Bezirks-Newsletter Mittelfranken 1/2023: Forderung an die Politik für mehr Unterstützung bei der hausärztlichen Versorgung

In seinem Bezirks-Newsletter greift Dr. Marc Metzmacher, Bezirksvorsitzender Mittelfranken des Bayerischen Hausärzteverbandes, aktuelle politische Themen wie Gesundheitskioske, Digitalisierung und Notfallreform auf.

 
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Hausärztinnen und Hausärzte haben in der Coronapandemie mit unseren Teams den Löwenan-teil der Erkrankten behandelt. Trotzdem ignorieren die politischen Entscheidungsträger die Erfor-dernisse in unseren Praxen völlig. Als Bayerischer Hausärzteverband machen wir mit der HZV und dem Konzept der Teampraxen ein hervorragendes Angebot an die Politik, um einen Großteil der Probleme in der Patientenversorgung zu verbessern. Die finanzielle Ausstattung und Unterstüt-zung von Kassen und Politik lassen in Zeiten der Inflation zwar zu wünschen übrig, trotzdem wurde erneut wissenschaftlich nachgewiesen, dass die HZV das Leben verlängert und die Gesundheit der Patientinnen und Patienten verbessert. Hier finden Sie die Ergebnisse der Evaluation aus Baden-Württemberg

Und was passiert derzeit im politischen Berlin? Die aktuellen Gesetzesvorlagen und -änderungen werden die Arbeitssituation unserer Teams und die Patientenversorgung massiv verschlechtern. Anstatt die hausärztliche Versorgungsebene mit ihren nachgewiesen guten Strukturen zu stärken, kommen die Politiker in Berlin auf Ideen, die uns die Haare raufen lassen.

Gesundheitskioske: Ursprünglich ist es eine gute Idee, Menschen, die sich in sozialen Brennpunk-ten nicht in die medizinische Versorgung trauen, mit Hilfe von Sozialarbeitern Sprachbarrieren, fal-sche Scham oder weitere Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die derzeitigen Pläne der Bundes-regierung sehen aber eine zusätzliche Versorgungsebene vor. Damit ist absehbar, dass wir infolge der unausweichlich entstehenden Verwirrung bei den Bürgern in den Praxen zusätzlich belastet werden. Mit unserem Konzept der Teampraxis haben wir ein wesentlich besseres Konzept!

Gesundheitsregionen: das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG sieht eine alternative Organisation der Regelversorgung ohne Einschreibepflicht der Versicherten und mit Beibehaltung der freien Arzt- und Leistungserbringerwahl vor. Ebenfalls eine weitere Versorgungsart, die unnö-tig ist – wir haben mit der HZV das besseres System geschaffen – nur fehlt es noch an der ausrei-chenden politischen Unterstützung, entsprechende Anreize für die Patienten zu etablieren.

Digitalisierung: Seit Jahren arbeiten die meisten Praxen intern weitgehend papierlos. Mit Digitali-sierung ist aber eigentlich Vernetzung gemeint. Wir wissen alle, wie schlecht die Gematik diese Vernetzung umsetzt. Nicht nur, dass sie sehr fehleranfällig ist, wir müssen den Patienten die Um-setzung in der Praxis erklären, die Patienten kommen zu uns, wenn was nicht klappt. Jede Über-mittlung einer eAU oder eines eRezepts dauert mehrere Sekunden zusätzlich – bei der Menge an solchen Übertragungen können diese nicht mehr im Rahmen der Sprechstunde erfolgen, sondern danach – die Einlösbarkeit der Rezepte auf digitalem Wege ist also entweder verzögert oder eben wieder ein Blatt Papier. Bezüglich der ePA lässt sich nur sagen: eine Pflichtbefüllung durch uns ohne entsprechender Vergütung darf es nicht geben. Noch wenig in unseren Praxen bekannt sind die Sicherheitsrisiken, die die Öffnung des geschlossenen Praxisnetzes für die TI mit sich bringt – um diese zu schließen, leisten sich andere Firmen ganze Abteilungen an EDV-Mitarbeitern.

Hausarztvermittlungsfall: Aus unterschiedlichen Gründen kommt es seit Jahren im gebietsärztli-chen Bereich zu längeren Wartezeiten auf Termine für Patienten. Ob das daran liegt, dass die Ge-bietsärzte wegen der beträchtlichen Budgetierung ihre erforderlichen Umsätze zunehmend durch Igeln generieren müssen, statt neuer Patienten lieber „Stammpatienten“ dauerkontrollieren oder ebenfalls ein Mangel an Gebietsärzten besteht, kann und will ich nicht beurteilen. Die Antwort der Politik, den Hausarzt zur Terminvermittlungsstelle zu berufen, ist jedenfalls nicht erfolgreich. Die wirtschaftliche Verantwortung liegt bei den Hausärzten und die Folge bei einzelnen Gebietsarzt-praxen ist, dass ohne diesem „Hausarztvermittlungsüberweisungsschein“ gar keine Termine in ab-sehbarer Zeit vergeben werden. Eine Gebietsarztpraxis hat selber zu entscheiden, wie die Dring-lichkeit einer Erkrankung einzuschätzen ist, wenn diese dann offensichtlich gar nicht nötig ist, darf man sich über die Schlussfolgerungen nicht wundern.

