PCM in der Praxis: Mehr Sprechzeiten für Patienten und Entlastung für Ärzte
Frau Marschner, wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch den PCM-Abschluss verändert?
Marschner: Die Aufgabenverteilung hat sich verändert, ich arbeite jetzt intensiver am Patienten. So übernehme ich jetzt beispielsweise die Infektionssprechstunde, untersuche dabei die Patienten, kann die Diagnose einordnen und eine Therapieempfehlung geben sowie bei Bedarf eine weiterführende Diagnostik anordnen. Natürlich spreche ich mich mit Dr. Wienert oder Dr. Eder regelmäßig ab, aber ich entscheide eigenständig, ob ich beispielsweise einen Patienten zur Blutabnahme schicke oder zum EKG.
Gibt es auch Veränderungen im administrativen Bereich?
Dr. Wienert: Frau Marschner übernimmt inzwischen komplett alle Versicherungsanfragen, Rentenanträge, Reha-Anträge. Externe Anfragen beantwortet sie jetzt mehr oder weniger unabhängig. Die Anträge werden besprochen und erst dann von uns Ärzten nur unterschrieben, wir können uns darauf verlassen, wenn Frau Marschner sagt: Schauen Sie da bitte nochmal drüber.
Marschner: Außerdem bin ich jetzt mehr fürs Controlling mit zuständig. Hinzugekommen ist auch die Biographiearbeit. Das war ein großes Thema im Studium, dass man sich die Patientenakte anschaut und für die Ärzte wichtige Details zusammenträgt, sodass sie auf einen Blick sehen, bei welchen Gebietsfacharzt der Patient wann war, der vor ihnen sitzt, und welche Diagnose er dort erhalten hat.
Dr. Wienert: Es hilft mir als Arzt, wenn Frau Marschner im konkreten Fall nachsehen kann, ob beispielsweise schon mal ein CT, eine Schilddrüsenszintigraphie oder eine Untersuchung auf bestimmte Antikörper gemacht wurde. Im Prinzip arbeitet sie bei Bedarf auf, welche Untersuchungen bereits stattgefunden haben, und macht Vorschläge was noch zu tun ist. Daraus ergeben sich zwei Vorteile, die PCM vertieft ihre Kenntnisse und ich spare Zeit bei der Recherche.
Sind dadurch für Sie als Arzt Freiräume entstanden? Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?
Dr. Wienert: Wir konnten dank Frau Marschner die Reduzierung unseres Sprechstundenangebots in gewisser Weise rückgängig machen. Wir sind zwei Ärzte in der Praxis und haben uns so aufgeteilt, dass immer einer die Termin-Sprechstunde macht, der andere die offene Sprechstunde. Da die Dienstagnachmittage schwer von den MFA zu besetzen waren, haben wir die Terminsprechstunde am Dienstagnachmittag gestrichen und nur noch die offene Sprechstunde angeboten, die abwechselnd einer von uns beiden übernommen hat. Jetzt haben wir Frau Marschners Arbeitszeit aufgestockt, und sie hält am Dienstagnachmittag eine PCM-Sprechstunde und übernimmt in Teilen die ursprüngliche Terminsprechstunde. Sie sieht dann Patienten des Arztes, der gerade die offene Sprechstunde hält, damit sie bei Bedarf rückfragen kann.
Marschner: Das hat den Vorteil bei Rückfragen, das der jeweilige Arzt da ist, der den Patienten auch am besten kennt.
Heißt das für die Patientinnen und Patienten, dass jetzt mehr Sprechzeit zur Verfügung steht?
Dr. Wienert: Letzten Endes ist das so. Vorher war ein Arzt zwei Arztstunden nicht da. Am Mittwochvormittag auch: Da war immer nur einer von uns in der Sprechstunde, damit der andere sich um Organisatorisches kümmern kann. Jetzt hat Frau Marschner parallel Sprechstundenzeit was mich entlastet.
Wie kommt es bei den Patienten an, wenn sie statt vom Arzt von Ihnen, Frau Marschner, betreut werden?
Marschner: Das wird sehr gut angenommen. Wir haben die Patienten aber auch schon während meines Studiums darauf vorbereitet und sie aufgeklärt, dass ich studiere und mehr Aufgaben übernehmen werde, beispielsweise Infekte erstmal anschaue, bevor ein Arzt draufschaut. Ich habe bisher immer positive Rückmeldung bekommen, gerade weil der Arzt kurz dazukommt und wir das Ergebnis besprechen. Die Patienten fühlen sich dann noch mehr gesehen.
Dr. Wienert: Das ist ganz wichtig, dass wir klar mit den Patienten kommunizieren, wenn Frau Marschner als PCM sie für bestimmte Untersuchungen und Fragestellungen übernimmt. Die Patienten müssen wissen, was sie erwartet, dass ich dazu komme, wenn etwas unklar ist, dass es aber auch sein kann, dass ich das gar nicht muss. Wenn man eine PCM-Sprechstunde anbietet, muss man sich gut überlegen, wie man die Patienten so darauf vorbereitet, dass sie sich weiter gut aufgehoben fühlen.
Wie nimmt das Team Ihre neue Stellung an, Frau Marschner?
Marschner: Nach meinem Eindruck wird meine Rolle im Team sehr positiv aufgenommen. Meine Kolleginnen schätzen es, dass sie mir auch Patienten übergeben können und dass ich flexibel in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden kann. Schließlich bin ich weiterhin an der Anmeldung tätig, arbeite im Labor und Büro – im Grunde beherrsche ich alle Abläufe in der Arztpraxis, was dem Team insgesamt zugutekommt.
