MdB Stephan Pilsinger bei „Klartext Hausarztmedizin: „Neuer Schwung für die HZV durch verpflichtende Bonifizierung“

Zitrone mit bvkj

Zum letzten Mal vor der Bundestagswahl hieß es am Mittwochabend „Klartext Hausarztmedizin – der Politik-Talk“. Zu Gast war der angehende Hausarzt und CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger. In der virtuellen Diskussionsrunde, die Diplom-Journalist Torsten Fricke bewährt moderierte, sprach er mit Dr. Markus Beier, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, über seine gesundheitspolitischen Pläne und die seiner Partei für die kommende Legislaturperiode, sollte die CSU wieder Teil der Regierungskoalition sein. Ganz oben auf seiner Agenda: Die Einführung einer verpflichtenden Bonifizierung in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV).

Ausbau der HZV auf der Agenda

Durch seine nebenberufliche Mitarbeit in einer Hausarztpraxis im Münchner Umland habe er mitbekommen, wo der Schuh drückt, und wisse, wie wichtig die Hausarztzusatzverträge sind. Ohne die HZV wäre die Grundversorgung in der jetzigen Form nicht möglich, ist Pilsinger überzeugt. „Wir haben uns als CSU ganz klar dafür eingesetzt, dass alle Angriffe, die darauf abgezielt haben, die Hausarztzusatzverträge aufzuweichen, abgewehrt worden sind“, erklärte er. Mehr noch: Die CSU wolle sich für den Ausbau der HZV einsetzen. Ein Weg dazu ist für Pilsinger die verpflichtende Bonifizierung: „Alle, die sich in einen Hausarztvertrag einschreiben, müssen einen Bonus dafür bekommen, weil sie Kosten sparen und weil sie dafür sorgen, dass die Gesundheitsinformationen zentral zusammenlaufen“, stellte er in Aussicht. „Das wird dem Hausarztvertrag nochmal neuen Schwung geben und dafür sorgen, dass er eine flächendeckende Ausbreitung findet. Da sind wir als CSU ganz stark dahinter.“

„In den letzten Jahren haben wir gemerkt, dass sowohl Stephan Pilsinger als auch die CSU zu der Hausarztzentrierten Versorgung und zu den Hausärzten stehen“, bestätigte Dr. Beier. Das sei für die Hausärztinnen und Hausärzte wichtig gewesen. „Es hat immer wieder Situationen im politischen Umfeld und mit Krankenkassen gegeben, wo diese Unterstützung für die hausärztliche Versorgung ganz essentiell war“.

Bessere Vergütung für Primärmedizin

Pilsinger, der neben einem abgeschlossenen Medizinstudium und einer beinahe fertigen Weiterbildung auch einen Master of Health Business Administration (MHBA) vorweisen kann und damit auch Einblicke in die finanziellen Seiten einer Niederlassung gewonnen hat, ist der Meinung, dass die Primärmedizin generell besser vergütet werden muss. „Ich kämpfe schon lange dafür, dass die Bezahlung an das Niveau der Fachärzte angeglichen wird.“ Das sei eine Frage der Wertschätzung und mit Blick auf den Hausärztemangel ganz entscheidend. Eine Chance sieht er in der Reform des Gesundheitssystems, die es geben werde, wie er prognostizierte. „Dann werden wir darüber diskutieren müssen, wie wir die sprechende Medizin zu stärken können.“ Das wäre dann auch eine Möglichkeit, die hausärztliche Vergütung nochmal anzuheben, so Pilsinger.

„In der HZV gelingt es uns einfacher, die Honorare den Leistungen anzupassen“

Das klang zwar gut in den Ohren von Dr. Beier, der aber wenig Hoffnung in das Regelsystem setzt: „Die Honorarverhandlungsstruktur auf KBV-Ebene – und ich sage bewusst KBV-Ebene, denn in der KV Bayerns sind wir da ja besser aufgestellt – ist einfach so, dass wir kaum eine Chance haben.“ Als Beispiel führte er die Lohnerhöhung der MFA an, die „einfach in diesen ganzen Bewertungsprozessen auf Bundesebene überhaupt nicht richtig berücksichtigt werden.“ Anders in den Hausarztverträgen: Hier werde jetzt nach und nach der VERAH-Zuschlag von 5 auf 8 Euro angehoben. „In der HZV gelingt es uns einfacher, die Honorare den Leistungen anzupassen“, so Dr. Beiers Erfahrung.

