Bezirkswahl Oberfranken
Anja Tischer, Dr. Petra Reis-Berkowicz und Ullrich Zuber

Stabwechsel im Bezirk Oberfranken: Bei der turnusmäßigen Neuwahl des Bezirksvorstandes in Bindlach bei Bayreuth wurde Anja Tischer, niedergelassen mit zwei Filialpraxen im Landkreis Kulmbach, bei einer Enthaltung und ohne Gegenstimme zur neuen Bezirksvorsitzenden gewählt. Zu ihrem Stellvertreter bestimmte die Bezirksmitgliederversammlung Ullrich Zuber.

Zuvor hatte die bisherige Bezirksvorsitzende Dr. Petra Reis-Berkowicz erklärt, nicht erneut kandidieren zu wollen und sich bei ihrem langjährigen Stellvertreter Klaus Kinzinger bedankt, der ihr immer den Rücken freigehalten habe. „Seit 1995, also sieben Wahlperioden hindurch, habe ich jetzt den Bezirksvorsitz in Oberfranken“, blickte sie nicht ohne Wehmut auf ihre lange Amtszeit zurück. Die Wahl zur Bezirksvorsitzenden war der Beginn ihrer berufspolitischen Karriere, die sie bis in den geschäftsführenden Landesvorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes – aktuell als stellvertretende Landesvorsitzende -, und an die Spitze der KVB-Vertreterversammlung sowie der KBV-Vertreterversammlung als deren Vorsitzende führte und ihr tiefe Einblicke in berufspolitische Entwicklungen ermöglichte. Für ihr langjähriges Engagement erhielt sie viel Applaus und Zustimmung der Bezirksmitglieder. Ihre Nachfolgerin Anja Tischer dankte ihr mit einem Blumenstrauß und erklärte, von Dr. Reis-Berkowiczs großem Erfahrungsschatz viel profitieren zu können. „Du sollst uns noch lange in der Berufspolitik erhalten bleiben“, wünschte sich der neue stellvertretende Bezirksvorsitzende Ullrich Zuber von ihr.

Fast ein Drittel Hausarztpraxen weniger

Als Dr. Reis-Berkowicz den Bezirksvorsitz übernahm, habe es in Oberfranken über 900 Hausarztpraxen gegeben, berichtete sie. Heute seien es knappe 650 Praxen. „In den letzten 28 Jahren haben wir 40 Reformgesetze er- und überlebt“, sagte Dr. Reis-Berkowicz. Jedes davon sei mit gravierenden Einschnitten in den Praxisalltag verbunden gewesen, erinnerte sie und spannte den Bogen von der Geburt der Begriffe Gesundheitsökonomie und „Ärzteschwemme“, damit verbunden der Einführung der Individualbudgets und Gesamtbudgets 1992 bis hin zur aktuellen Situation, die geprägt sei von einer Überalterung der Kollegenschaft, abwandernden Praxismitarbeitenden und steigendem Versorgungsbedarf durch eine älter werdende Bevölkerung. Immerhin steige die Zahl der Facharztabschlüsse in der Allgemeinmedizin in Bayern.

Dreiklassen-Medizin durch Gesundheitskioske

Sie ging auf aktuelle berufspolitische Themen ein, erläuterte unter anderem das Zustandekommen des als unzureichend empfundenen jüngsten Honorarabschlusses, unterstrich die Bedeutung der Hausarztzentrierten Versorgung und sprach mit Blick auf die geplanten Gesundheitskioske von einer Dreiklassen-Medizin, da ärmere Bevölkerungsteile dann mit Ersteinschätzungen durch qualifiziertes nicht-ärztliches Personal vorlieb nehmen müsste, während in reicheren Vierteln der direkte Zugang zum Arzt oder zur Ärztin erhalten bleibe. „Die inhabergeführte Teampraxis ist die Zukunft“, zeigte sich die scheidende Bezirksvorsitzende überzeugt – ein Gedanke, den ihre Nachfolgerin aufnahm, als sie sich vorstellte.

