Start-up Allgemeinmedizin: Wege zum Berufsziel Hausärztin/Hausarzt
In der Talkrunde zu Beginn der Veranstaltung wurde deutlich: So vielfältig wie die Fachrichtung Allgemeinmedizin selbst sind auch die Wege, die in den Hausarztberuf führen.
Das machte schon das launige Grußwort der beiden Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Thomas Kühlein (Erlangen) und Prof. Dr. Bettina Engel deutlich, in dem beide ihre vielfältigen Interessen und die Vielseitigkeit des von Ihnen gewählten Berufs zum Ausdruck brachten. „Ich glaube, das widerspiegelt gut die Mentalität von uns Hausärztinnen und Hausärzten“, kommentierte der Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes Dr. Wolfgang Ritter. „Wir sind ein eher unkomplizierter Menschenschlag, der das Leben und die Menschen mag. Was uns ausmacht, ist die Gemeinschaft“.
„So will ich auch Medizin machen“
Die direkte und unkomplizierte Art, mit der Hausärztinnen und Hausärzte die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten meistern, gehört zu den Aspekten, die für Dr. Sandra Wildner den Einstieg in die hausärztliche Versorgung attraktiv machte. Während ihrer Assistenzarzt-Zeit am Universitätsklinikum in Erlangen fand sie es „nicht so schön, wie da immer mit Studien um sich geworfen wurde“, erzählt sie auf der Bühne im Erlanger E-Werk. Ein Akkupunkturkurs für Hausärztinnen und Hausärzte wurde für sie zum Schlüsselerlebnis: „Das Publikum war so nett, das hat mit gefallen“, erinnert sie sich. Vor allem der Austausch der Seminar-Teilnehmenden über ihren Praxisalltag, wie dort Fälle gelöst wurden, brachte sie zu dem Schluss: „So will ich auch Medizin machen“. Inzwischen ist sie Teilhaberin einer Hausarztpraxis in Erlangen, in der sie zuvor als angestellte Ärztin gearbeitet hat. „Selbstständig meinen Arbeitsalltag zu gestalten, find ich jetzt mit fast 50 sehr angenehm, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich es gemacht habe“.
„Landarztquote die Chance auf meinen Lebenstraum“
Bis zur eigenen Praxis haben die anderen Teilnehmerinnen an der Podiumsdiskussion noch ein Stück Weg vor sich. Noch ziemlich am Anfang steht die Medizinstudentin Annkatrin Hellmann. Sie gehört zum ersten Jahrgang der Medizinstudierenden in Bayern, die ihren Studienplatz über die Landarztquote bekommen haben. „Für mich ist die Landarztquote die Chance auf meinen Lebenstraum gewesen“, sagt sie. Vorurteile, mit einer weniger guten Abi-Note über die neue Quote ins Studium gekommen zu sein, habe es anfangs schon gegeben, erinnert sie sich. „Aber die konnten wir gut ausräumen, weil wir gezeigt haben: Wir können auch lernen.“
PJ-Tertial mit eigenem Arztzimmer
Kurz vor dem dritten Staatsexamen steht Kathrin Schöffel, die Ende 2024 ihr PJ-Tertial Allgemeinmedizin in der Praxis von Dr. Natascha von Schau in Marktleugast im oberfränkischen Landkreis Kulmbach absolvierte. Das Lernen im Praktischen Jahr sei anders als zuvor im Studium, gibt Schöffel Einblicke, wie der Wissenszuwachs in der Praxis abläuft: „Am Anfang saß ich nebendran und hab geschaut, wie Natascha das so macht. Dann wird man ein bisschen ins seichte kalte Wasser geworfen“, berichtet sie. „Wenn man nicht weiterkommt, holt man sich halt Hilfe dazu. Lehre an sich findet statt, wenn man über Fälle geredet hat. Und dann merkt man auch die Begeisterung von dem Arzt selbst deutlich“, erzählt sie.
PJ-Studierende in der Praxis zu haben, ist für Dr. von Schau eine Win-Win-Situation: „Klar, ich will ihnen was beibringen, aber ganz oft lern ich was von ihnen – und ich lerne gern dazu“, sagt sie. Ihr Tipp an Kolleginnen und Kollegen, die sich in der Lehre engagieren wollen: „Wenn man junge Leute ausbilden will, ist es gut, ein eigenes, voll eingerichtetes Arztzimmer für die PJ-Studierenden zu haben, wo sie Patienten voruntersuchen und im Nachgang ihre Ergebnisse besprechen können.“ Dann könnten sich die Studierenden nah an dem fühlen, was sie später erwartet, und nicht nur als Anhängsel der Lehrärztin oder des Lehrarztes. Wichtig sei auch, sich Zeit für die PJler zu nehmen, appellierte sie an Kolleginnen und Kollegen. Dann könnten einem die Studierenden auch Arbeit abnehmen. „Da geh ich dann nur mal kurz drüber und schau, ob das so passt.“
Zum Thema Beruf und Familie kamen zwei Ärztinnen in Weiterbildung auf die Bühne, für deren Fachrichtungswahl die Familienfreundlichkeit der Allgemeinmedizin eine entscheidende Rolle gespielt hat: Pia Rutrecht, Mutter von drei Kindern, und Laura Wopperer, die ein Kind hat.
Weiterbildung mit Kind(ern) – das geht in der Allgemeinmedizin!