Klares „Nein“ von Pilsinger zur Bürgerversicherung

Ein klares „Nein“ gab es von Pilsinger für die Bürgerversicherung, die von einigen Parteien im Wahlkampf propagiert wird. „Wir als CSU stehen dazu, wir sagen, die Bürgerversicherung macht nichts besser, sie macht vieles gleicher, und für die Ärzte wär’s eine Katastrophe auch in ländlichen Gebieten“, so Pilsinger. Denn auch dort liege die Privatversicherten-Quote bei zehn Prozent.

„Wir können die Privatversicherung nur abschaffen, indem wir die Beitragsbemessungsgrenze aufheben und alle Einkünfte einbeziehen, also beispielsweise auch aus Mieten und Kapitalerträgen. Das würde den Apparat massiv aufblähen und alle diejenigen, die leistungswillig sind und auch Leistung bringen, noch mehr mit Sozialabgaben belasten“, begründete er seine Ablehnung. Außerdem würde man mit der Abschaffung der Privaten Krankenversicherung und der Einführung der Bürgerversicherung dem gesetzlichen Krankenversicherungssystem noch mehr Macht über die anderen Teilnehmer im Gesundheitssystem geben.

Erst über Strukturen im Gesundheitssystem reden, dann über Versicherung

Dr. Beier bezeichnete die Haltung des Bayerischen Hausärzteverbandes zur Frage der Versicherung als „vornehm zurückhaltend“. Probleme im Gesundheitssystem seien oft struktureller Natur, und Strukturprobleme durch einen reinen Versicherungswechsel auch nicht zu lösen, ist er überzeugt. Sein Vorschlag: Erst überlegen, welche Strukturen im Gesundheitssystem gut funktionieren, und dann darauf reagieren und nicht umgekehrt.

Moderator Torsten Fricke lenkte das Gespräch auf das Stichwort Digitalisierung, das in allen Parteiprogrammen zu finden ist. Pilsinger nutze die Gelegenheit, auf Leistungen der Regierungskoalition zu verweisen: „16 Jahre ist die Digitalisierung sehr zaghaft vorangekommen, und mit den 2 Digitalisierungsgesetzen und der gematik haben wir jetzt schon ein entscheidender Sprung nach vorne gemacht“, führte er aus und verwies auf das digitale Rezept, die digitale AU, den digitalen Impfpass und das digitale Notfalldatenblatt, die allesamt in den Startlöchern stehen. Persönlich habe er sich dafür eingesetzt, dass dies auch finanziell hinterlegt wird. „Wenn man sich die Mühe macht als Hausarzt oder allgemein als Arzt, dieses System mit Daten zu speisen, dann muss sich das auch finanziell lohnen“, findet Pilsinger.

Bessere Versorgung durch hinterlegte Notfalldaten

Welchen konkreten Mehrwert beispielsweise elektronisch hinterlegten Notfalldaten haben können, skizzierte Pilsinger anhand eigener Erfahrungen während seiner Arbeit im Krankenhaus: „Da kommt ein älterer Patient, ich frage, was haben Sie für Medikamente genommen? Antwort: Das weiß ich nicht, zwei rote, zwei gelbe, ein blaues. Ich: Welche Diagnose haben Sie? Patient: Ja das weiß ich auch nicht so genau, irgendwas mit dem Herzen. Das ist schon ein Problem. Dann hat man ein Fax geschickt und am Montagmorgen ein Blatt zurück gekriegt mit den Medikamenten, den Diagnosen. Deswegen finde ich es wichtig und richtig, dass man jetzt die Notfalldaten abspeichert und hinterlegt, dass die Ärzte auch zu jeder Zeit drauf zugreifen können. Ich glaube, da kann man durch Digitalisierung den Versorgungsalltag besser gestalten“, schloss er.

„Die Fallkonstellation, die Stephan Pilsinger beschrieben hat, die treiben uns ja umgekehrt auch um“, pflichtete Dr. Beier ihm bei, „etwa, wenn die Patienten entlassen werden, keinen Entlassbrief haben, keinen Medikationsplan und am Freitagnachmittag die Kollegen in der Klinik nicht zu erreichen sind. Bei solchen Fallkonstellationen ist es auch absolut nötig, dass wir da vorankommen.“

Technische Umsetzung hakt

Aktuell nannte Dr. Beier zwei Probleme: Bei der Umsetzung der Digitalisierung hakt es oft, weil sie nicht störungsfrei läuft und die Software-Häuser nicht hinterherkommen. Dann sei im EBM/in der GKV noch nicht klar, ob die Befüllung nicht mehr abgerechnet werden darf, wenn eine Fachgruppe da schon Informationen reingestellt hat – „Das würde und Hausärztinnen und Hausärzte natürlich hart treffen“, so Dr. Beier.

Anders im HZV-Vertrag der TK: „Wir haben als Verband maßgeblich unter bayerischer Führung mit der TK ein Zusatzmodul ausgehandelt, mit dem die hausarztzentrierte Befüllung der elektronischen Patientenakte mit 35 Euro vergütet wird. Hausarztzentriert heißt, es zählen die Einträge, die wir machen“, berichtete Dr. Beier. „Bei den genannten Fallkonstellationen ist es wirklich an der Zeit, dass wir digitaler werden, und dem stellen wir uns auch“, erklärte er.

„Gefilterte Patientenakte macht die Arbeit nicht einfacher“

Problematisch sieht Dr. Beier bei der elektronischen Patientenakte, dass der Patient Teile sperren kann, und plädierte für eine generelle Opt-Out-Lösung. „Aber leider ist es so nicht gesetzlich organisiert“, meldete sich Dr. Petra Reis-Berkowicz, 2. Stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes zu Wort. „Hier ist immer noch der Passus drin, dass der Patient Teile der Patientenakte sperren kann und genau bestimmt, was ich lesen kann. Eine gefilterte Patientenakte macht Arbeit nicht einfacher, sondern an mancher Stelle komplizierter“, so ihre Bedenken.
Pilsinger konnte die Problematik nachvollziehen, will aber erst mal abwarten. „Ich glaube, dass weniger als fünf Prozent der Leute irgendwas sperren werden“, gab er sich optimistisch. „Wenn’s jetzt aber 20 Prozent sind und das den Arbeitsalltag wirklich schwerer macht, muss man nachjustieren“, meinte er.
Auch in dieser Talk-Runde fehlte das Thema Corona-Pandemie nicht. Diese habe gezeigt, wir haben ein gutes Gesundheitssystem, so Pilsingers Einschätzung. Sicher könne man einiges besser machen, sagte er und nannte das Beispiel Impfen. So brauche man die Impfzentren nicht mehr. „Ich glaube, dass die Hausärzte oder die Ärzte insgesamt das jetzt auch alleine können.“

Druck aufbauen ja, Impfpflicht nein

Eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, wie Frankreich sie nun einführt, lehnt er ab – schon aus juristischen Gründen. „Ich glaube, man sollte nur Sachen fordern, die verfassungsrechtlich auch umsetzbar sind. Ich glaube nicht, dass es in Deutschland verfassungsrechtlich möglich ist, Menschen, wenn auch nur indirekt, zu einer Impfung zu zwingen.“

Pilsinger stellte sich jedoch klar hinter das Auskunftsrecht für Arbeitgeber, das Ende der kostenfreien Coronatest für ungeimpfte Erwachsene und er hält es auch für richtig, dass Ungeimpfte keinen Anspruch mehr haben sollen auf Erstattung des Verdienstausfalls infolge einer angeordneten Quarantänemaßnahme. „Über diese Schwellen kann man Druck aufbauen, aber für eine Impfpflicht bin ich nicht“, unterstrich er.
Eine generelle Impfpflicht lehnt auch Dr. Beier ab. Allerdings könne die Corona-Impfquote auch nicht auf dem jetzigen Stand bleiben, er hoffe da auf mehr Einsicht in den nächsten Wochen. „In meiner Einschätzung bin ich ganz bei Stephan Pilsinger, aber ich glaube, wir müssen die Diskussionen noch ein bisschen stärker führen, dass denjenigen, die jetzt erkranken, durch eine Impfung zu helfen gewesen wäre.“

