Politische Leitsätze

Stand: 17.05.2019

1. Erhalt des solidarischen Gesundheitswesens

Der Bayerische Hausärzteverband tritt für die Erhaltung eines solidarischen Gesundheitswesens ein, in dem jeder Bürger* alle diagnostischen und therapeutischen Leistungen erhält, die für seine Gesunderhaltung, seine Wiedergenesung oder für die Linderung seiner Leiden erforderlich sind.

Der Bayerische Hausärzteverband fordert die Schaffung und Sicherung von Strukturen im Gesundheitswesen, in denen auch in Zukunft das persönliche vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis zwischen Hausarzt auf der einen und Patient auf der anderen Seite erhalten und ausgebaut werden kann.

2. Keine Priorisierung in der hausärztlichen Versorgung

Die in der gesundheitspolitischen Diskussion immer wieder vorgetragene Forderung nach einer Priorisierung von medizinischen Leistungen hat in der hausärztlichen Versorgung keinen Platz. Eine Priorisierung kann zu einem Werkzeug der Leistungsselektion werden und ist mit dem Solidarprinzip unseres Gesundheitswesens unvereinbar. Damit die Priorisierung nicht zum Werkzeug einer Rationalisierungspolitik wird, fordert der Bayerische Hausärzteverband eine strukturierte Leistungserbringung nach einem Stufenprinzip der Diagnostik und Therapie.

Die Wahl der Versorgungsebene bedarf dabei unbedingt einem geschützten persönlichen Arzt-Patienten-Verhältnis und einer hausärztlichen Steuerung als Regelfall. Die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) als freiwilliges Primärarztsystem ist die einzige Versorgungsform, die dies gewährleistet.

3. Sicherung einer ausreichenden finanziellen Ausstattung des Sozialsysteme

Die Absenkung der sogenannten Lohnnebenkosten darf nicht zu einer Einschränkung der Gesundheitsfürsorge und der Arbeitslosen- und Rentenabsicherung führen. Der Bayerische Hausärzteverband regt an, mehr Transparenz über den Anteil der steuerfinanzierten Zuschüsse zur Gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen und die Beitragsarten, die zur Finanzierung der Gesundheitsfürsorge herangezogen werden, deutlich zu erweitern und nicht nur auf das Arbeitseinkommen zu beschränken.

4. Kein Ausverkauf des Gesundheitswesens

Dem bereits begonnenen Ausverkauf unseres solidarischen Gesundheitssystems an Kapitalgesellschaften tritt der Bayerische Hausärzteverband entschieden entgegen. Der Bayerische Hausärzteverband sieht es als seine Pflicht an, die Bevölkerung über die Folgen dieser Privatisierung des Gesundheitswesens und der damit verbundenen Entsolidarisierung des Gesundheitssystems aufzuklären.

5. Umfassende Information der Bevölkerung durch die Politik

Der Bayerische Hausärzteverband hält es für eine unabdingbare Pflicht des Staates bzw. der jeweiligen Bundes- und Landesregierung, die Bürger Deutschlands und Bayerns sowohl über alle geplanten Gesetzesänderungen, die unser Gesundheitswesen betreffen, als auch über deren Folgen umfassend seriös aufzuklären.

Es kann keineswegs mehr einer kleinen Zahl von Abgeordneten vorbehalten bleiben, entscheidende Änderungen in schleichenden Prozessen unbemerkt von der Öffentlichkeit in unser Gesundheitssystem einzuführen und damit eine tragende Säule unseres Sozialstaates zu gefährden.

Ferner gilt es, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung nachhaltig zu steigern. Der Bayerische Hausärzteverband wird daran auch weiterhin aktiv mitarbeiten. Dazu bedarf aber auch einer weiteren substanziellen Stärkung der hausärztlichen Versorgungsebene.

6. Vertragshoheit für Hausärzte – Keine Einsparungen zu Lasten der Patienten

Zentrale und langjährige Forderung des Bayerischen Hausärzteverbandes ist der Erhalt und Ausbau unserer eigenständigen hausärztlichen Vertrags- und Tarifautonomie durch die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV).

Wir fordern nachdrücklich ein effektives und unbürokratisches Bonus-System für Patienten, die sich für eine Teilnahme an der Hausarztzentrierten Versorgung entschieden haben.

Nur eine qualifizierte, freiwillige hausärztliche Primärversorgung wird den Erfordernissen einer adäquaten qualitativ hochstehenden und flächendeckenden medizinische Behandlung einer immer älteren und polymorbider werdenden Bevölkerung nachhaltig gerecht.

7. Freier Zugang zur hausärztlichen Versorgung

Der Bayerische Hausärzteverband fordert einen freien Zugang für alle Patienten zur hausärztlichen Versorgung. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Morbiditätslast und eine zunehmende Nachfrage nach (Haus)ärztlichen Leistungen in der vollen Verantwortung der Krankenkassen und der Gesellschaft liegen.

