben. Mit welcher Expertise – insbesondere für den jeweiligen Einzelfall – ist unbekannt. Das Ergebnis wird sein, dass Patienten völlig verunsichert mit einem komplexen Standard-Computerausdruck voller potentieller Nebenwirkungen in unseren Praxen erneut Rat suchen. Diese Zerstückelung hausärztlicher Kerntätigkeit ist aber vor allem eines: Eine Unverschämtheit! Unsere erwiesene Kompetenz bei der Versorgung von multimorbiden Patienten wird mit diesem Apotheken-Bonus in Frage gestellt. Wir werden uns das nicht bieten lassen, nicht bieten lassen dürfen!

Das gleiche gilt für die Pseudo-Beratung von Organtransplantierten, Patientinnen und Patienten mit Immunsuppressiva oder oralen Chemotherapeutika, in Apotheken. Diese in der Regel schwersterkrankten Menschen werden von uns Hausärztinnen und Hausärzten sorgfältig untersucht und auf Basis von Laborwerten auf die jeweiligen Medikamente individuell eingestellt. Die Vorstellung, eine Apothekerin / ein Apotheker könne hier „beratend“ tätig sein, ist abstrus.

Dass Blutdruckpatienten unter Blutdruckmedikation einmal jährlich ihren Blutdruck in einer Apotheke kontrollieren lassen können, zeigt, wie wenig medizinischer Sachverstand in diesen Schiedsspruch eingeflossen ist. Als Grundlage für eine Medikation einen zufälligen Wert im Jahr zu nehmen, widerspricht jeder Leitlinie. Und was passiert, wenn in der Apotheke ein zu hoher Blutdruck gemessen wird? Dann wird der Patient dorthin geschickt, wo er fachkundig behandelt und der Blutdruck ohnehin regelmäßig kontrolliert wird – zu uns in die Hausarztpraxis. Und dies bedeutet weitere Belastungen für uns und unser Praxispersonal.

Statt die hausärztliche Versorgung zu zersplittern und die Patienten dadurch zu verunsichern, ist genau das Gegenteil notwendig: Ein Hausarztpraxen-vor-Ort-Stärkungsgesetz mit einem leistungsgerechten Vergütungskonzept unter Berücksichtigung der dramatisch steigenden Kosten für die Erhaltung und den Betrieb unserer Praxen.

Wir fordern deshalb:

  • Vorhaltepauschale, Ordinationsgebühr und Chronikerzuschläge im EBM und in der HZV müssen deutlich nach oben angepasst werden.
  • Honorare für Hausbesuche müssen – auch wegen der explodierenden Mobilitätskosten – erhöht werden.
  • In Analogie zur Vergütung in Apotheken muss künftig jede poststationäre und post Reha-Beratung in unseren Praxen, die regelhaft mit einer Medikamentenumstellung verbunden ist, mit 90 Euro extrabudgetär vergütet werden.
  • Für die Sicherstellung des Praxisbetriebs brauchen wir einen vollumfänglichen Inflationsausgleich, insbesondere als Lohnplus für die angestellten Kolleginnen und Kollegen sowie für unsere Medizinischen Fachangestellten.

Die Lösung heißt also: Statt die Hausarztmedizin zu zersplittern, die Patientinnen und Patienten zu verunsichern und Gelder der Beitragszahler zu verschwenden, brauchen wir ein Mehr an Hausarztmedizin – und dies zu einem fairen und gerechten Honorar.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

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Mit kollegialen Grüßen
Ihr Dr. Markus Beier
Landesvorsitzender Bayerischer Hausärzteverband e.V.

 

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