Telemedizin: mit der Begrenzung von Telemedizin auf 30% der Praxisfälle war gewährleistet, dass eine örtliche Arztpraxis angepasst an den Versorgungsbedarf seine Patienten auch telemedizinisch versorgen kann. Mit dem geplanten Wegfall dieser Begrenzung, öffnet die Politik rein investoren-getriebenen Callcentern die Tür zur Abschöpfung der unkomplizierten Fälle. Sobald aber eine wirk-liche Versorgung erforderlich ist, sollen wir das in unseren Praxen auffangen, genau wie wir das für komplizierte Fälle, die eigentlich eine gebietsärztliche Mitbehandlung benötigen, ebenfalls mangels Terminkapazitäten machen. All das sehen die politischen Entscheidungsträger nicht. Sie kommen stattdessen sogar auf die Idee einer telemedizinischen Betreuung in Apotheken.

iMVZ: trotz der intensiven Kommunikation und der bereits auch wahrgenommenen Problematik der investorengestützten MVZ in der Öffentlichkeit und der Zusicherung entsprechende Begren-zungen in die Gesetzgebung einzupflegen, ist im aktuellen Entwurf des GVSG von einer Einschrän-kung der iMVZ keine Rede. Ein investorenbetriebenes iMVZ hat zur Aufgabe, Profite für den Inves-tor zu generieren, wie sich immer wieder zeigt sind diese nicht an einer Versorgung interessiert.

Notfallreform: nach dem das Konzept ohne ambulante Reputation erstellt wurde, wird sie dazu führen, dass durch fehlgesteuerte Patienten Ressourcen verschwendet werden. Das Personal in den Kliniken ist schon nicht in der Lage ihr stationäres Patientengut zu behandeln („abgemeldete“ Kliniken) – sie sollten nicht noch mit Aufgaben betraut werden, für die sie nicht ausgebildet sind. Und auf die Idee, dass wir Hausärztinnen und Hausärzte die Behandlungen in den Kliniken als 24/7 Dienst übernehmen sollen, ist schon ignorant!

Ob ein Großteil der Hausärztinnen und Hausärzte nun den Kopf in den Sand steckt nach dem Motto „Die Rente kommt bald.“ oder wegen der vielen Arbeit keine Zeit und Nerven für diese Themen hat, weiß ich nicht. Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir für die hausärztliche Versorgung kämpfen, denn irgendwer soll uns und unsere Angehörigen auch in Zukunft unabhängig medizi-nisch betreuen können. Ich möchte, dass wir weder virtuell durch Konzerne wie Amazon noch wie im amerikanischen System von Konzerninteressen abhängige Ärztinnen und Ärzten oder künstliche Intelligenz versorgt werden.

Was können wir also tun, um die unermüdliche Lobbyarbeit unseres Vorstands auf Landes- und Bundesebene zu unterstützen? Schreiben Sie Ihre konkreten Anliegen / Sorgen an Ihren örtlichen Stimmkreisabgeordneten. Schreiben Sie an die Entscheidungsträger, insbesondere wenn sich der Kontakt bietet. Vielleicht sollten wir den überforderten Patienten die Telefonnummern der Partei-zentralen, der Bundestagsabgeordneten etc. zur Verfügung stellen? Ich würde mich sehr über Ihre Rückmeldung und weitere Ideen hierzu freuen.

Herzliche Grüße

Dr. Marc Metzmacher     Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!       Fax: 09831/610993

Delegierte:

 Dr. Markus Beier  (Erlangen)           Dr. Jürgen Büttner (Roth)         Jasper Durst (Wolframs-Eschenbach)
 Dr. Detlev Fuchs (Feuchtwangen) Dr. Annegret Hoffmann Leygue (Erlangen)   Dr. Manfred Kohler (Heilsbronn)
 Dr. Hans-Georg Kraetsch (Schwanstetten)   Dr. Anke Lemmer (Erlangen) Dr. Peter Löw (Treuchtlingen)
Dr. Thomas Ruppert (Erlangen) Dr. Ute Schaaf (Absberg) Dr. Hans Reiner Schweigert (Ansbach)
Dr. Martzin Seitz (Lauf) Dr. Simon Sitter (Feuchtwangen) Dr. Markus Vollmuth (Nürnberg)

Ersatzdelegierte:

Isabelle Altenburg (Ipsheim)   Dr. Hans-Jürgen Altenburg (Ipsheim)    David Gössler (Neustadt a.d. Aisch)
Dr. Felix Jede (Schwabach)      Jörg Pabst (Dentlein am Forst)    Dr. Hans-Erich Singer (Mitteleschenbach)

BEZIRKS-NEWSLETTER MITTELFRANKEN VOM 20.07.2023 ALS PDF
  

 

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