Krankenhaus- und Notfallreform: „Wir erwarten, dass wir in eine Diskussion um ambulant und stationär einbezogen werden“

Stephan Pilsinger
 Mitgliederversammlung am Bayerischen Hausärztetag: Highlight war die Podiumsdiskussion
mit Staatsminister Klaus Holetschek und Landtagsabgeordneten weiterer Fraktionen.

Zum Auftakt der Mitgliederversammlung am Bayerischen Hausärztetag 2023 gab es erst einmal ein großes Dankeschön von Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek für den „großen Beitrag, den Sie in der Versorgung insgesamt leisten und insbesondere in der Pandemie“. Er erinnerte in seinem Grußwort an die wöchentliche Abstimmung unter anderem mit Vertretern des Bayerischen Hausärzteverbandes – „das hat sich bewährt, wir sollten auch in Zukunft im Dialog bleiben“.

Nicht so dialogfreudig in Richtung niedergelassene Ärzteschaft scheint dagegen der Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, wie in der anschließende Podiumsdiskussion mit Staatsminister Holetschek (CSU) und den weiteren Landtagsabgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer von den Freien Wählern und Patienten- und Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Ruth Waldmann (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag, Dr. Dominik Spitzer, FDP, Mitglied Gesundheitsausschuss Bay. Landtag
Und Eva Lettenbauer, Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/ Die Grünen sowie Dr. Wolfgang Ritter, Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, deutlich wurde. Dort entspann sich um das Thema Reform der Krankenhäuser und Notfallversorgung eine hitzige Debatte. Die Hausärztinnen und Hausärzte fühlen sich dabei außen vor gelassen. „Wir erwarten, dass wir in eine Diskussion um ambulant und stationär einbezogen werden“, forderte Dr. Ritter mehr Mitsprache ein.

Masterplan Medizinstudium 2020 "alternativlos"

Zunächst aber waren sich bei den Themen Masterplan Medizinstudium 2020, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Regensburg und MVZ noch weitgehend einig. Prof. Bauer nannte den Masterplan 2020 „alternativlos“, und für Eva Lettenbauer ist „die Stärkung der Allgemeinmedizin das A und O, wir stehen hinter dem Masterplan“, er müsse nun „ganz schnell kommen“. „Zeit wird’s“, fand auch Ruth Waldmann, und Klaus Holetschek versicherte: „An uns liegt es nicht“. Zufrieden geben mit der parteiübergreifenden Einigkeit zu diesem Thema wollte sich Dr. Ritter nicht. Er stellte klar, dass hier die Politik schön längst hätte handeln müssen: „Wenn die Studierenden an der Universität nie Kontakt mit der Allgemeinmedizin haben, werden sie sich für dieses tolle Fach nicht entscheiden. Genau das stellt der Masterplan sicher, sie müssen sich mit diesem Fach auseinandersetzen“, erläuterte er. Und : „Wir brauchen den Masterplan schnell, denn es dauert, bis er wirkt!“

"Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Regensburg wird kommen"

Gute Nachricht hatte Minister Holetschek zum Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Regensburg: „Er wird kommen“, kündigte er an. Und auch bei der Eingrenzung investorengeführter MVZ tue sich etwas, berichtete er mit Verweis auf die Bundesratsinitiative, die Bayern, unterstützt von weiteren Bundesländern, eingebracht hat. Zustimmung erhielt Holetschek für seine Klarstellung, dass MVZ nicht grundsätzlich schlecht sind. „Einerseits brauchen wir MVZ“, meinte der Patienten- und Pflegebeauftragte Prof. Bauer, aber da sei die Gefahr der Dollarzeichen. „Es gibt da vieles, was in die falsche Richtung läuft, vor allem bei den investorengesteuerten MVZ“, sagte Eva Lettenbauer von den Grünnen mit Blick auf Einrichtungen, die profit- und nicht gesundheitsorientiert agieren. Man müsse dem einen Riegel vorschieben, aber „wir können auch fördern, was wir uns wünschen, wie von Ärzten geführte, kommunale MVZ“. Prof. Bauer plädierte neben regulierenden Rahmenbedingungen für mehr Transparenz: „Dem Patient ist es wichtig zu wissen, wem gehört das MVZ eigentlich“. Hausarzt und FDP-Politiker Dr. Spitzer mahnte Gleichbehandlung bei der Anstellung von Ärztinnen und Ärzten an: „Wenn ich als Niedergelassener einen Kollegen anstellen will, hab ich es ungleich schwerer als ein MVZ.“

Stephan Pilsinger
Anfangs herrschte auf dem Podium noch weitgehend Einigkeit, beim Thema Reform der
Krankenhäuser und Notfallversorgung gingen dann die Meinungen auseinander.

