Pooltests: Nürnberger Land als Eisbrecher in Bayern

 
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Dr. Martin Seitz

Nach der erfolgreichen WICOWIR-Studie hat die Bayerische Bayerische Staatsregierung mit Ministerratsbeschluss vom 6. Juli die flächendeckende Einführung von PCR-Pooltests ab dem kommenden Schuljahr 2020/21 beschlossen – allerdings nur an den Grundschulen in Bayern. Offen ist auch noch, wie die Einführung der Teststrategie umgesetzt werden soll und vor allem, ab
wann sie zum Einsatz kommen kann.

Anders im Nürnberger Land: Dort können alle Schulen und Kindertagesstätten pünktlich zum Ende der Sommerferien mit Pooltests für sichere Schul- und Kitabesuche sorgen. Zu verdanken ist das der Initiative und Hartnäckigkeit der Arbeitsgruppe Testungen, hervorgegangen aus der Führungsgruppe Katastrophenschutz des Landkreises. Dr. Martin Seitz, Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbandes und mittelfränkischer Bezirksdelegierter des Bayerischen Hausärzteverbandes, ist Mitglied der Arbeitsgruppe. Im Interview erzählt er, welche Hürden er und seine Mitstreiter zu überwinden hatten, damit Pooltest im Nürnberger Land ab dem neuen Schuljahr flächendeckend eingesetzt werden können – und dass er auf Nachahmer hofft.

Herr Dr. Seitz, wie kam es dazu, dass Pooltests überhaupt Thema wurden im Nürnberger Land?

Dr. Seitz: Das Konzept der Pooltests erschien uns in der Führungsgruppe Katastrophenschutz im Landkreis einleuchtend, daher wollten wir Modellprojekt werden und an der der WICOVIR-Studie teilnehmen. Im Februar dieses Jahres haben wir dazu dann die Arbeitsgruppe Testungen gegründet.

… und das Nürnberger Land wurde Modellprojekt?

Dr. Seitz: Das war ein sehr holpriger Start. Zunächst hieß es, die Studie ist schon voll. Es war noch einiges an Intervention notwendig, damit wir dann mit drei Einrichtungen an der Studie teilnehmen konnten. Wir sind damals ins Bayerische Gesundheitsministerium gefahren und haben mit Staatsminister Klaus Holetschek geredet, der war schnell überzeugt. Trotz zustimmender Kommentare von ihm kam jedoch ein paar Tage später ein Schreiben seines Ministeriums, mit dem unser Antrag, Modellprojekt zu werden, abgelehnt wurde. Auch vom LGL, vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, gab es Gegenwind. Geholfen hat uns, dass wir Landrat Armin Kroder hinter uns hatten.

Dann konnte es also doch losgehen?

Dr. Seitz: Wir brauchten erst noch ein Labor für die Auswertung der Tests. Pooltests kommen aus der Umwelt- und Tiermedizin, in der Humanmedizin sind solche Verfahren nicht üblich und werden von humanmedizinischen Laboren auch eigentlich nicht gemacht. Deshalb haben wir kurzerhand selbst ein Labor gegründet und in Eigenregie Geräte beschafft. Das Klinikum Lauf hat uns Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, die wir umbauen mussten.

Bei der personellen Besetzung des Labors sind wir auf die nächsten Schwierigkeiten gestoßen. Weil nämlich nicht klar war, ob unser Labor ein umwelt- oder humanmedizinisches ist – da bin ich mir heute noch unsicher – war auch unklar, welche Qualifikation der ärztliche Leiter des Labors mitbringen muss. Zwei Labormediziner hat das LGL abgelehnt, schließlich wurde ein weiterer Kandidat genehmigt, der inzwischen von sechs MFA unterstützt wird.

Wie wurde das alles finanziert?

Dr. Seitz: Uns stand ein finanzieller Rahmen von 250.000 Euro des Landkreises zur Verfügung, dazu kamen noch 100.000 Euro aus privaten Mitteln.

Wann konnten Sie mit den Pooltests schließlich starten?

Dr. Seitz: Wir haben rund vier Wochen vor den Sommerferien mit den Pooltests begonnen.

Und wie ist Ihre Erfahrung?

Dr. Seitz: Ich bin überzeugt von diesem Testkonzept. Da die Proben jeweils aus einer Schulklasse oder Kindergartengruppe zusammengeschüttet werden, ist das Verfahren kostengünstig – es verursacht je nach Auslastung nur etwa 40 Prozent der Kosten, die für Schnelltests bei jedem Kind anfallen würden. Und da die Proben mittels PCR-Test ausgewertet werden, haben wir deutlich mehr Sicherheit als bei den doch recht unsicheren Schnelltests, die auch gerne mal falsch positive Ergebnisse liefern. Wir hatten im Landkreis beispielsweise eine ganze Schulklasse, die per Schnelltest positiv getestet war, der PCR-Test im Anschluss fiel aber bei allen negativ aus.

Wie geht es jetzt weiter?

Dr. Seitz: Derzeit läuft eine Abfrage an allen Schulen und Kindertagesstätten in unserem Landkreis, wer bei den Pooltests ab Schulanfang dabei ist. Die Einrichtungen beziehungsweise die Schulträger müssen sich überlegen, wie sie den Transport der Proben zum Labor im Krankenhaus Lauf organisieren, das können wir als Arbeitsgruppe Testungen nicht auch noch stemmen. Und wir müssen schon mal für den Herbst Reagenzien besorgen, damit wir ausgerüstet sind für den Schulstart. Von der Laborkapazität her könnten wir alle Schulen und Kindertagesstätten im Nürnberger Land täglich testen – wobei ein PCR-Test eigentlich 72 Stunden gültig ist. Da wird man sehen müssen, welche Richtlinien zum Schulanfang gelten.

Ihr Resümee nach Monaten des persönlichen Einsatzes für Pooltests?

Dr. Seitz: Rückblickend muss ich sagen, wir haben viel Geld und Zeit investiert und dabei viel Prügel bezogen, vom LGL, vom Bayerischen Gesundheitsministerium. Auch die Gesundheitsämter waren anfangs zurückhaltend. So wurden zum Beispiel Pooltests an Einrichtungen, die nicht in die WICOVIR-Studie eingebunden waren, nicht anerkannt, obwohl sie viel aussagekräftiger sind als Schnelltests. Aber wir haben weitergemacht, weil wir überzeugt sind, dass Pooltests ein wichtiger Beitrag sind, um Schulen und Kindergärten sicherer zu machen. Es gab etliche Sitzungen im Kreistag – ich bin auch als Kreisrat und Stadtrat in Lauf politisch aktiv – in denen es gelang, fast alle Bürgermeister zu überzeugen. Und wir haben das Schulamt auf unserer Seite.

Ich hoffe, unser Landkreis wird zu einer Art Eisbrecher in Bayern und findet Nachahmer. Manchmal muss man einfach selbst aktiv werden, sich nicht beirren lassen, und nicht erst auf den Staat und seine Bürokratie warten.

 

 

 

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