Vorhaltepauschalen als Chance für HÄPPI-Honorierung

Medizinstudent Julia Michler
Über aktuelle berufspolitische Entwicklungen diskutierten in
der Mitgliederversammlung am 20. April in Augsburg Dr. Markus
Beier, Dr. Petra Reis-Berkowicz, Dr. Christian Pfeiffer und
Dr. Wolfgang Ritter (v. li., ganz links Moderator
Torsten Fricke).

„Es muss ja nicht jeder HÄPPI werden, es aber strategisch zu haben, ist Gold wert“, unterstrich Dr. Wolfgang Ritter, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, am 31. Bayerischen Hausärztetag in Augsburg. In der Mitgliederversammlung erläuterte er, wie genau das Konzept „Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung interprofessionell“, für das das Kürzel HÄPPI steht, aussehen soll: Unter der Verantwortung und Leitung der Hausärztinnen und Hausärzte übernimmt ein Team, bestehend aus akademisierten und nicht-akademisierten Fachkräften, zusätzliche Aufgaben in der Patientenversorgung. Hausärztinnen und Hausärzte können sich so stärker auf die Fälle konzentrieren, bei denen ihre ärztliche Kompetenz zwingend erforderlich ist. „Nicht jede Patientin und jeder Patient muss von der Hausärztin beziehungsweise dem Hausarzt gesehen werden, wir müssen weg von der Versorgung nach Bedürfnis hin zu einer Versorgung nach Bedarf“, unterstrich Dr. Ritter.

"Einzelleistungsabrechnung wäre der betriebswirtschaftliche und bürokratische Supergau"

Aber das hochqualifizierte Personal, das für das HÄPPI-Konzept benötigt wird, will auch bezahlt sein. Hier sei man sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg in einer Phase, in der zusammen mit den Krankenkassen versucht werde, eine Honorierung zu finden, die für beide Seiten fair ist, erklärte der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Dr. Markus Beier auf Nachfrage einer Hausärztin. Sicher sei, dass die Honorierung in Form von Pauschalen erfolgen müsse: „Eine Einzelleistungsabrechnung wäre der betriebswirtschaftliche und bürokratische Supergau“, stellte Dr. Beier fest. Wie das aussehen könnte, konkretisierte er an einem Beispiel: Eine Praxis, die 2000 Patientinnen und Patienten betreut und eine gewisse Qualifikation vorhält wie beispielsweise eine Primärmedizinische Versorgungs- und Praxismanagerin (PCM) oder einen Physician Assistant (PA), würde pro Patient/Patientin einen Zuschlag erhalten. In HÄPPI-Modellpraxen in Baden-Württemberg sind es 10 Euro. „Ob das ausreichend ist, wird man in diesen Projekten sehen“, so Dr. Beier. Deswegen sei die im aktuellen Entwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) enthaltenen Vorhaltepauschalen als Einstieg auch so wichtig: Für das Vorhalten einer Teamstruktur mit bestimmten Kriterien ist die Pauschale vorgesehen. Damit sei die Chance gegeben, die Höhe der Pauschale an die vorgehaltene Qualifikation zu koppeln.

Medizinstudent Julia Michler
KVB-Chef Dr. Christian Pfeiffer sieht gute Ansätze im
GVSG-Entwurf.

Für die HZV erwartet Dr. Beier ebenfalls positive Impulse durch das GVSG. Dabei denkt er nicht nur an den HZV-Bonus, der Versicherten einen zusätzlichen Anreiz für die Einschreibung bieten soll, sondern auch an die im Gesetzentwurf genannte Entbudgetierung für den hausärztlichen Bereich. Wenn diese im kommenden Jahr greifen sollte, sei das ein gutes Argument, mit den Krankenkassen über ein Ende von Obergrenzen beim Honorar in den HZV-Verträgen zu verhandeln.

Auf bayerischer Ebene etwas mehr Beinfreiheit für KV erhofft

Auch Dr. Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der KV Bayerns, sieht gute Ansätze im Entwurf zum GSVG betrachtet das Gesetzesvorhaben als Chance, weil das doch recht starre KV-System gezwungen werde, neu zu denken. „Ich bin nicht HÄPPI, aber ich rede in all meinen Gesprächen über die Teampraxis, da sehe ich auf KV-Seite die Zukunft“, bekannte er. Daher erhofft sich Dr. Pfeiffer „auf bayerischer Ebene etwas mehr Beinfreiheit, wie wir unsere Praxen auch im KV-System zukunftsfähig aufstellen.“ Allerdings gab er zu bedenken, dass es auf die Ausgestaltung des Gesetzes ankomme. „Da können kleine Passagen schon reichen, damit das Ganze am Ende ein Hausarztschwächungsgesetz wird“, warnte er.

