Liste Bayerischer Hausärzteverband - Unsere Themen, unsere Ziele
Stand: 31.08.2022
Ein gutes Gesundheitssystem sollte im Kleinen wie im Großen nach dem Motto funktionieren: “So wenige Regularien wie möglich, nur so viele wie unbedingt nötig.” Das ist nicht nur das erfolgversprechendste Wirkprinzip bei medizinischen Heilbehandlungen, sondern dieses Prinzip muss auch für externe Eingriffe durch Politik und Krankenkassen in die Arzt-Patienten-Beziehung gelten. Nur durch eine nachhaltige und strikte Umsetzung dieses Prinzips wird die ambulante medizinische Versorgung in Deutschland den aktuellen und künftigen Anforderungen entsprechend gestaltet werden können und dabei leistungsfähig und finanzierbar bleiben.
Die Rahmenbedingungen der Tätigkeit von Hausärztinnen und Hausärzten - sowohl in den Praxen als auch in den Nahtstellen zur stationären Versorgung und zu anderen Leistungserbringern – müssen so weiterentwickelt und gestaltet werden, dass die Tätigkeit als Ärztin / als Arzt unbürokratisch und ohne den Zwang übergeordneter Kapitalinteressen bei einem angemessenen Honorar möglich ist.
Dabei kommt der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und den Mitgliedern der KVB-Vertreterversammlung eine wichtige und zentrale Rolle zu. Daher ist es essentiell, dass die Liste Bayerischer Hausärzteverband weiterhin die stärkste Fraktion und die meisten Mitglieder in der KVB-Vertreterversammlung stellt.
Wer die Liste Bayerische Hausärzteverband wählt, der stimmt für:
- Wertschätzung des vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses
- Stärkung der hausärztlichen Tätigkeit als Basis der ambulanten Versorgung
- Erhalt und Ausbau eines fairen Honorars
- Erhalt des derzeitigen Bereitschaftsdienstsystems mit Pool-Arzt-System
- Fortbestehen der Beratung vor Regress (keine Richtgrößenprüfung)
- Ausbau attraktiver Weiterbildungs- und Niederlassungsbedingungen
- Forderung nach Digitalisierung, die funktioniert und die Praxen unterstützt
- Erhalt selbstständiger Praxen und gegen die Ausbreitung von iMVZ
Im Einzelnen:
Wertschätzung des vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses
Die richtige Entscheidungsfindung und eine wirksame Heilbehandlung in der Medizin setzen in vielen Fällen Zeit und aktiv zuhörende Gespräche voraus. Bestandteil eines fairen Honorars (siehe unten) muss daher auch die sprechende Medizin sein. Sie kann – ebenso wie Instrumente des sog. „Shared decision making“ – zu einem vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnis beitragen.
Darüber hinaus bleibt unabdingbar, versorgungspolitische Anreize zu schaffen und die medizinische Überversorgung einzugrenzen. Hierzu bedarf es einer engen Kooperation mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und den Lehrstühlen für Allgemeinmedizin. Für alle Therapien, die durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erstattet werden, müssen verpflichtend sogenannte Faktenboxen etabliert und in allen Leitlinien verpflichtend verankert werden.
Stärkung der hausärztlichen Tätigkeit als Basis der ambulanten Versorgung
Sowohl für chronisch erkrankte Menschen als auch für bisher grundsätzlich gesunde Menschen mit einzelnen Symptomen muss die hausärztliche Praxis regelhaft der Ort der medizinischen Versorgung sein. Die Umsetzung dieses Prinzips erfolgt schon jetzt in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV). Die HZV als eigenständiger Bereich und freiwilliges Primärarztsystem ist weiter auszubauen und zu stärken. Die HZV hat – wissenschaftlich belegt – in der Patientensteuerung bereits heute nachweisbare Erfolge aufzuweisen. Nahtstellen zum Aufgabenbereich der KVB konnten in den letzten Jahren geregelt werden (Stichwort: Regelwerksprüfung). Dies gilt es zu bewahren und fortzuführen. Darüber hinaus ist das Vergütungssystem der Regelversorgung (EBM) entsprechend den Bedürfnissen der Hausarztpraxen weiterzuentwickeln und zu modernisieren.
Erhalt und Ausbau eines fairen Honorarsystems
Dass in weiten Teilen zunehmend verunsicherte Patientinnen und Patienten im Krankheitsfall auf schnelle Abhilfe im Krankenhaus hoffen, mag sozialpsychologisch erklärbar und emotional verständlich sein, sinnvoll ist es außer in schweren Notfällen jedoch nicht. Hinzu kommt, dass aufgrund der zunehmenden Morbidität und des demographischen Wandels die Anzahl an betreuungsintensiven Patientinnen und Patienten gerade in den Hausarztpraxen weiter zunimmt. Gleichzeitig werden die Herausforderungen im Gesundheitswesen durch den zunehmenden Fachkräftemangel und sinkende Ressourcen immer größer. Aktuell werden steigende Energiekosten und eine hohe Inflationsrate zu einer massiven Belastung der Praxen. Diese Entwicklungen machen es erforderlich, das bestehende Vergütungssystem insgesamt zu vereinfachen und fairer auszugestalten. Dazu bedarf es mehr Respekt und stärkerer Anerkennung unserer in den Praxen zusammen mit unseren Teams erbrachten Leistungen und – vordringlich im EBM – eines anderen und besseren Honorierungssystems.
Konkret sehen wir folgende Maßnahmen als notwendig an:
- Vorhaltepauschale, Ordinationsgebühr und Chronikerzuschläge im EBM und in der HZV müssen deutlich nach oben angepasst werden.
- Hausbesuchs-Honorare müssen – auch wegen der explodierenden Mobilitätskosten – erhöht werden.
- In Analogie zur Vergütung in Apotheken muss künftig jede poststationäre und post-Reha-Beratung in unseren Praxen, die regelhaft mit einer Medikamentenumstellung verbunden ist, mit 90 Euro extrabudgetär vergütet werden.
- Für die Sicherstellung des Praxisbetriebs ist ein vollumfänglicher Inflationsausgleich – insbesondere als Lohn-Plus für die angestellten Kolleginnen und Kollegen sowie für unsere Medizinischen Fachangestellten – erforderlich.
Erhalt des Bereitschaftsdienstes mit Pool-Arzt-System
Unser Ziel ist, dass der medizinische Bedarf und nicht ein subjektives Bedürfnis oder Kapitalinteressen von Investoren die zu wählende bzw. erforderliche Versorgungsebene bestimmt. Dies gilt vor allem für den allgemeinen Bereitschaftsdienst und den sogenannten Notfalldienst. Die Erfolge des Bereitschaftsdienstes in seiner jetzigen Ausprägung müssen gesichert werden und der Bereitschaftsdienst weiterentwickelt werden. Dazu bedarf es keiner weiteren Partner in der Sicherstellung. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, wie alle Patientinnen und Patienten – außerhalb der vitalen Notfälle – durch ein standardisiertes Triage-System im Bereitschaftsdienst / Notfalldienst („gemeinsamer Tresen“) der indizierten Versorgungsebene zugeführt werden könnten.
Fortbestehen der Beratung vor Regress (keine Richtgrößenprüfung)
Unsere Forderung ist und bleibt: Regresse - nein! Klare, transparente und medizinisch nachvollziehbare Regeln vorab - ja! Die in Bayern unter hausärztlicher Führung in der KVB seit 2012 eingeführte Beratungstätigkeit im Zuge der früheren Arzneimittelregresse sowie die etablierte Wirkstoffgruppenprüfung sind eine Erfolgsgeschichte. Diesen Erfolg gilt es zu sichern!