Nach dem Studium war sich Rutrecht nicht sicher, welche Richtung sie einschlagen sollte, und begann ihre Weiterbildung in der Inneren Medizin in Vollzeit. Sie bekam ihre ersten beiden Kinder und pausierte knapp drei Jahre, überlegte dann, welche Fachrichtung für sie vorstellbar ist und sich mit der Familie vereinbaren lässt. So setzte sie ihre Weiterbildung in einer Landarztpraxis in Teilzeit fort. Das sei gut planbar auch mit Kinderbetreuung, die sie sich mit ihrem Mann aufteilt. Inzwischen hat sie ein drittes Kind, und steht kurz vor dem Abschluss ihrer Weiterbildung.
„Was ich jetzt mache, könnte ich mein Leben lang machen“
Laura Wopperer hat ihr Kind im Studium bekommen, „das hat ganz viel vordefiniert und meine Prioritäten so verschoben, dass ich mir den direkten Weg in die Klinik nicht vorstellen konnte“, sagt sie. So startete sie ihre Weiterbildung Allgemeinmedizin in einer Hausarztpraxis. Ihr Beispiel zeigt: „Wenn man den richtigen Menschen an seiner Seite hat, kann man auch direkt nach dem Studium in der Praxis starten“. Ihre Weiterbildungszeit in der erster Hausarztpraxis nähert sich nun dem Ende, im Anschluss will Wopperer ihre Weiterbildung in einer zweiten Hausarztpraxis fortsetzen. „Ich habe das Gefühl, was ich jetzt mache, könnte ich mein Leben lang machen, weil es Spaß macht. Insofern denke ich, das ist mein Weg“, sagt sie.
Die hausärztliche Versorgung auf dem Land hat es auch Pia Rutrecht angetan: „Das ist total spannend“, schwärmt sie und hebt den guten Draht zu den Patientinnen und Patienten hervor.
Politisch aktiv in der Weiterbildung
Ebenfalls in Weiterbildung Allgemeinmedizin ist Sarah Wheeler. Als Mitglied im Forum Weiterbildung des Bayerischen Hausärzteverbandes stand mit ihr eine politisch motivierte angehende Hausärztin auf der Bühne. Sie stellte die Arbeit im Forum Weiterbildung vor, das die Interessen von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung vertritt. So arbeite man derzeit an einem Film, der über Anlaufstellen und Fördermöglichkeit informiert, habe sich bei der Überarbeitung des Kodex Gute Weiterbildung eingebracht. „Alle zwei Monate treffen wir uns online, mindestens einmal im Jahr zu persönlichen Workshops“, berichtet sie. Beim letzten Treffen in Nürnberg wurde auch ein Antrag für die Delegiertenversammlung am Bayerischen Hausärztetag vorbereitet, den die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes tags darauf verabschiedeten.
Forum Weiterbildung: „Brauchen Input der folgenden Generationen“
„Wir vom Vorstand sind auch superstolz auf euch“, erklärte Dr. Beate Reinhardt, zweite stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes. Gemeinsam mit Benjamin Haugg, der ebenfalls aktiv im Forum Weiterbildung des Bayerischen Hausärzteverbandes ist, führte Dr. Reinhardt durch den Abend. „Durch Input von den folgenden Generationen können wir lernen, das brauchen wir, um uns einzusetzen für euch, für uns“, stellte sie sie fest.
Unterstützung auf dem Weg in die Hausarztmedizin
Im zweiten Teil des Start-ups Allgemeinmedizin ging es dann um Förderungen und Programme, die auf dem Weg in die hausärztliche Versorgung genutzt werden können. Pia Brenneisen vom Referat 31 - Grundsatzangelegenheiten der Abteilung Gesundheitsrecht, ambulante Versorgung, Krankenversicherung im Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention stellte die Förderprogramme des Freistaats vor wie Landarztquote, Beste Landpartie oder Landarztprämie. Die Förderprogramme der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) beispielsweise zur Famulatur, zum PJ, zur Weiterbildung und zur Niederlassung sowie das Patenprogramm der KVB brachte Julia Tränker vom Referat Strategische Versorgungsstrukturen & Sicherstellung der KVB den Anwesenden näher. Dr. Charlotte Hoser, Leiterin der Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin (KoStA) und Prof. Dr. Marco Roos, Leiter des Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin Bayern (KWAB), sprachen über den Vorteil von Weiterbildungsverbünden und Angebote wie SemiWams und Train-the-Trainer. Dr. Oliver Abbushi vom Vorstand der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband ging auf die Fördermöglichkeiten durch die Stiftung ein.
Alle hatten ein offenes Ohr für Fragen aus dem Publikum und standen anschließend an Infoständen für persönliche Gespräche zur Verfügung - ein Angebot, das rege genutzt wurde.
Den Abschluss bildete wie gewohnt ein Get-Together mit Gesprächen und der Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, wie gewohnt bei gutem Essen und Getränken.
„Freu mich schon auf den nächsten Start-up Allgemeinmedizin“
„Es war ein großes Vergnügen, die Bühne gefüllt zu haben mit Studierenden, Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung, Niedergelassenen und unseren Beruf so nah hier an die Menschen zu bringen, die sich hoffentlich begeistern für die Hausarztmedizin“, zieht Moderatorin Dr. Beate Reinhardt ein positives Fazit. Auch Co-Moderator Benjamin Haugg wertet den Abend als Erfolg: „Es wurden viele wichtige Fragen aus dem Plenum gestellt, hier waren ganz viele enthusiastische Studierende, die den Weg in die Allgemeinmedizin gehen möchten, und schon auf dem Weg sind, gute Hausärztinnen und Hausärzte zu werden. Ich kann den Abend nur positiv bewerten und freu mich schon auf den nächsten 'Start-up Allgemeinmedizin' in Regensburg."