Verein Hausärzte Erlangen und Umgebung: Erfolgreiches Netzwerk seit 30 Jahren
Der Verein Hausärzte Erlangen und Umgebung e.V. hat Anfang Juli sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Im Interview geht der Co-Vorsitzende Thomas Wunderlich auf Highlights in der Vereinsgeschichte ein und sagt, wo er Prioritäten für die Vereinsaktivitäten in den kommenden Jahren sieht.
Herr Wunderlich, was sind aus Ihrer Sicht die Highlights in der nun 30-jährigen Geschichte des Vereins Hausärzte Erlangen und Umgebung?
Thomas Wunderlich: Die beiden ersten großen Erfolge unseres Vereins wurden vor meiner Zeit erzielt – ich bin seit 2002 in Erlangen niedergelassen und seit 2004 im Verein. Das erste große Highlight in der Vereinsgeschichte ist die Gründung der Notfallpraxis in Erlangen – meines Wissens die erste in Bayern. Da wurde seitens des Vereins schon frühzeitig ein Bedarf entdeckt und eine Lösung gefunden. Die Notfallpraxis bewährt sich bis heute und ist sicher eine der ganz wenigen, wenn nicht die einzige in Bayern, die von einem Verein und nicht der KV betrieben wird und in der die Hausärztinnen und Hausärzte ihre Einsätze untereinander selbst organisieren.
Das zweite Vereins-Highlight vor meiner Vereinsmitgliedschaft ist das Hausärztekolleg, das sich nun auch schon seit mehr als 20 Jahren bewährt. Träger ist ein eigener Verein mit rund 90 Mitgliedern, der aus dem Verein Hausärzte Erlangen und Umgebung heraus gegründet wurde und pharmaneutrale Fortbildungen mit Referentinnen und Referenten aus der Region bietet. Gebietsärztliche Kolleginnen und Kollegen referieren aus ihren jeweiligen Bereichen für Hausärztinnen und Hausärzte, und auch Qualitätszirkel laufen über das Hausärztekolleg. Damit können wir hier vor Ort alle Fortbildungen anbieten, die Teilnahmevoraussetzung für die Hausarztzentrierte Versorgung, die HZV sind.
Gab es weitere wichtige Errungenschaften, die Sie persönlich mitgestaltet haben?
Thomas Winderlich: Ab 2007 wurde die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) ein Schwerpunkt unserer Vereinsarbeit, ein sehr wichtiges Projekt. Damals war Dr. Markus Beier Vereinsvorsitzender, und ich war als Schatzmeister im Vorstand. 2010 gründete der Verein Hausärzte Erlangen und Umgebung dann mit dem Hospizverein vor Ort die Palliativa gGmbH. Damit konnten wir in Erlangen die bundesweit erste SAPV anbieten, die nicht in Klinikhand war. Zum Palliativ-Team gehören fest acht bis zehn Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Palliativversorgung.
Sehr engagiert haben wir uns als Verein bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in der Flüchtlingskrise 2015 und auch 2022 mit Beginn des Ukrainekriegs. Wir haben im Verein die Erstversorgung der rund 200 ukrainischen Flüchtlinge gestemmt, die in einer Turnhalle hier untergebracht waren, und abwechselnd zwei bis drei Mal pro Woche Sprechstunden angeboten.
Ein wichtiges erreichtes Ziel war auch die Einrichtung des bayernweit ersten regulären Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. Dafür hat sich hier auf lokaler Ebene der damalige Vereinsvorsitzende Dr. Jürgen Binder sehr eingesetzt.
Welche Themen und Ziele stehen aktuell auf der Vereins-Agenda?
Thomas Wunderlich: Derzeit organisieren wir regelmäßig Treffen mit den gebietsärztlichen Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Zu Themen wie Terminservice-Gesetz und Hausarztvermittlungsfall gibt es unterschiedliche Sichtweisen, die auch zu Reibereien geführt haben. Wir möchten im Austausch gegenseitiges Verständnis fördern mit dem Ziel, weiter gut und kollegial zusammenarbeiten zu können.
Ein weiteres Ziel, das wir ins Auge gefasst haben, ist die Gründung eines Weiterbildungsverbunds Allgemeinmedizin in Erlangen, um den angehenden Hausärztinnen und Hausärzten eine gut organisierte Weiterbildung hier vor Ort anbieten zu können. Aber da stehen wir noch ganz am Anfang.
Was bringt es Ihnen persönlich, sich neben der Arbeit in der Praxis im Hausärzteverein hier zu engagieren?
Thomas Wunderlich: Ich hab mich schon immer als Teamplayer gesehen, und mir war bei meiner Niederlassung auch klar, dass Vernetzung entlasten kann, und dass es viel Energie kostet, alles alleine zu stemmen. Wenn man sich mit anderen zusammentut und jeder seine Stärken einbringt, entstehen Synergien für alle. Und dann ist es natürlich auch schön, sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen zu können, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie man selbst, und man auch mal über Dinge reden kann, die frustrieren und belasten. Also kurz gesagt: Aus meiner Mitgliedschaft im Verein Hausärzte Erlangen und Umgebung ziehe ich mentale Stärke und Synergie-Effekte.
Sie sind auch Mitglied im Bayerischen Hausärzteverband. Wie unterscheiden sich die Zielrichtungen beider Organisationen in Ihren Augen?
Thomas Wunderlich: Der Bayerischen Hausärzteverband steht für mich in erster Linie für berufspolitisches Engagement, während im Verein die lokale Vernetzung und Zusammenarbeit im Vordergrund steht. Von der großen Politik bekommen wir aber auch hier im Verein einiges mit, da der aktuelle Co-Bundesvorsitzende Dr. Markus Beier aus unserer Mitte kommt und wir auch immer Bezirksdelegierte des Bayerischen Hausärzteverbands unter unseren Mitgliedern hatten, aktuell Dr. Anke Lemmer. Auch mit der Lokalpolitik und dem Lehrstuhl für Allgemeinmedizin sind wir gut vernetzt: Ein Vereinskollege ist im Seniorenbeirat der Stadt Erlangen, und der Lehrstuhlinhaber für Allgemeinmedizin an der FAU Prof. Dr. Thomas Kühlein ist auch Mitglied bei uns.