Zukunft Teampraxis

„Die Teampraxis mit Ärztinnen und Ärzten sowie qualifizierten Mitarbeitenden ist für mich der Gegenentwurf zu dem, was uns vor die Nase gesetzt werden soll, sei es die Health Nurse oder Gesundheitskioske“, erklärte Anja Tischer, die vor ihrer Wahl zur Bezirksvorsitzenden bereits als Bezirksdelegierte im Bayerischen Hausärzteverband, Vorsitzende des Hausarztvereins Kulmbach, im Ärztlichen Kreisverband und seit Anfang des Jahres als Mitglied der KVB-Vertreterversammlung berufspolitische Erfahrung gesammelt hat. Dieses Konzept wolle sie weiterverfolgen, kündigte sie an. Hausärztlichen Nachwuchs für Oberfranken zu gewinnen, ist ihr ein persönliches Anliegen, für das sie sich unter anderem als Koordinatorin des Weiterbildungsverbunds Allgemeinmedizin Kulmbach engagiert.

Medizincampus Oberfranken, läuft langsam an

Das Konzept der Teampraxis komme beim Nachwuchs an. „Ich habe mich im Forum Weiterbildung umgehört: Die jungen Kolleginnen und Kollegen wollen Teampraxen, in denen sie vielleicht erst einmal angestellt arbeiten, um reinzuschnuppern“, berichtete sie. „Diese Möglichkeit müssen wir ihnen bieten!“ In Sachen Nachwuchs für die Region setzt sie große Hoffnung auf den Medizincampus Oberfranken, der langsam anlaufe. Sie tritt für eine enge Anbindung an die Lehrstühle für Allgemeinmedizin ein sowie für eine Förderung der akademisierte Allgemeinmedizin, um zu zeigen: „Wir sind die Experten der Versorgung, wir sind die, die es zu fragen gilt“.

Vernetzung wichtig

„Mir ist Oberfranken wichtig, ich will die Versorgung weiterentwickeln und besser machen“, kündigte Tischer an. Dabei setzt sie auf Vernetzung: „Allein schafft man nicht viel, aber gemeinsam können wir viel erreichen“, ist ihre Überzeugung. „Ich höre mir auch gerne andere Meinungen an, das bringt mich auf neue Aspekte“, sagt sie über sich.

Vernetzung ist auch für den neuen stellvertretenden Bezirksvorsitzenden Ullrich Zuber wichtig: „Ich bin seit 30 Jahren in einer Einzelpraxis niedergelassen und gut vernetzt, und ich habe keine Lust, mich vom Kollegen Lauterbach abschaffen zu lassen“, stellte er klar.

Hausärztliche Diaspora direkt vor der Haustür

Auch für ihn ist die hauärztliche Berufspolitik kein Neuland: Er engagiert sich als Delegierter in der Bayerischen Landesärztekammer sowie im Ärztlichen Kreisverband und ist Vorsitzender des Hausarztvereins Coburg. In dieser Funktion habe er die hausärztliche Diaspora direkt vor der Haustür: „Hier fehlen 24 Hausarztpraxen“. Aber er ist sicher: „Gemeinsam werden wir Konzepte finden, um der Entwicklung entgegen treten zu können.“ Bei der hausärztlichen Interessensvertretung setzt er auf Kommunikation nach außen: „Wir müssen den teilweise ehrabschneidenden Äußerungen gegen uns Paroli bieten“, findet er.

Junge Kolleginnen und Kollegen für die Berufspolitik zu gewinnen

In der lebhaften Diskussion im Anschluss an die Wahlen wurde das HausarztPatientenMagazin, in dem der Bayerische Hausärzteverband in jeder Ausgabe vier Seiten zur Verfügung hat, als wichtiges Sprachrohr gelobt, um Patientinnen und Patienten für gesundheitspolitische Themen zu sensibilisieren. Denn diese wurden von einigen Mitgliedern als Verbündete im Kampf um bessere Versorgungsbedingungen gesehen, die es aufzuklären gelte. Ein Protesttag wurde von meisten als wenig wirkungsvoll und selbstschädigend abgelehnt, gewisse Leistungseinschränkungen hingegen als probates Mittel gesehen. Weitgehend einig war sich die Mitgliederversammlung, dass es wichtig sei, junge Kolleginnen und Kollegen für die Berufspolitik zu gewinnen. „Sprecht die jungen Kolleginnen und Kollegen, die interessiert sind, gezielt an“, gab die neue Bezirksvorsitzende Anja Tischer den Mitgliedern mit auf den Weg.

 

 

Themen in HOME ÜBER UNS SERVICE AKTUELL HZV FORTBILDUNG NACHWUCHS STIFTUNG :

Login Mitgliederbereich:

Login Mitgliederbereich

Suche: