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Wanderausstellung "Systemerkrankung. Arzt und Patient im Nationalsozialismus" macht Station in München

verfasst am 03. Juli 2025
Fallbeispiele von Tätern und Opfern erinnern an die Schreckensherrschaft der Nazis und machen deutlich: „Hinter jedem dieser Schicksale steckte System“, wie die Vorsitzende der KVB-Vertreterversammlung Dr. Petra Reis-Berkowicz bei der Ausstellungseröffnung betonte.

Mit einer feierlichen Eröffnung im Beisein von Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, startete gestern Abend die Wanderausstellung "Systemerkrankung. Arzt und Patient im Nationalsozialismus" in den Räumen der KVB in der Elsenheimer Straße 39. Anhand von Einzelschicksalen und Interviews mit Zeitzeugen macht sie die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und die Rolle, die Ärztinnen und Ärzte sowie die verfasste Ärzteschaft dabei spielten, erfahrbar. Sie zeigt, wie sich eine menschenverachtende Ideologie auf Einzelne auswirkte – auf Mediziner und Ärztefunktionäre, die sich in ihren Dienst stellten, auf ihre Patientinnen und Patienten, die Konzepten wie der „eugenischen Auslese“ zum Opfer fielen, aber auch auf diejenigen, die sich entgegenstellten und alles riskierten.

„Hinter jedem dieser Schicksale steckte System“, betonte Dr. Petra Reis-Berkowicz, Vorsitzende der KVB-Vertreterversammlung und stellvertretende Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, die in ihrem Grußwort auf die Entstehung und das Konzept der Ausstellung einging. "Menschenverachtende Ideologie gepaart mit bürokratischer Gründlichkeit und pervertiertem Agieren von Ärztinnen und Ärzten. Die nicht-jüdische Ärzteschaft Deutschlands hat große Schuld auf sich geladen, indem sie sich an der Entrechtung und Vertreibung ihrer jüdischen Kollegen beteiligte, sie aktiv forcierte und davon profitierte", sagte sie und wies darauf hin, dass die Greueltaten nicht im Verborgenen geschahen: "Jeder, der ärztliche Publikationsmedien oder überhaupt nur Zeitungen las, konnte es wissen."

Beschäftigung mit der Geschichte gegen den Rechtsruck

Gleichzeitig hob sie die aktuelle Bedeutung der Ausstellung hervor angesichts eines international zu beobachtenden Rechtsrucks im Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger, die offenkundig „zunehmend die Hemmungen vor rechtsradikalem Gedankengut verlieren“. Dem müsse man die aktuelle Beschäftigung mit der Geschichte entgegensetzen.

Das sieht auch Bayerns Gesundheits-, Pflege- und Präventionsministerin Judith Gerlach so, die nicht persönlich zur Ausstellungseröffnung kommen konnte und sich deshalb mit einer Video-Botschaft an die Besucher wendete: „Die Gräuel des Nationalsozialismus wirken bis heute nach“, sagte sie. Darauf hinzuweisen, ihre Entstehung bis ins Detail aufzuarbeiten sei wichtig. „Wenn wir verstehen wollen, wie es zum Dritten Reich mit all seinen Auswirkungen kommen konnte, müssen wir die Mechanismen und Abläufe an jeder einzelnen Stelle kennen. Studierende der Medizin sowie Ärztinnen und Ärzte sollten sich deshalb mit der Ausstellung beschäftigen“, findet die Ministerin. „Das Geschehene können wir nicht ungeschehen machen. Aber wir können dafür sorgen, dass die Erinnerung daran niemals verblasst.“

„Wir müssen aufpassen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt“

Neben Ärztinnen und Ärzten waren auch Vertreterinnen und Vertreter der Medizinfachschaften an bayerischen Universitäten zur Ausstellungseröffnung gekommen. „Es ist superspannend, was für ein Feld sich hier noch einmal eröffnet und welche Aktualität das Thema heute leider wieder hat, “, gab Julian Jeroschewski (LMU) seine Eindrücke wieder. Es sei erschreckend, wie Effekte und Mechanismen heute genauso gefährlich seien wie damals und vielleicht wieder so funktionieren könnten. „Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir das aufarbeiten, den Realitätsbezug sehen und reflektieren können, damit wir darüber klar und deutlich informieren können“, stimmt ihm Ariane Berner (Universität Augsburg) zu. „Wir müssen aufpassen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt“, ergänzt Niklas Alt (LMU).

"Schauen, dass nichts in Vergessenheit gerät“

Davor warnt auch der KVB-Vorstandsvorsitzende Dr. Christian Pfeiffer, der ebenfalls „dunkle Parallelen zur damaligen Zeit in der Gegenwart“ beobachtet. „Wir freuen uns natürlich, dass die Wanderausstellung jetzt hier ist und für die nächsten drei Wochen der Öffentlichkeit zur Verfügung steht“, sagt er. Ganz besonders freut ihn, dass zur Ausstellungseröffnung auch Medizinstudierende gekommen sind. „Sie sind die Multiplikatoren in eine Generation, die noch weiter von der Zeit des Nationalsozialismus entfernt ist und noch weniger davon mitbekommen hat als meine Generation“, sagt er. „Im Endeffekt müssen wir schauen, dass nichts in Vergessenheit gerät.“

Die KVB präsentiert vom 7. bis 25. Juli 2025 in München (Elsenheimerstraße 39) die KBV-Wanderausstellung "Systemerkrankung. Arzt und Patient im Nationalsozialismus" der Öffentlichkeit. Der Eintritt ist frei und die Ausstellung kann montags bis freitags zwischen 9:00 und 17:00 Uhr besucht werden. 
Gezeigt werden Geschichten von Ärztinnen und Ärzten, aber auch Schicksale von Patientinnen und Patienten während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in Deutschland.