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„Das PJ-Tertial in der ländlichen Allgemeinmedizin hat meine Erwartungen weit übertroffen“

verfasst am 25. April 2025
Von Berlin in den Bayerischen Wald: Gefördert von der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband verbrachte Medizinstudent Philip Schenkenberger ein PJ-Tertial in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald – und kehrt bald zurück als Assistenzarzt.

Von Berlin in den Bayerischen Wald: Gefördert von der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband verbrachte Medizinstudent Philip Schenkenberger ein PJ-Tertial in der Gemeinschaftspraxis Bayerwald. Wie sehr ihn die drei Monate dort ihn so beeindruckt haben, zeigt sein Bericht.

Motivation für ein PJ-Tertial Allgemeinmedizin auf dem Land

Meine Entscheidung für ein PJ-Tertial in der Allgemeinmedizin auf dem Land war von dem Wunsch geprägt, die Vielseitigkeit der hausärztlichen Versorgung fernab urbaner Strukturen kennenzulernen. Während meines Medizinstudiums in Berlin habe ich überwiegend die städtische Gesundheitsversorgung kennengelernt, die sich bereits im hausärztlichen Bereich durch einen höheren Spezialisierungsgrad auszeichnet und aufgrund der hohen Ärztedichte auf relativ kleinem Raum deutlich facharzt-zentrierter organisiert ist. Neben absolvierten Praktika in Universitätskliniken wollte ich die Medizin erleben, wie sie im primärärztlichen Bereich praktiziert wird - mit langfristigen Arzt-Patienten-Beziehungen und einem breiten Spektrum an Krankheitsbildern. Besonders reizte mich die Möglichkeit, die Versorgungsrealität in einer ländlichen Region Bayerns zu erfahren und zu verstehen, die in einen gewissen Kontrast zur medizinischen Versorgung in Berlin steht.

Tätigkeitsbeschreibung und fachliche Eindrücke

Der Arbeitsalltag in der Gemeinschaftspraxis war geprägt von einer beeindruckenden Vielfalt an Krankheitsbildern. Von der Versorgung akuter Atemwegsinfekte während der Grippewelle bis hin zur Langzeitbetreuung chronisch Kranker durfte ich das gesamte Spektrum der hausärztlichen Tätigkeit kennenlernen. Besonders wertvoll war die Möglichkeit, zunehmend eigenständig Patienten zu betreuen - von der Anamnese über die körperliche Untersuchung bis zum Therapievorschlag.
Im Verlauf des Tertials kam ich auch auf Hausbesuche mit, führte Wundkontrollen und Wundversorgungen durch und durfte an der Durchführung und Interpretation von Sonographie und EKG zunehmend Sicherheit gewinnen.
Besonders beeindruckt hat mich die Ganzheitlichkeit der Versorgung: Hier wird nicht nur das akute Problem, sondern der gesamte Mensch mit seiner Krankengeschichte, seinem sozialen Umfeld und seinen Lebensumständen betrachtet. Diese Perspektive hat mein Verständnis von Medizin nachhaltig beeinflusst. Nachhaltig geprägt hat mich das Praktizieren evidenzbasierter Medizin sowie die Interpretation von Daten und Studien aus einer allgemeinmedizinischen Perspektive. Dazu trugen auch zahlreiche Fallbesprechungen und Fortbildungen bei.

Betreuung vor Ort

Die Betreuung durch das gesamte Praxisteam war wirklich gut. Trotz des oft hektischen Praxisalltags wurde sich von den Ärzten Zeit für regelmäßige Besprechungen und Feedback genommen. Ein deutliches Zeichen meines Fortschritts war die kontinuierlich abnehmende Frequenz an Korrekturen meiner diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen.
Besonders wertvoll waren die täglichen Nachbesprechungen komplexer Fälle. Das medizinische Fachangestellten-Team integrierte mich vollständig in den Praxisablauf. Wolfgang Blank achtete darauf, dass ich auch regelmäßig mit ihm zusammen praktizierte, damit er sich nach meinem Wohlergehen erkundigen konnte und ich mir Feedback einholen konnte.

Unterkunft

Die Wohnung, die ganz oben auf dem Kirchberg liegt, trug zu einer Wohlfühlatmosphäre, in Teilen auch Urlaubsatmosphäre bei: Gemütlich-rustikal eingerichtet, mit einer voll ausgestatteten Küche, einem geräumigen Wohnzimmer und einem großartigen Ausblick auf die umliegende Natur. Diesen Ausblick - morgens vor der Arbeit Sonnenaufgänge, später dann Sonnenuntergänge - werde ich noch lange in Erinnerung behalten. Da ich überwiegend in der Praxis in Kirchberg i. Wald arbeitete, konnte ich den Alltag meist ohne Auto bewältigen. Wenn ich in den anderen Bayerwald-Praxen zum Einsatz kam, durfte ich das Praxis-Auto fahren.

Land und Leute

Die Menschen in Niederbayern sind außerordentlich herzlich, was mir das Einleben erheblich erleichterte. Der Umgang miteinander ist von großer Freundlichkeit geprägt, alle kennen sich und es herrscht ein starker Zusammenhalt in der Gemeinschaft. In Berlin hatte ich oft den Eindruck, dass in Deutschland generell viel Zwietracht und Vorurteile vorherrschen. Hier habe ich jedoch das Gegenteil erfahren und wurde mit offenen Armen empfangen.

Die malerische Umgebung bot zahlreiche Möglichkeiten für Wanderungen und Outdoor-Aktivitäten. Als wanderbegeisterter Mensch ging es für mich mehrmals nach „Bayerisch Kanada“, zu den Isarauen, in den Nationalpark „Bayerischer Wald“ und auf den Geißkopf, den Arber, den Lusen, den Rachel und den Königsstein. Die – verglichen mit Berlin – relative Nähe zu Regensburg, München, Bamberg, Nürnberg und sogar Wien ermöglichte vielfältige Wochenendausflüge.

Mein Fazit

Das PJ-Tertial in der ländlichen Allgemeinmedizin hat meine Erwartungen weit übertroffen. Die Kombination aus fachlicher Breite, zunehmender Eigenverantwortung und persönlichem Patientenkontakt hat mein Interesse an der hausärztlichen Tätigkeit nachhaltig gestärkt. Der Einblick in die Versorgungsrealität auf dem Land hat mir die Bedeutung der wohnortnahen medizinischen Grundversorgung eindrücklich vor Augen geführt.
Die Erfahrung, wie sehr die Landbevölkerung ihren Hausarzt als Vertrauensperson und erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen schätzt, war berührend und motivierend zugleich. DiesesTertial hat nicht nur meine medizinischen Kenntnisse erweitert, sondern auch mein Verständnis für die sozialen und kulturellen Dimensionen ärztlichen Handelns vertieft.
Für Kommilitonen, die eine abwechslungsreiche, praxisnahe und persönlich bereichernde PJ-Station suchen, kann ich ein Tertial in der Allgemeinmedizin im Bayerwald uneingeschränkt empfehlen. Am deutlichsten zeigt sich meine Begeisterung wohl darin, dass ich meine Assistenzarztausbildung aller Voraussicht nach in den Praxen des Bayerischen Waldes beginnen werde – ein Schritt, der für mich zuvor unvorstellbar gewesen wäre.

 

 

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