8. Förderung des Ausbaus der Geriatrie und Allgemeinen Palliativmedizin im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung / Hausärztlichen Primärversorgung

Der Bayerische Hausärzteverband hält eine nachhaltige Förderung der Geriatrie und Palliativmedizin im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung bzw. der Hausärztlichen Primärversorgung angesichts der demographischen Entwicklung für unerlässlich.

Die Förderung der Geriatrie und Allgemeinen Palliativmedizin muss unabhängig von der Notwendigkeit erfolgen, weitere Zusatzqualifikationen außerhalb der regulären hausärztlichen Fortbildung erwerben zu müssen, da diese beiden Tätigkeitsbereiche bereits Teil der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin sind.

9. Förderung der Allgemeinmedizin

Die hausärztliche Versorgung wird auf Grund der demographischen Entwicklung der Bevölkerung und der gleichzeitig knapper werdenden finanziellen Ressourcen zu einer noch unverzichtbareren ärztlichen Versorgungsebene. Deshalb ist die hausärztliche Versorgung insbesondere nach den Jahren ihrer desolaten Entwicklung durch die verfehlte Honorarpolitik der Gesetzlichen Krankenkassen, des Gemeinsamen Bewertungsausschusses und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom Staat nach Kräften zu fördern.

Zu dieser Förderung gehört unverändert auch die Einrichtung von Lehrstühlen für Allgemeinmedizin an allen medizinischen Fakultäten bzw. jedem Campus einer Universität, an dem zukünftige Hausärztinnen und Hausärzte ausgebildet werden. Die Einrichtung dieser Lehrstühle ist nach Meinung des Bayerischen Hausärzteverbandes nicht dem Vorbehalt der Universitäten zu überlassen, sondern obliegt - wegen dessen Verpflichtung für die Gesundheitsfürsorge gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern - dem Staat.

Hierfür sind dauerhaft und nachhaltig die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung zu stellen und die zeitnahe Umsetzung des Masterplan Medizinstudium 2020 in seiner ursprünglichen Form und Intention (u.a. mit Allgemeinmedizin als verpflichtendem Prüfungsfach im Staatsexamen) sowie der Schaffung von 20 Prozent mehr Studienplätzen voranzutreiben.

Der Numerus Clausus als Zugangskriterium zum Studium der Humanmedizin ist abzuschaffen. Weitere Qualifikationen, Zugangs- und Auswahlkriterien sind zu etablieren. Diese müssen sich daran orientieren, dass Studierende ausgewählt werden und die Chance zum Medizinstudium erhalten, die nach einem erfolgreichen Abschluss des Studiums und der Weiterbildung in der ambulanten Patientenversorgung tätig werden.

10. Hausärztliche Tätigkeit ist nicht substituierbar

Die qualitativ hochwertige hausärztliche Versorgung kann nur durch die Stärkung der hausärztlichen Praxisteams dauerhaft sichergestellt werden. Diese Stärkung beginnt bei einer noch stärkeren Förderung unseres hausärztlichen Nachwuchses. Sie geht weiter über die Steigerung der Attraktivität der Tätigkeit als Medizinische Fachangestellte (MFA) bis hin zum Ausbau der Delegation hausärztlicher Tätigkeiten an die VersorgungsassistentInnen in der Hausarztpraxis (VERAH) durch telemedizinische Anwendungen und eine berufsbegleitenden Akademisierung des Berufes et cetera. Auf Substitution oder die Schaffung eines „Hausarzt light“ angelegte Modelle lehnt der Bayerische Hausärzteverband ab.

11. Niederlassungsverbesserung durch die Gleichstellung von Berufsausübungsgemeinschaften und Praxisgemeinschaften gegenüber MVZ

Berufsausübungsgemeinschaften und Praxisgemeinschaften sind im Besonderen geeignet, die Wünsche des hausärztlichen Nachwuchses nach Teamarbeit und flexiblen Arbeitszeitmodellen bei gleichzeitig freiberuflicher Tätigkeit und umfassender hausärztlicher Patientenversorgung im Fokus zu haben. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Berufsausübungsgemeinschaften und Praxisgemeinschaften weiterhin ein attraktives Niederlassungsmodell für junge Hausärzte bleiben und diese Praxisformen keinerlei Benachteiligungen gegenüber MVZ-Strukturen ausgesetzt sind.

12. Förderungsmaßnahmen für Hausärzte in ländlichen Regionen und besonderen städtischen Bezirken

Der Bayerische Hausärzteverband fordert nachhaltige und langfristige Förderungsmaßnahmen für Hausärzte in ländlichen Regionen und besonderen städtischen Vierteln, um unter allen Umständen eine qualifizierte wohnortnahe hausärztliche Versorgung zu erhalten.

Dabei ist insbesondere in den ländlichen Regionen die Bedarfsplanung so zu fassen, dass grundsätzlich eine kleinräumige Planung erfolgt. Umgehend ist die drohende Unterversorgung bei einer sich für die nächsten drei Jahre abzeichnenden Versorgung von unter 90 Prozent unter Berücksichtigung der Altersstruktur festzulegen und damit die Definition der Versorgung nicht der Willkür der Kassen zu überlassen.

Auch in den Städten ist auf den Erhalt der hausärztlichen Versorgung der Bürger zu achten. Es bedarf einer genauen und umfassenden Analyse der tatsächlichen Versorgungsstruktur, bevor in städtischen Regionen angebliche Überkapazitäten im hausärztlichen Bereich abgebaut werden.

13. Rechtskonforme und nachvollziehbare Prüfvereinbarung

Der Bayerische Hausärzteverband lehnt eine intransparente Haftung der ärztlichen Praxen für medizinisch notwendige Behandlungen der Patienten ab.

In Bayern ist es gelungen, seit dem 1.10.2014 die Richtgrößenprüfung durch eine regionale Vereinbarung zu ersetzen. Die aktuelle Wirkstoffvereinbarung sorgt für Transparenz und somit für Gerechtigkeit in der Arzneiverordnung. Zum ersten Mal besteht die Möglichkeit, durch bewusstes Verordnungsverhalten Ziele einzuhalten und somit die Regressgefahr auszusetzen.

Angesichts dieses Erfolgs fordert der Bayerische Hausärzteverband, für die verbliebenen Arzneimittel sowie für die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln tragfähige Lösungen zu entwickeln. Die Krankenkassen bleiben aufgefordert, sich auch in diesen Bereichen einer konstruktiven Lösung nicht zu verschließen. Nach wie vor bedeutet die Bedrohung mit Regressen ein wichtiger Grund für junge Ärzte, sich gegen die Niederlassung in Selbständigkeit gerade im hausärztlichen Bereich zu entscheiden.

 

14. Förderung der Telemedizin

Der Bayerische Hausärzteverband setzt sich für die Etablierung von telemedizinischen Versorgungsleistungen und -konzepten dort ein, wo diese Leistungen und Konzepte einen umfassenden und nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung darstellen und einen wirklichen Mehrwert zur Stärkung des Arzt-Patientenverhältnisses leisten können. Pseudoinnovationen und Konzepte, die zu einer Zersplitterung der Versorgung oder einen Eingriff in das persönlichen Arzt-Patientenverhältnis darstellen, werden abgelehnt.

15. Elektronischen Patientenakte nur in ärztlicher Hand

Der Bayerische Hausärzteverband fordert im Rahmen der Etablierung der Elektronischen Patientenakte (ePA), dass die Möglichkeit der vertrauensvollen und bereits gelebten Kommunikati-on von Arzt zu Arzt erhalten bleibt. Die höchstvertrauliche Primärdokumentation in der Praxis darf nicht untergraben oder aufgehoben werden. Die Interoperabilität zwischen der Primärdokumentation und der elektronischen Patientenakte (ePA) und dem elektronischen Patientenfach (ePF) muss gewährleistet sein. Die Datensicherheit muss höchste Priorität haben und die zweckgebundene und vertrauensvolle Nutzung gewährleistet sein.

16. Regionale Versorgungsstrukturen stärken

Der Bayerische Hausärzteverband fordert, dass die (Weiter-)Entwicklung, Verbesserung und Sicherung der medizinischen Versorgung durch die tatsächlich Beteiligten auf Landesebene gestaltet und verantwortet werden können und somit regionalen Gegebenheiten Rechnung getragen werden kann.

Der Bundesgesetzgeber ist, dem Subsidiaritätsprinzip und damit dem Föderalismusgedanken des Grundgesetzes Rechnung tragend, angehalten, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Erledigung der in diesem Zusammenhang entstehenden Aufgaben auf Landesebene stärken und nicht behindern. Deutschland ist aus guten Gründen föderal verfasst. Dies muss sich auch in den Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten auf Landesebene in Fragen der Gesundheitsversorgung niederschlagen

17. Menschliche Lebensgrundlagen ausreichend schützen

Der Bayerische Hausärzteverband tritt für eine nachhaltige Klimaschutzpolitik und eine stärkere Kontrolle der Lebensmittelindustrie ein. Feinstaub, CO2 und andere Umweltgifte führen zu einer deutlichen Zunahme von Lungenerkrankungen. Die mangelnde Einflussnahme auf die Lebensmittelindustrie und deren fehlende Kontrolle verursacht eine starke Zunahme der sog. Wohlstandserkrankungen, welche die Haupt-Todesursache „Herz-Kreislauferkrankungen“ unaufhaltsam ansteigen lässt. Beides stellt eine große Gefahr für unsere Volkswirtschaft und das Gesundheitswesen dar.

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text die männliche Form verwandt, gemeint sind alle Geschlechter.

 

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