Positive Motivation für höhere Impfquote

Dr. Petra Reis-Berkowicz mahnte eine positive Motivation der Bevölkerung an und verwies auf Dänemark, wo rund 83 Prozent der über 12-Jährigen vollständig gegen Corona geimpft sind, sodass das Land seine Corona-Regeln eingestellt hat. Nicht auf Drohungen und Druck solle man setzen, sondern denjenigen, die jetzt noch zögern, dieses Ziel vor Augen halten. Bei welcher Impfquote fallen die Corona-Maßnahmen, wollte sie konkret wissen. „Da hat die Regierung keinen Plan“.
„Ich gebe Ihnen Recht, die Geimpften sollten so schnell wie möglich ihre Freiheitsrechte komplett zurückerhalten. Aber bei nicht Geimpften wird das halt nicht möglich sein“, so Pilsinger. Eine Quote nennen wollte er nicht, da dies auch abhängig sei von der Entwicklung von Mutationen.

MVZ: „Darauf achten, wer die Kontrolle hat“

Auch in dieser Runde wurde das Thema MVZ angesprochen. Bis zu einer bestimmten Größe sieht Dr. Beier in MVZ eine Chance für die ärztliche Zusammenarbeit, auch für die Realisierung unterschiedlicher Zeit- und Lebensmodelle. „Da kennen wir auch genug Praxen, die das im positiven Sinne ausfüllen“, so Dr. Beier. Aber in einzelnen Regionen haben MVZ besonders in fachärztlichen Disziplinen bereits Ausmaße angenommen, bei denen man schon Systemrelevanz für die Region sprechen könne und hinter denen internationale Investoren stehen. „Da sehen wir als Verband schon ein Problem“.
Wie Dr. Beier empfindet auch Pilsinger MVZ-Strukturen in manchen Bereichen durchaus sinnvoll, etwa um jungen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zu geben, erst einmal im Angestelltenverhältnis zu arbeiten. „Aber man muss genau drauf achten, wer ist der Geldgeber und wer hat die Kontrolle, und das können nur Ärzte sein“, schränkte er ein. Dies müsse entsprechend gesellschaftsrechtlich und auch sonst juristisch geregelt werden.

Gegenseitiger Wunsch: Gute Zusammenarbeit

Auch am Ende des letzten Politik-Talks vor der Bundestagswahl gab es eine Wünsche-Runde. „Ich persönlich wünsche mir, dass der Bayerische Hausärzteverband weiterhin so positiv und konstruktiv die Gesundheitspolitik begleitet, gerade auch, was das Thema Digitalisierung betrifft“, wünschte sich Stephan Pilsinger vom Bayerischen Hausärzteverband. Sein zweiter Wunsch betraf den hausärztlichen Nachwuchs: Hier solle der Bayerische Hausärzteverband nicht lockerlassen. Als Drittes wünschte sich der angehende Hausarzt und Politiker, „dass wir uns vielleicht mal wieder auf einer Berlinfahrt sehen, einen gemeinsamen Blick hinter die Kulissen werfen, wie wir das schon getan haben und hoffentlich auf gesundheitspolitische Erfolge anstoßen.“
„Die Wünsche nehmen wir gerne an und auf und lassen uns da gerne dran erinnern“, erwiderte Dr. Beier. Die Unterstützung der CSU wünschte er sich für die Weiterentwicklung und Sicherung der HZV, für die schnelle Umsetzung des Masterplans 2020 und eine neue Approbationsordnung noch in diesem Jahr und den Erhalt der Patientenversorgung in freiberuflichen Praxen – „da wissen wir die gute Zusammenarbeit zu schätzen.“

 

 

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