Bayerns Patienten- und Pflegebeauftragter MdL Thomas Zöller: “Dafür werben, dass alle Hausärztinnen und Hausärzte HZV anbieten”
Im Vorfeld der Bundestagswahl möchten wir bayerischen Gesundheitspolitikern unterschiedlicher demokratischer Parteien zu Kernthemen für die hausärztliche Versorgung zu Wort kommen lassen. Den Anfang macht heute Bayerns Patienten- und Pflegebeauftragter MdL Thomas Zöller (Freie Wähler).
Die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) ist mit fast 10 Millionen teilnehmenden Versicherten und rund 15.600 teilnehmenden Hausärztinnen und Hausärzte ein in Deutschland etabliertes freiwilliges Primärarztsystem. Inwieweit unterstützen Sie die Weiterentwicklung und Stärkung der HZV und welche Anreize sollten Versicherte erhalten, die an der HZV teilnehmen?
Thomas Zöller: Hausärztinnen und Hausärzte sind ausgesprochen wichtige Lotsen in unserem Gesundheitssystem. Diese Rolle wird durch die HZV noch zusätzlich gestärkt. Daher unterstütze ich als Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung (PPB) die HZV!
Gesetzliche Krankenversicherungen sind verpflichtet, HZV anzubieten – Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten können aber selbst entscheiden, ob sie sich beteiligen. Bietet also ein Hausarzt keine HZV an, müsste ein teilnahmeinteressierter Patient einen Arztwechsel in Kauf nehmen.
Anreizsysteme gibt es schon jetzt. Krankenversicherungen bieten etwa einen speziellen Hausarzttarif an, der mit Vergünstigungen, Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen einhergeht. Dass gerade finanzielle Anreize motivierend sind, bestätigt auch die Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von 2020.
Ich selbst plädiere zudem dafür, den Bekanntheitsgrad der HZV beispielsweise durch Kampagnen zu steigern und auch dafür zu werben, dass alle Hausärztinnen und Hausärzte HZV anbieten.
Um die Versorgung in Stadt und Land nachhaltig sicherzustellen, hat der Hausärztinnen- und Hausärzteverband in Kooperation mit der Universität Heidelberg das Versorgungskonzept „Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung Interprofessionell“, kurz HÄPPI, entwickelt. Das HÄPPI-Konzept bietet Strukturen und Rahmenbedingungen, die das Arbeiten in Zeiten, in denen der Bedarf nach hausärztlicher Versorgung stetig steigt, erleichtern und neue Formen der Zusammenarbeit im Team ermöglichen sollen. Es ist ein Angebot an hausärztliche Praxen, die noch stärker auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Team bauen wollen. Wie beurteilen Sie dieses Konzept und welche Fördermöglichkeiten sehen Sie?
Thomas Zöller: Im gesamten HÄPPI Projekt übernehmen Hausärzte und Hausärztinnen die zentrale Rolle – sie sind die Dirigenten. Unter ihrer Verantwortung und Leitung übernimmt ein multiprofessionelles Team Aufgaben in der Patientenversorgung.
Das in Baden-Württemberg pilotierte HÄPPI Projekt macht auf mich einen sehr guten Eindruck. Auch ich mache mich stark für Caring Communities, Quartiere, Community Health Nurses oder vernetzte Gesundheitsregionen.
Ich befürworte also das Arbeiten in interdisziplinären Teams, betone aber auch, dass hierzu Kompetenzen mitunter neu verteilt werden müssen. Die Bereitschaft dazu muss bei allen vorhanden sein.
Meinem Kenntnisstand nach befindet sich der Hausärztinnen und Hausärzteverband derzeit im Austausch mit Krankenkassen, um für das Projekt auch eine monetäre Unterstützung zu ermöglichen. Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass sich bei einem Zusammenschluss der Hausärztinnen und Hausärzte mit anderen interessierten Berufsgruppen weitere finanzielle Möglichkeiten ergeben.
Fehlende Patientensteuerung, Nachwuchsmangel bei Ärztinnen und Ärzten sowie MFAs, zunehmende Bürokratie, nicht funktionierende Digitalisierung – welches Themenfeld würden Sie nach der Wahl als erstes angehen? Und welchen Lösungsansatz haben Sie?
Thomas Zöller: Ja, all diese Themen sind mir bestens bekannt. Und eigentlich müssen wir alle diese Themen gleichzeitig angehen – so schnell wie möglich.
Als Patienten- und Pflegebeauftragter habe ich mit unterschiedlichen Berufsgruppen unseres Gesundheits- und Pflegewesens zu tun. Meine Überzeugung ist: Jeder wird gebraucht und es geht nur gemeinsam! Insofern setze ich auf Interdisziplinarität, sektorübergreifende oder sogar sektorverbindende Versorgung sowie digitale Unterstützung in Medizin und Pflege.
Außerdem müssen junge Menschen für die Gesundheits- und Pflegeberufe begeistert werden – gerade auch für den Beruf des Hausarztes oder der Hausärztin. Gute und sichere Arbeitsbedingungen sind hierfür sicherlich eine wichtige Voraussetzung.