Beschlüsse der Delegiertenversammlung vom 19.04.2024

Im Rahmen dews Bayerischen Hausärztetages 2024 tagte die Delegiertenversammlung des Bayerischen Hausärzteverbandes am 19. April in Augsburg. Im einstimmig angenommenen Leitantrag Politik fassten die Delegierrten ihre Kernforderungen an die Politik zusammen. Ein weiterer, ebenfalls einstimmig angenommener Leitantrag galt dem Bekenntnis zu Demokratie, Freiheit, Toleranz und Vielfalt. Eine Beschlussübersicht.

Leitantrag Politik

Folgende Kernforderungen an die Politik beschloss die Delegiertenversammlung des Bayerischen Hausärzteverband vom 19.04.2024 einstimmig:

  • Förderung von Teampraxisstrukturen: Die kontinuierliche hausärztliche Versorgung der Patientinnen und Patienten in einem hauärztlichen Betreuteam muss durch die Förderung des freiwilligen Primärarztsystems im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) gestärkt werden. Angesichts des demographischen Wandels und der zunehmenden Herausforderungen wie eines fortschreitenden Fachkräftemangels sowohl in ärztlichen als auch in nichtärztlichen Berufen rückt die Notwendigkeit einer interprofessionellen Zusammenarbeit in Teamstrukturen immer stärker in den Fokus und muss auch politisch und finanziell stärker als bisher gefördert werden.

  • Ausgleich für gestiegene Personal- und Praxiskosten: Infolge der Pandemie und Inflation sind die Kosten in den hausärztlichen Praxen für Personal und Praxis überproportional angestiegen. Die gesetzlichen Krankenkassen und die Politik werden aufgefordert, die Grundlagen - wie im Krankenhaussektor - für den dringend erforderlichen finanziellen Ausgleich für die Hausarztpraxen zu schaffen.

  • Bewerbung der HZV: Die gesetzlichen Krankenkassen in Bayern werden aufgefordert, die Vorteile der Hausarztzentrierten Versorgung gegenüber den Versicherten der jeweiligen Kassen regelmäßig in ihren Mitgliederzeitschriften zu bewerben und die Bonifizierung der Teilnahme an der HZV nach Inkrafttreten der vorgesehenen gesetzlichen Regelung zu kommunizieren.

  • Abschaffung der HZV-Obergrenzen: Die gesetzlichen Krankenkassen in Bayern werden aufgefordert, mit dem Bayerischen Hausärzteverband unverzüglich in die Verhandlung über die Aufgabe / Anhebung der HZV-Honorar-Obergrenzen einzutreten. Im Zuge der vom Gesetzgeber vorgesehenen Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen im Rahmen der Regelversorgung ist dies die konsequente Forderung für den Bereich der Selektivverträge.

  • Keine investorenbetriebene MVZ (iMVZ) - Mehr Transparenz und Regulierung: Bereits auf der Delegiertenversammlung am 13.05.2022 haben die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes den Gesetzgeber aufgefordert, alle notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Wettbewerbsvorteile investorenbetriebene Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu reglementieren. Die Delegierten unterstreichen angesichts der weiteren Ausbreitung von iMVZ die Notwendigkeit einer Regulierung dieser Form von ärztlichen Zusammenschlüssen und mehr Transparenz bei der Vergabe von Zulassungen.

  • Ambulante gebietsfachärztliche Struktur im Rahmen der HZV: Eine hochwertige ambulante medizinische Versorgung der Bevölkerung beinhaltet neben der primären hausärztlichen Versorgung auch eine ambulante gebietsfachärztliche Struktur. Die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen im ambulanten Bereich führen nicht dazu, dass sowohl die ausreichende Verfügbarkeit von Praxen noch von kurzfristigen Terminen für die Patienten gesichert ist. Die verpflichtende Regelung im Rahmen der HZV, Leistungen der gebietsfachärztlichen Ebnen nur mit einer Überweisung des Hausarztes in Anspruch zu nehmen, muss sich in der gebietsfachärztlichen Honorierung widerspiegeln, sofern sich auch innerhalb dieses freiwillig gesteuerten Systems die gebietsfachärztliche Terminverfügbarkeit verbessert.