Ausbau attraktiver Weiterbildungs- und Niederlassungsbedingungen
Dringend erforderlich ist die sofortige und nicht nur verbale Stärkung aller bisher im Gesundheitswesen zentralen Berufsbilder (Ärztinnen und Ärzte, qualifizierte Medizinische Fachangestellte, in der Pflege arbeitende Personen, Heilmittelerbringer etc.) durch eine umfassende Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Gehaltssituation sowie durch mehr Wertschätzung und Selbstbestimmung. Eine Weiterentwicklung der Arbeitsteilung im hausärztlichen Bereich muss im Delegationsprinzip erfolgen. Das Entstehen „künstlicher“ neuer Versorgungsbereiche durch weitere Berufsbilder schafft lediglich neue Schnittstellen und löst keine Probleme. Eine Substitution hausärztlicher Tätigkeit ist auszuschließen.
Forderung nach Digitalisierung, die funktioniert und die Praxen unterstützt
Telemedizin als Arbeitserleichterung für die hausärztlichen Praxen und zur Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Patientenversorgung findet unsere explizite Unterstützung und muss den gesetzlichen Regelungen des Datenschutzes entsprechen. Grundvoraussetzung ist eine funktionierende Telematikinfrastruktur (TI), die für die Praxen einen echten Nutzen hat. Konnektoren mit veralteter Technologie, die Systemabstürze in den Praxen verursachen oder für teures Geld zu Lasten der Praxen ausgetauscht werden müssen, lehnen wir genauso ab wie unausgereifte TI-Anwendungen, die schlicht nicht funktionieren und die Patientenversorgung behindern. Es dürfen nur TI-Anwendungen in den Praxen zum Einsatz kommen, die ihre Praxistauglichkeit in einer mindestens einjährigen Testphase unter Beweis gestellt haben.
Behandlungssysteme per Künstlicher Intelligenz (KI) und Gesundheits-Apps bedürfen – wie Medikamente auch – strengster Regeln in der Zulassung und müssen, wenn diese eingesetzt werden sollen, vorab einen Wirknachweis erbracht haben. Für Krankenkassen darf keine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, Gesundheits-Apps zu verordnen. Für die Entwicklung von Apps und Telemedizin dürfen keine Versichertengelder im Vorweg-Abzug im alleinigen Ermessen der Krankenkassen und ohne Einbeziehung ärztlichen Sachverstands eingesetzt werden. Hausärztinnen und Hausärzte müssen die Möglichkeiten nutzen, in einer immer stärker digitalisierten Versorgung sowohl die Innovationsführerschaft als auch die Versorgungsverantwortung zu übernehmen und aktiv zu gestalten.
Erhalt selbständiger Praxen und gegen die Ausbreitung von iMVZ
Kooperative Zusammenarbeit kann medizinische Versorgung unzweifelhaft verbessern und die hausärztliche Tätigkeit für den Nachwuchs attraktiver machen. Es gilt aber auch: Eine Monopolisierung der ambulanten Versorgung durch investorengetragene MVZs entzieht Versichertengelder aus dem solidarischen Gesundheitssystem, gefährdet die Sicherstellung durch Entzug von Zulassungen und birgt die Gefahr der Überversorgung gerade an lukrativen operativen Leistungen bei fehlender medizinischer Indikation. Wo das Primat von Kapitalinteressen herrscht, fehlt es systembedingt an der nötigen ärztlichen Fürsorge. Deshalb müssen Versorgungseinheiten / MVZ in ihrer Größe unabdingbar begrenzt sein. Dabei könnte sich eine Zulassungsbegrenzung von Versorgungseinheiten / MVZ nach der Zeit und nach der Menge der zu behandelnden Patientinnen und Patienten richten. Keinesfalls darf in einer Planungsregion eine Kooperation Systemrelevanz erreichen. Es muss stets eine besondere Prüfung der Erfüllung des Versorgungsauftrags erfolgen. Haftung und Pflichten dieser größeren Organisationseinheiten dürfen sich nicht von denen einer Einzelpraxis oder einer BAG unterscheiden.
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