"Im Praxisalltag merkt man, dass sie schon jetzt sehr profitiert"

Susann Marschner hat eine erfolgreiche Weiterbildung als Verah, NäPa und BEAH hinter sich, arbeitet Teilzeit in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Peter Wienert und Dr. Martin Eder in Schönau am Königsee und gehört zum ersten Jahrgang des neuen Studiengangs „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ (PCM).  Im Interview berichten die PCM-Pionierin und ihr Chef über Erfahrungen und Chancen, die das neue Studium mit sich bringt.

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Susann Marschner hat eine erfolgreiche Weiterbildung als Verah, NäPa und BEAH hinter sich, arbeitet Teilzeit in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Peter Wienert und Dr. Martin Eder in Schönau am Königsee und gehört zum ersten Jahrgang des neuen Studiengangs „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ (PCM).  Im Interview berichten die PCM-Pionierin und ihr Chef über Erfahrungen und Chancen, die das neue Studium mit sich bringt. 

Der neue Studiengang „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ (PCM) wurde im Mai 2022 an der FOM-Hochschule als berufsbegleitendes Bachelor-Studium eingerichtet. Zielgruppe sind Medizinische Fachangestellte in Hausarztpraxen, die als Versorgungsassistenz in der Hausarztpraxis (VERAH) oder Nichtärztliche Praxisassistentin (NäPa) qualifiziert sind. 

Herr Dr. Wienert, der Bayerische Hausärzteverband macht sich schon lange dafür stark, Assistenzberufe stärker in die hausärztliche Versorgung der Patienten einzubinden. Wieso ist das aus Ihrer Sicht wichtig?

Dr. Wienert: Die Komplexität im Praxisalltag, die Anforderungen an Medizinisches Können, der Umfang an Verwaltung und betriebswirtschaftlichem Denken, aber vor allem in der hausärztlichen Versorgung der Patienten nehmen weiter zu. Das ist nicht nur für die Hausärztinnen und Hausärzte, sondern auch für die Medizinischen Fachangestellten eine große Herausforderung.

Frau Marschner gehört zum ersten Jahrgang des neuen Bachelor-Studiengangs, die dieses Angebot wahrnimmt – wie kam es zu dieser Entscheidung?

Dr. Wienert: Die Initiative ging von Frau Marschner aus. Sie hat gefragt, ob wir sie darin unterstützen würden. Da sie alle Voraussetzungen für ein Studium mitbringt und wir das Projekt des BHAEV für absolut sinnvoll halten, haben wir das gerne bejaht. Wir müssen uns den wachsenden Herausforderungen – den Spagat mehr Nachfrage nach Behandlung durch weniger Versorgende – stellen.  Das Team als Ganzes kann davon profitieren. Nach ihrem Abschluss als Primary Care Managerin wird sie in der Lage sein, zusätzliche Aufgaben im Praxisalltag zu übernehmen – sowohl in der medizinischen Versorgung als auch im Praxismanagement. Das ist wichtig, weil wir uns strukturell flexibler aufstellen müssen. Erhöhte Krankheitslast und Personalmangel erfordern mehr Kapazitäten und breitere Kompetenzen.  Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Praxen diesen Anforderungen gewachsen sind. Gerade auf dem Land ist das noch wichtiger, weil ambulante sowie stationäre Strukturen aus der Versorgung abgezogen werden. Den Rest übernimmt dann die Hausärztin oder der Hausarzt, die diesen Mehrbedarf abfedern soll.

Der berufsbegleitende FOM-Bachelor-Studiengang „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ zielt darauf ab, Kenntnisse auszubauen und weiterführende Aufgaben in der Patientenversorgung sowie im Praxismanagement zu übernehmen. Wie sind ihre Erfahrungen?

Dr. Holger Nyncke
 Dr. Peter Wienert

Dr. Wienert: Meine Erfahrung mit dem Bachelorstudiengang ist gut. Frau Marschner befindet sich ja noch im Studium und soll das erst einmal in Ruhe abschließen. Im Praxisalltag aber merkt man, dass sie schon jetzt sehr profitiert. Der Blickwinkel bei den unterschiedlichsten Fragestellungen ändert sich natürlich mit dem Interesse an den medizinischen Zusammenhängen. Bei vielen Aufgaben kann sie bereits unterstützend tätig werden, was in diesem Ausmaß vorher nicht möglich war.

Frau Marschner, Sie befinden sich jetzt im sechsten Semester und stehen kurz vor dem Abschluss, weil sich ihre Studiendauer wegen ihrer VERAH-Näpa- Ausbildung um zwei Semester verkürzt hat. Kurz gefragt: Lohnt es sich, die Doppelbelastung eines Studiums neben dem Beruf auf sich zu nehmen?

Susann Marschner: Auf jeden Fall. Wenn mich jemand fragt, ob ich das wieder machen würde – Ja, definitiv! Ich würde jeder Kollegin dazu raten, sich weiterzubilden, ob als VERAH, Näpa oder eben als PCM. Macht das!  Man lernt dadurch viel dazu. Aber man muss sich auch bewusst sein: Es ist eine Herausforderung, neben dem Beruf und Privatleben zu studieren. 

Welche Eigenschaften muss man denn mitbringen?

Susann Marschner: Auf der fachlichen Ebene ist neben der Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten die Weiterbildung als VERAH oder NäPa erforderlich. Aber das ist nicht alles. Man muss auch die Liebe zum Beruf mitbringen und wissenshungrig sein. Ich habe dadurch bereits mehr Sicherheit in den Tätigkeiten gewonnen, die ich während des Studiums neu dazu bekommen habe und künftig übernehmen werde. Ach ja: Disziplin und Organisationstalent gehören auch dazu (lacht).

Der Gesundheitssektor leidet wie viele andere Branchen unter Fachkräftemangel. Inwiefern wird es durch das Studium attraktiver, in einer Hausarztpraxis zu arbeiten?

Susann Marschner: Für mich ist es die Erweiterung der Aufgabengebiete: Man spezialisiert sich nicht nur in einen Bereich. Es geht darum, alle möglichen weiterführenden Aufgaben in der Patientenversorgung sowie im Praxismanagement zu erfüllen. Dadurch kann ich je nach Bedarf Praxismanagerin oder Teamleiterin sein, aber auch medizinische Tätigkeiten im erweiterten Bereich übernehmen, etwa bei der Versorgung von chronisch kranken Patienten, und somit im ärztlichen Bereich entlastend sein. Ich persönlich mag die Abwechslung sehr - das Arbeiten direkt am Patienten, aber auch den bürokratischen Bereich einer Hausarztpraxis.

Als vor fast genau zwei Jahren an der FOM-Hochschule der neue PCM-Bachelor-Studiengang zugelassen wurde, stieß er auf großen Bedarf. Wie wird denn das Angebot aus Ihrer Sicht angenommen, Frau Marschner?

Dr. Holger Nyncke
Susann Marschner

Susann Marschner: Ich denke, ganz gut, aber noch nicht ausreichend. Wir sind im ersten Jahrgang etwa 90 Studierende an den drei FOM-Hochschulzentren Dortmund, München und Mannheim, 32 davon am Standort München. Ich hoffe, dass sich in den zukünftigen Jahrgängen noch mehr anmelden und sich diese neue Berufsgruppe PCM in den Praxen dadurch etabliert.

Findet Austausch zwischen den Studierenden statt oder ist man eher auf sich gestellt? 

Susann Marschner: Das ist das Schöne daran, es ist kein reines Fernstudium, bei dem man nur zuhause am Computer sitzt und auf sich allein gestellt ist. Das Studium ist hybrid angelegt. Das bedeutet, pro Semester finden einwöchige Präsenzblöcke an einem der lehrenden FOM-Hochschulzentren statt. Ich studiere am Standort München, da ist ein unglaublich schöner Zusammenhalt entstanden. Wir bieten uns viel Unterstützung untereinander und supporten uns, wo es nur geht. Letztendlich haben wir auch einiges gemeinsam: Wir sind alle Berufstätige, die neben ihrer Tätigkeit in der Praxis das Studium machen. Der Großteil von uns hat bereits eine eigene Familie und stellt sich trotzdem der Mehrfachbelastung.

Eine Frage zum Geld: Die Studiengebühren belaufen sich auf rund 10.000 Euro – wer zahlt das?

Susann Marschner: Das ist ganz unterschiedlich geregelt. Manche Praxen übernehmen das ganz oder teilweise. Oder man zahlt es komplett selbst. In Baden-Württemberg gibt es bereits Stipendien – in Bayern leider noch nicht. Da muss sich tatsächlich was ändern, um zukünftig die Attraktivität des Studiums zu erhöhen und das Studieren überhaupt zu ermöglichen. 

Dr. Wienert: Es ist ganz wichtig, dass sich das ändert. Wir gehen davon aus, dass die Anpassung der Praxis an den strukturellen und demografischen Wandel finanziell gefördert und unterstützt wird. Es handelt sich hierbei um einen Erhalt der Grundversorgung und keine luxuriöse Nischenmedizin. Das kann keine Aufgabe der Praxen alleine sein, sondern eine gesamtgesellschaftliche, die natürlich auch von dieser getragen werden muss. Verantwortlich für die finanzielle Seite der medizinischen Versorgung sind die Krankenkassen, die die ihnen anvertrauten Gelder Ihrer Versicherten verwalten. Ich gehe einmal davon aus, dass nicht nur Spitzenmedizin, sondern vor allem die Grundversorgung gesichert werden muss. Neben den Krankenkassen sind natürlich auch die zuständigen staatlichen Institutionen gefordert, diese Transformationsprozesse zu unterstützen…

Letzte Frage: Hat der Beruf Zukunft?

Dr. Wienert: Das ist noch schwer zu beurteilen, weil wir noch am Anfang stehen. Der Erfolg muss sich im Praxisalltag zeigen. Aufgrund der Vielfalt, die in der Ausbildung angelegt ist, können sich die Absolventinnen in vielen Bereichen in Medizin und Verwaltung einbringen. Schon allein dadurch sehe ich gute Chancen für ein Gelingen des Projektes.

Susann Marschner: Ich hoffe es sehr!

Übrigens: Das Bachelorstudium für VERAH und NäPa „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ (PCM) startet im September dieses Jahres mit der dritten Kohorte von Studierenden. Alles Wichtige rund um den Studiengang erfahren Teilnehmende einer kostenfreien Online-Infoveranstaltung der FOM-Hochschule am Montag, 17. Juni, 20:00 bis 21:00 Uhr.

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