Teampraxis - „Das ist unser Angebot an die Politik“

Dr. Ritter wies beim Thema MVZ auf ein Versäumnis der Politik hin, die auf den wachsenden Ärztemangel lange Zeit nicht reagiert habe. Nun werde der Mangel spürbar: „Da ist die Gefahr, dass die Politik in schnellen Lösungen denken muss“, warnte er und mahnte langfristiges Planen an. Denn „schnelle Lösungen sind eben, dass man die Tür aufmacht für das Kapital oder Parallelstrukturen schafft. Aber wir haben eine bestehende Struktur, die funktioniert. Wenn Sie den Mut haben, diese Struktur zu stützen, dann kriegen wir die Versorgung hin“, versicherte er mit Blick auf das Modell der Teampraxis, auf das er später näher einging. „Das ist unser Angebot an die Politik“.

Als Moderator Torsten Fricke die Pläne der Bundesregierung zur Reform der Notfallversorgung ansprach, entwickelte sich eine sehr kontroverse Diskussion. Woher denn die Ärztinnen und Ärztinnen kommen sollen, die zu Praxisöffnungszeiten Bereitschaftsdienst an Kliniken übernehmen sollen, wollte Fricke von der SPD-Landtagsabgeordnete und stellv. Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag Ruth Waldmann wissen.

"Dahin gehen wo die Patientinnen und Patienten hinkommen"

Es sei notwendig, neue Wege zu gehen, sagte sie, „und ich denke, dass es schon der richtige Ansatz ist, auch dahin zu gehen wo die Patientinnen und Patienten hinkommen. Es sei wichtig, kreativ an das Thema heranzugehen. „Das Problem, nicht genug Ärztinnen und Ärzte zu haben, das haben wir ja so der so“, erklärte Waldmann und plädierte dafür, Entlastungsmöglichkeiten zu prüfen, „Stichwort Gesundheitskioske“.

„Das wird nicht funktionieren, weil wir die Manpower gar nicht haben“, lautete die Replik des Bayerischen Gesundheitsministers. Er verwies auf vorhandene Strukturen wie Bereitschaftspraxen an den Krankenhäusern und Leitstellen. Das Thema Notfallversorgung sei ein wichtiges, aber „wir müssen uns ja auch orientieren an der Frage was geht und was nicht.“ Da werde ein Vorschlag gemacht, der realitätsfern ist.

"Noch kein politischer Vorschlag, nur eine Studie"

„Das ist noch kein politischer Vorschlag, es ist erstmal eine Studie von Expertinnen und Experten, gab die Landtagsabgeordnete Eva Lettenbauer, Landesvorsitzende BÜNDNIS 90/ Die Grünen zu bedenken. „Experten und Experten würde bedeuten, dass sie sich auskennen, es war aber keiner aus dem niedergelassenen Bereich dabei“, warf Moderator Fricke unter großem Beifall ein.

Stephan Pilsinger
Diskutierten über Gesundheitsversorgung am Bayerischen Hausärztetag (v. li): Die
Landtagsabgeordneten Ruth Waldmann (SPD), Eva Lettenbauer (Bündnis 90/Die Grünen),
Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer (Freie Wähler), Staatsminister Klaus Holetschek (CSU),
Dr. Dominik Spitzer (FDP) und der Vorsitzrende des Bayerischen Hausärzteverbandes
Dr. Wolfgang Ritter.

