„Bei Ernährungsfragen nicht blank dastehen“

Melanie Kern-Glück
Markus Schmid

Mit seinem Seminar „Du bist, was du isst! - Wie sich Nahrungsmittel auf unser Verdauungssystem auswirken“ erklärt der Referent Markus Schmid, wie Ernährungsweise und Gesundheit zusammenhängen, was im Körper beim mechanischen Essen (Kauen) und enzymatischen Verdauen vor sich geht, wie lange beispielsweise der Schweinebraten im Magendarmtrakt bleibt und warum wir für Flatulenzen nur bedingt verantwortlich sind. Im Interview liefert er einen Vorgeschmack auf das Seminar und erklärt, warum MFA sich unbedingt mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen sollten.

Herr Schmid, eine ketzerische Frage vorweg: Warum sollten sich MFA überhaupt mit ernährungsmedizinischen Themen beschäftigen?

Markus Schmid: Ganz einfach: MFA sind erste Ansprechpartner der Patientinnen und Patienten in der Praxis, sie werden auch auf solche Themen angesprochen – beruflich und privat. In der Praxis haben Patientinnen und Patienten oft weniger Hemmungen, sich an die MFA als an Ärztin oder Arzt zu wenden mit Fragen wie „Ist vegane oder vegetarische Ernährung gesund?“, „Hilft eine Eiweiß-Diät beim Abnehmen?“ oder „Haben Sie Ernährungstipps für Diabetiker?“. Und auch bei Familienfeiern oder Ähnlichem heißt es „Du arbeitets doch in einer Arztpraxis. Kennst du nicht einen Trick gegen den Jo-Jo-Effekt?“ oder dergleichen. Dann sollte man als MFA nicht blank dastehen und mit einem fundierten Hintergrundwissen aufwarten können, zumal Ernährungsaspekte auch bei vielen Therapien ein wichtiger Aspekt sein können. Und solches Wissen kommt in der Ausbildung leider meist zu kurz.

Ihr Seminar trägt den Titel „Du bist, was du isst“. Bitte erklären Sie das kurz.

Markus Schmid: Oft sieht man Menschen an, wie sie sich ernähren – rote Bäckchen oder auffällige Blässe, Übergewicht oder auch mangelnde Ausgeglichenheit – das alles hat mit der Ernährungsweise zu tun, auch wenn andere Faktoren wie beispielsweise Bewegung und Sport mit hineinspielen – also ja, wir sind - auch – was wir essen. Unsere Gesundheit hängt zum wesentlichen Teil von unserer Ernährung ab. Zu viel Salz, zu viel Zucker, zu viel Eiweiß oder zu viel Fett – das alles hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit. Typ-2-Diabetes ist zum Beispiel zu über 80 Prozent selbst gemacht, auch die Entstehung des metabolischen Syndroms steht in direktem Zusammenhang mit der Ernährungsweise. Das Problem ist: Vielen von uns ist das nicht bewusst, und wenn Patientinnen oder Patienten mit entsprechenden Diagnosen und deren Hintergründe konfrontiert werden, heißt es oft: Hätte ich das mal früher gewusst“. Die gute Nachricht ist: Erkrankungen wie das erwähnte metabolische Syndrom oder Typ-2-Diabetes sind teilweise durch eine Ernährungsumstellung reversibel. Das steht inzwischen auch so im Pschyrembel, der „Mediziner-Bibel“.

Hat nicht nur was wir essen, sondern auch wie Einfluss auf unsere Gesundheit?

Markus Schmid: Ja, das ist richtig. Man sollte bewusst essen und sich Zeit zum Kauen nehmen. Nebenher bei der Arbeit oder vor dem Fernseher essen, führt zum Beispiel dazu, dass wir mehr essen als wir brauchen, weil wir dann abgelenkt sind und nicht mitbekommen, dass wir eigentlich schon satt sind. Generell muss man da auch unterscheiden zwischen Hunger und Appetit. Natürlich ist nichts einzuwenden gegen einen Snack nebenher, etwa einen Apfel, aber den Hauptmalzeiten sollte man sich schon mit genügend Zeit und bewusst zuwenden.

Was hat die Verweildauer der Nahrung im Verdauungstrakt mit Gesundheit zu tun?

Markus Schmid: Man muss sich mal vor Augen halten: Eine durchschnittliche ausgewogene Mahlzeit braucht etwa 7 bis 8 Stunden, um den gesamten Verdauungstrakt zu durchlaufen. Dabei werden abgestorbene oder entartete Zellen im Darm mitgenommen. War die Mahlzeit dagegen sehr fettreich – da ist der in Bayern beliebte Schweinsbraten - möglichst mit Schwartenkruste - ein gutes Beispiel, kann es bis zu 100 Stunden dauern, bis der gesamte Verdauungstrakt durchlaufen ist. Man fühlt sich dann zwar lange satt, aber ein Nahrungsbrei, der derart langsam den Darm durchwandert, nimmt kaum noch kaputte Zellen mit. Das birgt langfristig gesundheitliche Risiken.

Ballaststoffe hingegen sorgen für eine flotte Verdauung – allerdings nur, wenn genügend Flüssigkeit dazu aufgenommen wird. Das ist mit ein Grund, warum die Umstellung auf Vollwertkost zunächst zu Verstopfung führen kann, wenn nicht auch ausreichend getrunken wird.

Wir sind für Flatulenzen „nur bedingt verantwortlich“. Welchen Teil können wir steuern?

Markus Schmid: Dazu muss man wissen, dass am Verdauungsprozess Mikroorganismen im Darm beteiligt sind, die Nährstoffe aufspalten. Bei diesen Gärungsprozessen bilden sich Gase, die als Flatulenzen entweichen. Diese sind besonders geruchsintensiv bei eiweißhaltiger Nahrung, während Gemüse in den Abbauprozessen weniger Gase entstehen lässt, die zudem mit einer geringeren Geruchsbelästigung einhergehen. Dass Flatulenzen entstehen, können wir nicht verhindern. Aber durch die Entscheidung, was wir essen, haben wir Einfluss darauf, wie stark sie ausfallen und in welchem Ausmaß das Umfeld darunter leidet.

Zu wissen, wie man sich gesund ernährt, heißt nicht, es auch zu tun…

Markus Schmid: Das stimmt. Die einen oder anderen Nahrungsmittel haben auch ein gewisses Suchtpotenzial. Wir alle kennen das von Süßigkeiten oder Knabbereien. Bekannt ist zum Beispiel auch, dass bei dem Vorhaben, sich vegan zu ernähren, viele am Verzicht auf Käse scheitern. Aber wichtig ist doch, dass man die Informationen darüber hat, wie gesundes Essen aussieht – erst dann kann man sich dafür entscheiden. Und da können MFA mit fundiertem Grundwissen eine entscheidende Rolle spielen.

Online-Seminar „Du bist, was du isst! - Wie sich Nahrungsmittel auf unser Verdauungssystem auswirken“

Termine:

• Mittwoch, 26.10.2022, 14:30 - 16:45 Uhr
• Mittwoch, 07.12.2022, 15:00 - 17:15 Uhr

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