Dr. Jakob Berger
Dr. Wolfgang Ritter, Vorsitzender des Bayerischn Hausärzteverbandes,
warnte vor einem System- Und Paradigmenwechsel unter dem aktuellen
Bundesgesundheitsminister.

Die Herbstdelegiertenversammlung des Bayerischen Hausärzteverbandes am 11. November startete mit einem traurigen Thema: In einer Schweigeminute gedachten die Delegierten des ehemaligen Landesvorsitzenden Dr. Wolfgang Hoppenthaller, der am 29. Oktober verstorben ist - „eine Ausnahmepersönlichkeit“, wie ihn die stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes Dr. Petra Reis-Berkowicz in ihrer Würdigung seiner Verdienste beschrieb, dessen erfolgreiches Wirken bis heute im gesundheitspolitischen Geschehen immer noch große Auswirkungen zeige.

Daran knüpfte der amtierende Landesvorsitzende Dr. Wolfgang Ritter in seinem Bericht zur Lage an, indem er daran erinnerte, was bislang unter der Führung seiner Amtsvorgänger Dr. Hoppenthaller, Dr. Dieter Geis und Dr. Markus Beier für die Situation der Hausärztinnen und Hausärzte erreicht wurde: „Von der Fachgruppe, die eher die Brotkrumen bekommen hat, die vor Schreiben der KV zittern musste, in Notdiensten verbrannt wurde, zu einer Fachrichtung, die ein Selbstverständnis hat, politisch auf der Bundesebene gehört wird, als eine der ersten, die in der Pandemie als Meinungsführer ganz oben war, mit einem Verband, der schlagkräftig ist, der Ideen hat für die Versorgung, der für die Patienten da ist – das haben wir geschafft und können stolz auf uns sein.“

„Wenn wir nicht aufpassen, gibt’s in 10 Jahren keine Hausärztinnen und Hausärzte mehr"

Nun aber drohe unter Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach ein System- und Paradigmenwechsel in der ambulanten Versorgung – „und keiner kriegts mit“, so Dr. Ritter. „Wenn wir nicht aufpassen, gibt’s in 10 Jahren keine Hausärztinnen und Hausärzte mehr, sondern nur irgendwelche Gesundheitszentren in denen eine Community Health Nurse die Versorgung steuert und Gebietsfachärzte nur noch an Kliniken arbeiten“, warnte er mit Blick auf die aktuellen Pläne aus dem Gesundheitsministerium, die zum Problem für die hausärztliche Versorgung werden können und die er einer kritischen Betrachtung unterzog.

Da sei zum einen die Krankenhaus- und Notfallreform: In Krankenhäusern der neuen Level 1i, die als Ambualtorien geplant sind, sollen Gebietsfachärzte zwar weiterhin ambulante Operationen durchführen, die Leitung aber in den Händen der Pflege liegen – „wir als Hausärztinnen und Hausärzte kommen da gar nicht vor“, so Dr. Ritter. „Und bei der Notfallversorgung stehen die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten im Vordergrund, nicht der medizinische Bedarf“, kritisiert er. Sinnvolle Steuerungsmechanismen wie vom G-BA vorgeschlagen wurden gestoppt.

Gesundheitskioske: Millionen „für eine Versorgung, die wir nicht brauchen und die weder Kommunen noch Krankenkassen wollen“

Beim Versorgungsstärkungsgesetz stoßen den Hausärztinnen und Hausärzten zum einen die 1.000 geplanten Gesundheitskioske sauer auf, die Bundesgesundheitsminister im ganzen Land etablieren will und die mit jährlichen Kosten von je 300.000 Euro beziffert werden, wovon die Krankenkassen 75 Prozent stemmen sollen – „für eine Versorgung, die wir nicht brauchen und die weder Kommunen noch Krankenkassen wollen“, so Dr. Ritter. Er räumte ein, dass ein Gesundheitskiosk in mancher Region vielleicht als Informationsplattform für die Patientinnen und Patienten Sinn machen könnte -
„aber doch nicht, damit dort Medizin gemacht wird!“

Zudem schwebt dem Bundesgesundheitsminister die Einrichtung von Primärversorgungszentren vor, um die Versorgung zu sichern. „Die sollen per Definition mit mindestens 3 Hausärztinnen oder Hausärzten besetzt sein – das hilft uns doch in unterversorgten Gebieten auch nicht weiter“, stellte Dr. Ritter fest.