In jedem Fall ist noch ein langer Atem nötig: Am 15. Mai soll der Gesetzentwurf in das Bundeskabinett eingebracht werden, dann muss das Gesetz seinen Weg durch Bundestag und Bundesrat nehmen. Dr. Beier rechnet damit, dass das Gesetzgebungsverfahren sich noch mindestens bis zum Spätherbst hinziehen wird.

Welches Echo der GVSG-Entwurf in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hervorgerufen hat, wusste Dr. Petra Reis-Berkowicz zu berichten: Die 1. stellvertretende Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes ist Vorsitzende der KBV-Vertreterversammlung. Zunächst habe der Gesetzentwurf für Irritationen in Berlin gesorgt. „Mit dem Schlagwort ‚Umverteilung‘ wurden automatisch bei den Hausärzten Ängste ausgelöst, dass hier jetzt große Gewinner und große Verlierer entstehen“, schilderte sie die Reaktionen.

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Falls das GSVG zu einer Umverteilung führen sollten, seien
klassische Hausärztinnen und Hausärzte nicht betroffen,
betonte Dr. Petra Reis-Berkowicz.

Dann habe man diskutiert, nachgerechnet und neu interpretiert und sei zu dem Ergebnis gekommen: „Wenn es zu einer Umverteilung kommt, sind es nicht die klassischen Hausärztinnen und Hausärzte, die betroffen, sind, sondern diejenigen, die keine hausärztliche Tätigkeit ausführen, aber unter dem Segel der Hausärzteschaft durchs System schliddern.“ Viel Überzeugungsarbeit sei von Nöten gewesen, die Dr. Reis-Berkowicz aber auch für essenziell hält: „Wir müssen alle mitnehmen und dürfen nicht in die alten Grabenkämpfe zwischen Haus- und Gebietsärzten zurückfallen“, sagte sie. „Das hatten wir 20 Jahre lang, und es hat uns allen nur geschadet.“

Bundesgesundheitsminister malt Bild, das „das schwärzer ist, als wir es jemals beschrieben haben"

Großen Raum in der Podiumsdiskussion nahm der Hausärztemangel ein, auf den Prof. Karl Lauterbach erst kürzlich mit drastischen Worten eingegangen ist. Dennoch ist sich der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes Dr. Ritter nicht sicher, ob die politische Anerkennung dieses Problems sich positiv auswirken wird. Nachdem Warnungen des Bayerischen Hausärzteverbandes lange von Kassen und Politik in den Wind geschlagen worden seien, male der Bundesgesundheitsminister ein Bild, „das schwärzer ist, als wir es jemals beschrieben haben, wenn er sagt: Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie schlimm dieser Mangel noch werden wird“, so Dr. Ritter. Das stimme ihn vorsichtig, weil die Politik dann immer mit schnellen Lösungen bereitsteht, „und da sind wir beim Thema Parallelstrukturen“, so Dr. Ritter. Da werde schnell unterstellt, die Hausärztinnen und Hausärzte könnten die Versorgung nicht mehr stemmen und man brauche ganz schnell Zentren, die die hausärztliche Versorgung übernehmen. „Dagegen müssen wir uns wehren. Wir haben ein Konzept, wie die hausärztliche Versorgung aufrechterhalten werden kann, und wir brauchen endlich das Signal der Politik und der Krankenkassen, dass sie die vorhandenen Strukturen stärken“, forderte der bayerische Landesvorsitzende.

"Bayerns Staatsregierung setzt auf die hausärztliche Versorgungsschiene"

Medizinstudent Julia Michler
Angesichts der aktuellen Verteilung von 30 Prozent Hausärzten
gegenüber 70 Prozent Gebietsfachärzten ist Dr. Ritter
überzeugt: „Wir brauchen für die Versorgung der Bevölkerung
eine umgedrehte Pyramide."

Von Seiten der Bayerischen Landesregierung dagegen erwartet er diese Bedrohung nicht. „Ich glaube dass die Bayerische Staatsregierung verstanden hat, dass es essentiell wichtig ist - nicht nur für die Versorgung, sondern auch für den sozialen Frieden –, dass so grundlegende Dinge wie eine gute hausärztliche Versorgung auch für Menschen grade in kleinen Kommunen und Gemeinden erhalten bleiben. Deswegen setzt Bayerns Staatsregierung auf die hausärztliche Versorgungsschiene“, ist er überzeugt.