Eine offene und klare Kommunikation ist dabei sehr wichtig, insbesondere um mögliche Bedenken zu zerstreuen. Es geht nicht darum, Anweisungen zu erteilen, sondern gemeinsam die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass meine Kolleginnen verstehen, dass ich durch mein Studium erweiterte Kompetenzen erworben habe, die mir zusätzliche Befugnisse ermöglichen. Wenn ich beispielsweise darauf hinweise, dass ein EKG notwendig ist, dann geschieht das auf Grundlage meines fachlichen Wissens.
Diese Veränderungen sind jedoch nicht plötzlich eingetreten, sondern wurden während meines Studiums mit dem Team gemeinsam erarbeitet. Meine Kolleginnen waren frühzeitig eingebunden und sich der bevorstehenden Entwicklungen bewusst, was den Übergang erleichtert hat. Insgesamt erlebe ich eine konstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit.
Wie wichtig ist die Akademisierung der MFA langfristig für die Versorgung, auch vor dem Hintergrund des Teampraxis-Modells HÄPPI?
Dr. Wienert: Sehr wichtig. Gerade für eine Praxis unserer Größe ist eine PCM aus meiner Sicht eine großartige Chance, Kapazitäten freizuschaufeln, die wir anders nutzen können. Wir kommen als Ärzte ja auch oft unter Druck, weil die Krankheitsfälle mittlerweile so komplex und intensiv in der Betreuung sind. Da kann uns Frau Marschner auch nicht vollständig helfen, aber sie kann uns die leichteren Fälle abnehmen. Das ist es ja auch, worauf HÄPPI abzielt.
Wenn Frau Marschner mehr und komplexere Aufgaben übernimmt, muss sich das auch in ihrem Gehalt widerspiegeln. Sehen Sie darin für die Wirtschaftlichkeit der Praxis ein Problem?
Dr. Wíenert: Ich gehe davon aus, dass sich die Mehrkosten für das Gehalt einer PCM langfristig amortisieren. Wenn man sich auf Neues einlässt, muss man immer erst mal bereit sein zu investieren – zeitlich, inhaltlich und auch finanziell – um danach einen Benefit für alle zu haben, und den sehen wir ja bereits. Wie sich dieser wirtschaftlich darstellen lässt und wir Ressourcen so nutzen, dass wir einen finanziellen Ausgleich schaffen, dazu haben wir uns schon Gedanken gemacht. Letztlich ist es eine Aufgabe der Kostenträger, die Vergütung zu stellen. Die Versorgung wird durch qualifiziertes Personal leistungsstärker und flexibler, um auf die Anforderungen durch den demografischen Wandel reagieren zu können.
Das PCM-Studium vermittelt Kenntnisse, die nicht nur in der Hausarztpraxis gefragt sind. Müssen Praxis-Chefs fürchten, dass sich ihre PCM nach abgeschlossenem Studium anderswo umschaut oder bindet das Studium die PCM eher an die Praxis?
Marschner: Ein Studium eröffnet natürlich neue Perspektiven. Doch eine berufliche Veränderung wird meist nur dann in Betracht gezogen, wenn die erworbenen Kenntnisse in der Praxis nicht genutzt werden können. Ist es hingegen möglich, das Wissen aktiv einzubringen und die PCM sinnvoll in den Praxisalltag einzubauen – so wie bei mir – sehe ich diese Gefahr nicht. Ich schätze ja besonders die eingespielte Zusammenarbeit mit meinem Team und das Vertrauen der Patienten, was mir Sicherheit gibt. Ein Wechsel in eine andere Praxis würde hingegen eine Einarbeitungszeit erfordern, in der neue Strukturen aufgebaut und Vertrauen erst gewonnen werden müsste.
Dr. Wienert: Wenn sich eine Mitarbeiterin weiter entwickeln will, dann unterstütze ich das.
In zweiter Linie muss dann überlegt werden, welchen Sinn macht das für die Mitarbeiterin und wie können wir einen Benefit für das Team und die Praxis generieren. Dazu sind strukturelle, personelle und natürlich auch wirtschaftliche Aspekte unter einen Hut zu bringen, was schon eine gewisse Phantasie und Flexibilität aller Beteiligten erfordert.
Ich denke, man muss versuchen, Bedingungen zu schaffen, die für uns sinnvoll sind und für Frau Marschner attraktiv. Dabei geht es nicht nur ums Geld, was wir, glaube ich, ganz ordentlich geregelt haben. Mir ist aber vor allen Dingen wichtig, dass das Arbeitsumfeld ein angenehmes ist.
Frau Marschner, würden Sie den PCM-Studiengang weiterempfehlen?
Marschner: Absolut! Eine Weiterentwicklung von der MFA zur VERAH und schließlich zum Studium eröffnet wertvolle berufliche Perspektiven und bringt viele neue Kompetenzen mit sich. Daher vertreten wir PCM auch den FOM-Stand bei der Industrieausstellung des Bayerischen Hausärztetags und gern auf weiteren Kongressen. Besonders geschätzt wurde dabei die Möglichkeit, direkt von PCM aus erster Hand Einblicke in den Studienverlauf zu erhalten.
Mein Eindruck ist, dass das Interesse an dieser Qualifikation außerordentlich hoch ist. Die Gespräche haben gezeigt, wie wichtig authentische Erfahrungsberichte sind, um potenzielle Interessierte zu informieren und zu motivieren.