„Da stimme ich Ihnen zu, deshalb ist es wichtig mit allen Playerinnen und Playern zu diskutieren, dafür setzen wir uns ein“, räumte Lettenbauer ein. Es sei aber falsch, den Bürgerinnen und Bürgern zu suggerieren, dass eine Studie, in dem Fall der Regierungskommission, ein Vorschlag des Ministers oder der Regierung wäre. Eine Parallelstruktur lese sie aus der Studie nicht heraus: „Ich bin überzeugt, dass Sie als Hausärztinnen und Hausärzte unser alleiniger und wichtigster Grundpfeiler für die hausärztliche Versorgung sind.“ Nur wo Menschen keine Hausärztin/keinen Hausarzt zur Verfügung hätten, könnten Gesundheitskioske als niederschwellige Anlaufstation interessant sein. Bei den Vorschlägen der Studie zur Notfallversorgung sehe sie Verbesserungsbedarf. Benötigt werde eine Steuerung, dass die Patienten dort hinkommen, wo sie auch hingehören“, so Lettenbauer. „Und da bin ich auf Ihre Vorschläge gespannt.“

Dass man die Niedergelassenen mit einbeziehen hätte sollen, sagte auch Waldmann und betonte ebenfalls, dass noch nichts beschlossen ist: „Es ist ja noch nicht mal ein Referentenentwurf da.“

"Notfallversorgung 24/7: Wenn das kommt, bin ich raus“

Das konnte den FDP-Landtagsabgeordneten Dr. Dominik Spitzer, selbst niedergelassener Hausarzt, nicht beruhigen. „Ich muss nochmal auf die Notfallversorgung 24/7 zurückkommen: Wenn das kommt, bin ich raus.“ „Ich und genauso Sie“, richtete er das Wort an die Mitgliederversammlung, „haben jetzt schon Schlangen vor der Tür, reiben uns auf, machen KV-Dienste. Und dann kommt die Politik – in dem Fall spreche ich jetzt als Hausarzt – und bestimmt über uns. Warum nicht mit uns?“ An der Krankenhausreform komme man nicht vorbei, aber die ambulante Versorgung müsse mit ins Boot. Dr. Spitzer kritisierte vor allem die Kommunikation, die für Verunsicherung sorge. Erst mal die Themen ordentlich besprechen, dann alle Player an den Tisch holen und zu guten Lösungen kommen, sei sein Ansatz für dieses Thema.

Das sah Holetschek ähnlich. „Es geht doch darum, gute Versorgungsstrukturen zu machen, das kann man doch nur gemeinsam“, sagte er.

„Wir sind nicht nur Lotsen"

Darauf pochte auch Dr. Wolfgang Ritter. „Ich verzweifle manchmal darüber, was die Politik denkt, das wir in den Praxen tun“, so der Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes. „Wir sind nicht nur Lotsen, wir hocken nicht da und stellen nur Facharztüberweisungen aus. Wir behandeln 80 Prozent der Beratungsanlässe bis zum Ende, wir sind Fachärzte für Allgemeinmedizin. Und wir erwarten natürlich, dass wir in so eine Diskussion um ambulant und stationär einbezogen werden“, forderte er. Man könne die Krankenhausreform nicht abkoppeln, wenn am Ende wichtige Strukturen ambulantisiert werden sollen.

"Es werden jetzt Eckpunkte zementiert bis zur Sommerpause"

Auf Lettenbauers erneuten Einwand, es gebe noch keinen Gesetzentwurf und ihren Appell zur konstruktiven Diskussion konterte Minister Holetschek: „Es werden doch jetzt die Grundlagen gelegt. Es werden jetzt Eckpunkte zementiert bis zur Sommerpause, das ist der Wunsch des Bundesgesundheitsministers“, erklärt er. Man rede über Strukturen, dabei gebe es noch keine Aussage zum Fachkräftemangel, einem großen Problem. Als ganz entscheidendes Thema bei der Krankenhausreform bezeichnete Holetschek die Sektorenverbindung, „und die kann nicht nur aus Krankenhaussicht gesehen werden, die muss auch aus Sicht der niedergelassenen Ärzte gesehen werden“, stellte er klar.

 

 

Themen in HOME ÜBER UNS SERVICE AKTUELL HZV FORTBILDUNG NACHWUCHS STIFTUNG :

Login Mitgliederbereich:

Login Mitgliederbereich

Suche: