Klare Empfehlung für Paxlovid – vor allem bei nicht Immunisierten

Barbara Stamm beim Nikolausempfang des Bayerischen Hausärzteverbandes 2017
Dr. Peter Löw

Herr Dr. Löw, auf dem Symposium ging es unter anderem um Mutationen des COVID-19-Erregers. Was ist hier der aktuelle Stand?

Dr. Löw: Die derzeit verbreiteten SARS-CoV2-Viren und die weiteren Varianten, die sich entwickeln, haben sich genetisch deutlich von den ursprünglichen SARS-CoV2-Viren abgesetzt. Das erklärt, warum sich die Impfungen auch weiterentwickeln müssen. Es werden Viren entstehen, da wird die bisherige Impfpraxis keinen Nutzen haben.

Die gute Nachricht dabei: Das Bild der Pandemie hat sich mit Omikron gewendet, die Sterberate ist deutlich gesunken und die bisherigen Impfungen haben die Situation bereits deutlich verbessert. Das zeigen Daten aus Großbritannien. Laut dem EAVE-II Register/Schottland ging die Omikron-Variante mit einer Reduktion der Hospitalisierungsrate um 70 Prozent gegenüber der Delta-Variante einher.

Wie wichtig ist die dritte Impfung gegen Corona?

Dr. Löw: Die vorgestellten Daten aus Hongkong zeigen, dass die Booster-Impfung gerade für vulnerable Gruppen sehr wichtig ist und effektiv vor Hospitalisierung und Tod schützen kann. Bei der Corona-Welle in Hongkong im Frühjahr 2022 waren nur 30 Prozent der 70-79-Jährigen ein drittes Mal geimpft und lediglich 10 Prozent der über 80-Jährigen. In der Folge kam es bei dem Ausbruch in der Millionenstadt schnell zu einer Überlastung des Gesundheitswesens und damit zu einem drastischen Anstieg der Todesfälle.

Die Hongkonger Daten zeigen aber auch noch einmal, wie effektiv eine Impfung ist: So wird der Schutz vor Hospitalisierung und Tod bei dreifach Geimpften mit 98 Prozent abgegeben.

Der Nutzen der 2. Auffrischimpfung ist in Israel noch einmal bewiesen worden. Demnach kann der 2. Booster die Hospitalisierung noch einmal um 70 Prozent reduzieren, die Todesrate sogar um 75 Prozent. Mit nur 500 Impfungen wird im Durchschnitt ein Todesfall verhindert.

Wurde auch die Impfrate in Deutschland angesprochen?

Dr. Löw: Ja, und da können wir im internationalen Vergleich leider gar nicht glänzen, da liegt Deutschland mit 76 Prozent vollständig Geimpften eher im Mittelfeld. Länder wie Cuba oder Singapore liegen mit Impfraten von 89 beziehungsweise 91 Prozent deutlich vor uns. Dabei schützt eine vollständige Impfung effektiv: Schätzungen zufolge wurden 2021 insgesamt 19 Millionen Todesfälle durch die Impfungen verhindert – allerdings hauptsächlich in den Industrienationen.

Sicher auch eine Frage der Verfügbarkeit?

Dr. Löw: Damit die Impfdosen global mit mehr Fairness verteilt werden, wurde zwar 2020 die COVAX-Initiative gegründet. Aber von den geplanten 2 Milliarden Impfdosen hat COVAX nur 910 Millionen erhalten. Und auch hier hat Deutschland nicht gepunktet. Aus Deutschland wurden sehr viele Impfdosen geliefert, deren Haltbarkeitsdatum kurz vor dem Ablaufen stand und die daher gar nicht zum Einsatz kamen.

Wie sieht es mit der ambulanten Therapie von COVID-19 aus? Wurden auf dem Symposium auch dazu Daten vorgestellt?

Dr. Löw: Hier hat sich vor allem Paxlovid bewährt, während Molnupiravir für den Einsatz in den Praxen eher ungünstig ist: aufgrund potentieller Mutagenität kann das Medikament gebär- und zeugungsfähigen Patientinnen und Patienten nicht empfohlen werden.

Für Paxlovid dagegen gibt es eine klare Empfehlung vor allem bei nicht Immunisierten, und die Wirksamkeit ist auch bei Omikron gesichert.
Der Einsatz von Paxlovid hat ungeimpfte Patientinnen und Patienten zu 80 Prozent vor Hospitalisierung und Tod bewahrt. Bei geimpften ist der Effekt nicht so ausgeprägt. Das belegen Daten aus Großbritannien, Hong Kong, Israel und Qatar. Dort haben Impf- und Versorgungsregister sowie große epidemiologische Studien zeitnah wichtige Ergebnisse geliefert. Aufgrund fehlender Digitalisierung gibt es wieder keine Daten aus Deutschland, was meines Erachtens beschämend ist.

Wird Paxlovid zu zögerlich in Deutschland eingesetzt?

Dr. Löw: Das kann und will ich nicht beurteilen. Fakt ist aber: Paxlovid schützt nicht nur vor allem Ungeimpfte vor Hospitalisierung und Tod, es verkürzt auch die Dauer der Symptome und die Krankheitstage. Wenn man bedenkt, dass ein Tag Arbeitsausfall die Wirtschaft im Schnitt 205 Euro kostet und eine Packung Paxlovid für 5 Tage rund 59 Euro, gut verträglich ist und der Staat bereits das Medikament in großen Mengen eingekauft hat, dann spricht schon viel dafür, es mehr einzusetzen – vor allem vor dem Hintergrund erster Daten, die darauf hindeuten, dass Paxlovid das Auftreten eines Post Covid Syndroms reduziert. Dafür haben sich auch die Teilnehmer des Symposiums gemeinsam ausgesprochen.

Was ist bei der Anwendung von Paxlovid zu beachten?

Dr. Löw: Es sollte sehr früh gegeben werden. Man hat sich bei der Dosierung über 5 Tage an dem Medikament Tamiflu für Influenza orientiert. Bei Covid-19 kann die Therapie über 5 Tage zu kurz sein. Es kann in einzelnen Fällen notwendig werden, die Therapiedauer auf 10 Tage zu erweitern, um einen Rebound der Erkrankung zu vermeiden.

 

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