Beim Thema Nachwuchs kam die Sprache auch auf den Masterplan Medizinstudium 2020, der immer noch auf seine Umsetzung wartet. Einen Grund dafür sieht der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Dr. Markus Beier in der „konsequenten Spaltung zwischen den Gesundheitsministerien der Länder, die alle auf unserer Seite stehen“, und den Wissenschaftsministerien, die nicht zur Umsetzung bereit seien beziehungsweise nur dann, wenn Geld vom Bund dafür fließe. Nach mehreren Anpassungen habe man nun einen angepassten Entwurf für eine neue Ärztliche Approbationsordnung, der für alle akzeptabel wäre, aber um die Finanzierung werden weiter gestritten, berichtete Dr. Beier. „Karl Lauterbach hat jetzt versucht, beides durch die Tür zu bringen, also 5000 neue Studienplätze und die Approbationsordnung, aber die Finanzierung war so windig, dass es im Moment wieder einkassieret wurde, was für uns bedeutet, wir stehen wieder anderer gleichen Stelle: Der Bund will kein zusätzliches Geld geben, und die Länder auch nicht.“

Mehr Medizinstudienplätze ohne neue Approbationsordnung sinnlos

In mehr Medizinstudienplätzen ohne Umsetzung des Masterplan Medizinstudium 2020 sieht Dr. Ritter jedoch keinen Sinn. Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes verwies auf die aktuelle Verteilung von 30 Prozent Hausärzten gegenüber 70 Prozent Gebietsfachärzten. „Wir brauchen aber für die Versorgung der Bevölkerung eine umgedrehte Pyramide. Der Sockel muss die Grundversorgungsdisziplin sein, nämlich die Hausärztinnen und Hausärzte. Wenn wir wieder nur mehr Studienplätze schaffen, und die Medizinstudierenden nur rudimentär mit dem Fach Allgemeinmedizin in Verbindung kommen, ist es sehr schwer, sie für das Fach Allgemeinmedizin zu begeistern“, mahnte er. „Dann kommen doch wieder nur Spezialisten raus, und das bringt uns für die Zukunft der Versorgung der Bevölkerung gar nichts.“

Wie wichtig der Kontakt mit der Allgemeinmedizin für Studierende ist, bestätigte Dr. Reis-Berkowicz mit Verweis auf Programme in Oberfranken, die schon seit mehr als 12 Jahren existieren und Medizinstudierende raus aufs Land bringen, um dort die Versorgungsstrukturen kennenzulernen. „Wenn da der Kontakt hergestellt wird zum örtlichen Krankenhaus, dem Weiterbildungsverbund vor Ort und die Studierenden dann in die Hausarztpraxen vor Ort kommen und sehen, wie wir unseren Tag da verbringen, wenn sie sehen, dass es eben nicht um Überweisungspraxen geht oder nur um Husten, Schnupfen, Heiserkeit, sondern dass wir hier echte Grundversorgung machen als erste Anlaufstelle, vom Kleinkind bis zur Großmutter, das begeistert dann. Da wäre es super, wenn wir im Praktischen Jahr zum PJ-Quartal in der hausärztlichen Versorgung kommen und in den klinischen Semestern immer wieder der Kontakt zu Hausarztpraxen hergestellt werden würde“, findet sie.

"Wir müssen uns um unseren Nachwuchs kümmern“

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Die Aufforderung aus dem Publikum für mehr Engagement in der
Weiterbildung begrüßte Dr. Beier: "Wir müssen uns um unseren
Nachwuchs kümmern."

Dr. Jürgen Lentzkow, Bezirksdelegierter des Bayerischen Hausärzteverbandes für Unterfranken und regionaler Vorstandsbeauftragter der KVB, sieht aber auch seine Kolleginnen und Kollegen in der Pflicht und forderte mehr Engagement aus den eigenen Reihen: „Wir müssen weiterbilden und wir müssen auch Studierende ausbilden wollen. Lehrstühle sind immer auf der Suche nach Lehrpraxen, es gibt nicht genügend“, monierte er. „Wenn das PJ-Quartal kommt, stehen wir mit runtergelassen Hosen da“, warnte er. Dazu gehöre, auch mal eine Unterkunft für PJ-Studierende zu organisieren, „sonst kommen die nicht zu uns. Es braucht von uns den Willen, die Medizinstudierenden von früh an zu begleiten. Ich glaube schon, dass die Allgemeinmedizin, die ja zu unserer Studienzeit überhaupt nicht an den Universitäten existierte, jetzt deutlich einen Fuß in der Tür hat“, schloss er.

„Ein sehr wichtiger Beitrag“, stimmte Dr. Beier zu. Es komme immer auch auf eigene Entscheidungen an, sagte er. „Wenn ich erwarte, dass meine Praxisnachfolgerin oder mein Praxisnachfolger plötzlich vor der Tür steht, wenn ich 63 oder 65 bin, dann ist 20 oder 30 Jahre vorher schon eine Entscheidung falsch gelaufen. Wir müssen uns um unseren Nachwuchs kümmern“. Das trage auch zur eigenen Glaubwürdigkeit bei, auch gegenüber der Politik, und das sei es auch, was die Arbeit der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband so wertvoll mache. Für die Gespräche vor Ort mit Blick auf den Masterplan 2020 gab Dr. Beier den Anwesenden ein Beispiel mit auf den Weg: „Es ist jetzt so, als ob die Führerscheinausbildung nur auf der Autobahn stattfinden würde ohne Einparken, Stadtverkehr und Überlandfahrt. Und unsere Universitäten bilden zum Großteil nur auf der Autobahn aus.“

 

 

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