Schließlich sieht das Versorgungsstärkungsgesetz noch vor, Gesundheitsregionen zu ermächtigen, Versorgungsstrukturen als Alternative zur Regelversorgung aufzubauen und sich dabei Dritter zu bedienen – „das können Niedergelassene sein, aber genauso gut auch investorengeführte MVZ“, warnt Dr. Ritter.

Digitalgesetzgebung: Kassen sollen Informationen über ihre Versicherten nutzen dürfen, um in die Versorgung einzugreifen

Bei den Referentenentwürfen zur Digitalgesetzgebung, für die am Mittwoch dieser eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags stattfand, griff Dr. Ritter ein Vorhaben heraus, das Krankenkassen in die Lage versetzen würde, in die Behandlung ihrer Versicherten einzugreifen: Die Kassen sollen Informationen über ihre Versicherten nutzen dürfen, um diesen beispielsweise Untersuchungen oder Behandlungen vorzuschlagen – „Patientinnen und Patienten, die bei uns Hausärztinnen und Hausärzten bereits in Behandlung sind – wie absurd ist das?“, fragt sich Dr. Ritter.

Auch das Pflegestärkungsgesetz ziele beispielsweise mit darin vorgesehenen Kompetenzerweiterungen für nichtärztliche medizinische Fachberufe bei der heilkundlichen Verantwortung für Pflege- und Therapieprozesse auf den Aufbau von Parallelstrukturen und eine Fragmentierung der Versorgung – zum Schaden der Patientinnen und Patienten: „Wir wissen aus wissenschaftlichen Daten, das die Continuity of Care das A und O ist. Je mehr verschiedene Ärzte oder Fachgruppen am Patienten dran sind, desto schlechter sind Ergebnisse bis hin zu einer erhöhten Mortalität“, fasste Dr. Ritter die Studienlage zu diesem Thema zusammen. „Wir brauchen was anderes, nicht diese Ideen, die der Gesetzgeber hat“, lautet sein Fazit.

HÄPPI würde Continuity of Care sicherstellen - Gegenentwurf zu Fragmentierung und Parallelstrukturen

Was das aus hausärztlicher Sicht ist, stellte Dr. Ritter den Delegierten vor: HÄPPI – „Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung Interprofessionell“.
Im Gegensatz zu anderen Konzepten wie Primärversorgungszentren, Gesundheitskiosken oder integrierten Gessundheitszentren sei HÄPPI ein Zentrum mit multiprofessionellem Team, aber in der Hand von Hausärztinnen und Hausärzten. „Der Patient muss eine feste Anlaufstelle in unserem Gesundheitssystem haben, wo er weiß, er muss vielleicht nicht wegen jedem Gesundheitsbedarf den Arzt sehen – die Wunde kann die VERAH versorgen, die Routine-Hausbesuche kann ebenfalls die VERAH übernehmen, die Notfallsprechstunde kann die akademisierte VERAH oder der PA (Physician Assistant) machen, die stabilen chronischen Patienten können von ihnen gesehen werden, ich als Arzt kümmere mich um die schweren Fälle, bin aber bei Bedarf immer da und der Patient ist weiter in der kontinuierlichen Versorgung bei einem hausärztlichen Betreuteam. Das ist das System, das wir vorschlagen und in dem all die Parallelstrukturen, die vom Bundesgesundheitsminister vorgeschlagen werden, auf sinnvolle Weise vereint sind.“

Natürlich müssten nun nicht alle Hausarztpraxen nun „HÄPPI“ werden, stellte er klar. Schließlich sei jede hausärztliche Praxis letztendlich bereits ein Primärversorgungszentrun. Aber bei Bedarf stehe mit HÄPPI ein Modell mit verschiedenen Säulen zu Verfügung, um die eigen Praxis auszubauen.

 

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