Vom Modellversuch zum Praxismuster: Warum die Erforschung funktionierender Teampraxen so wichtig ist

Dr. Holger Nyncke
 Prof. Dr. Tanja Wiedemann

Organisatorische Potenziale zur Stärkung der primären, hausärztlichen Gesundheitsversorgung und Möglichkeiten zur Integration von neuen Organisationsformen im Praxisalltag zu identifizieren – das ist das Ziel einer Studie, die an der Fakultät Soziales und Gesundheit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten durchgeführt wird. Im Gespräch mit Prof. Dr. Jörg Schelling, Beauftragter für Forschung und Lehre des Bayerischen Hausärzteverbandes, verrät Studienleiterin Frau Prof. Dr. Tanja Wiedemann, Professorin für Organisations- und Netzwerkmanagement in der Gesundheitswirtschaft, warum diese Studie zur Teampraxis der Zukunft insbesondere im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung so wichtig ist, dass man unbedingt daran teilnehmen sollte. 

Sie planen eine spannende Studie zur Teampraxis der Zukunft mit Blick auf die HZV. Welche positiven Erfahrungen haben Sie selbst im Zusammenhang mit der hausärztlichen Versorgung und der Kooperation der einzelnen Berufsgruppen gemacht?

Prof. Dr. Tanja Wiedemann: Im Rahmen eines Modellprojektes habe ich die erfolgreiche Zusammenarbeit von Hausärztinnen und -ärzten mit Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) im Sinne des Case Management-Konzeptes kennengelernt. Dabei wurden chronisch kranke Patientinnen und Patienten gemeinsam engmaschig betreut. Vor allem ein ausführliches Assessment, das regelmäßige Monitoring und die Durchführung von Hausbesuchen wurden von den qualifizierten Medizinischen Fachangestellten übernommen.

Ansonsten kenne ich interdisziplinäre, sich fachlich ergänzende Teams auch aus der sozialmedizinischen Nachsorge für chronisch kranke und schwerkranke Kinder und Jugendliche. Hier werden in regelmäßigen Teambesprechungen und Fallkonferenzen die erforderlichen Maßnahmen und Hilfen nach der Entlassung des Kindes aus der Kinderklinik mit den erforderlichen Leistungserbringern besprochen und koordiniert.

Meine Erfahrungen zeigen aber auch, dass es sich bei vielen dieser Ansätze um Modellprojekte handelt, weshalb ich mich im Rahmen dieser Studie damit beschäftige, welche Ansätze zur Einbindung verschiedener Gesundheitsberufe bereits umgesetzt werden bzw. welche Anforderungen entsprechende Organisationsformen erfüllen müssen, um im hausärztlichen Praxisalltag bestehen zu können.

Die Studie zielt also darauf ab, organisatorische Potenziale zur Stärkung der primären, hausärztlichen Gesundheitsversorgung und Möglichkeiten zur Integration von neuen Organisationsformen im Praxisalltag zu identifizieren. Was ist der Ansatz?

Prof. Dr. Tanja Wiedemann: Als Professorin für Organisations- und Netzwerkmanagement in der Gesundheitswirtschaft beschäftige ich mich mit zukünftigen Modellen der Gesundheitsversorgung. Dabei ist mir wichtig, innovative ambulante Organisationsstrukturen praxisnah zu entwickeln, die trotz zunehmender Herausforderungen eine ganzheitliche, patientenorientierte Gesundheitsversorgung gewährleisten.

Dazu gehört für mich auch die Förderung der berufsgruppen- und organisationsübergreifenden Zusammenarbeit: Eine gut organisierte interprofessionelle Vernetzung mit der Hausärztin bzw. dem Hausarzt als zentrale Anlaufstelle kann eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung sicherstellen. Mit Hilfe eines interdisziplinären Praxisteams können zudem Arbeitsabläufe verbessert und Ressourcen effizienter genutzt werden.

Meine Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung, Erprobung und Evaluation von sektorenübergreifenden Versorgungsstrukturen und -prozessen. Ein besonderes Interesse liegt dabei auf der Integration des Case Management-Konzeptes zur Gewährleistung einer individualisierten und bedarfsgerechten Versorgung von chronisch kranken Patientinnen und Patienten. Gerade als Gatekeeper spielen hier die Hausärztinnen und Hausärzte eine entscheidende Rolle.

Die hausärztliche Teampraxis soll unterschiedliche Berufsgruppen unter hausärztlicher Leitung an einem Ort integrieren. Warum ist eine sektoren- und berufsgruppenübergreifende Arbeitsweise so wichtig für das Gesundheitssystem und die Patienten?

Prof. Dr. Tanja Wiedemann: Durch eine koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Fachkräfte können Zeit, Fachwissen, aber auch Infrastruktur besser genutzt und Arbeitsabläufe optimiert werden. Dadurch sind Engpässe im Gesundheitssystem besser bewältigbar. Eine Delegation von Aufgaben kann zudem eine Entlastung bedeuten. Ebenso tragen Kooperationen zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen dazu bei, dass durch einen besseren Informationsaustausch Doppeluntersuchungen vermieden und Fehlbehandlungen reduziert werden.

Wenn verschiedene Fachkräfte ihre jeweiligen Fachkenntnisse und Perspektiven einbringen, ermöglicht das zudem eine ganzheitlichere Betreuung der Patientinnen und Patienten.

Link zur Studie

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