Leitantrag Toleranz

Ebenfalls einstimmig bekannten sich die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes zu Demokratie, Freiheit, Toleranz und Vielfalt und lehnten jede Form von Extremismus ab: „Radikalisierung, Hass, Hetze und Fremdenfeindlichkeit haben in unseren Praxen keinen Platz. Die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ist für uns nicht verhandelbar. Von extremistischen Kräften in unserer Gesellschaft distanzieren wir uns ausdrücklich. Wir werden es nicht zulassen, dass Spaltung und Ausgrenzung unsere Gesellschaft bestimmen. Angesichts der im Januar bekanntgewordenen Pläne rechtsextremistischer Kreis zur massenhaften Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund positionieren wir uns klar gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung“, heißt es im einstimmig beschlossenen Leitantrag Toleranz dazu.

Beschlüsse zu HZV und Teampraxis

Bewerbung der HZV ausbauen
Vor dem Hintergrund der aktuell von der Bundesregierung geplanten HZV-Bonus-Regelung bitten die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes den geschäftsführenden Vorstand, in Abstimmung mit der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (HÄVG AG) und dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) die Bewerbung der Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV-Verträge) sowohl in Richtung der Hausärztinnen und Hausärzte als auch der Patientinnen und Patienten weiter zu forcieren und entsprechende Maßnahmen vorzubereiten.

Notwendige Transformation im ambulanten Bereich – Gegenfinanzierung der Kosten
Angesichts des Transformationsprozesses, vor dem der hausärztliche Bereich steht und der vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband mit seinen Landesverbänden wie dem Bayerischen Hausärzteverband mit eigenen Konzepten engagiert begleitet wird, fordern die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes den Gesetzgeber und die Krankenkassen auf, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass die dadurch im ambulanten Bereich entstehenden zusätzlichen Kosten für die notwendige Professionalisierung des Praxispersonals und für die zunehmende Digitalisierung oder Kooperationen gegenfinanziert sind.

BSNR-HZV-Einschreibung
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes bitten den geschäftsführenden Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes, bei den kommenden HZV-Verhandlungen erneut die Forderung einzubringen, dass die Patienten-Einschreibung von der arztbezogenen (LANR-bezogen) Einschreibung umgestellt wird auf eine Einschreibung des Patienten in sein hausärztliches Betreuteam, was alle Standorte einer Hausarztpraxis umfasst.

Förderung Weiterbildung Primary Care Managerin (PCM)
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes unterstützen die Bemühungen des ge-schäftsführenden Vorstands des Bayerischen Hausärzteverbandes, den Studiengang zur akademisierten VERAH, neu: PCM – Primary Care Managerin, weiterhin zu fördern und dabei die Anstrengungen des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes bundesweit zu unterstützen. Den entsprechenden Antrag mit dem Appell an den Bundesvorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, ein umfassendes Konzept zum Berufsbild der PCM vorzulegen, hatten bayerische Delegierte zuvor erfolgreich in der Bundesdelegiertenversammlung am 13./14. April in Leipzig eingebracht.

Ausbildungsoffensive für MFA
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern die Bayerische Staatsregierung auf, gemeinsam mit dem Bayerischen Hausärzteverband (BHÄV), der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) sowie der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) noch im laufenden Jahr ein niedrigschwelliges Informationsangebot für den Ausbildungsberuf der Medizinischen Fachangestellten (MFA) ins Leben zu rufen. Vorbild soll dabei das Format der digitalen Elternabende „Pflegeausbildung“ sein, das Anfang April 2024 in Zusammenarbeit des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP), der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) und der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit gestartet ist.

Krankenhausreform

Geplante Ermächtigung von Krankenhäusern für den hausärztlichen Bereich
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern den Gesetzgeber auf, bei der anstehenden Krankenhausreform die gewachsenen hausärztlichen Strukturen nicht zu gefährden und die Ermächtigungen von Krankenhäusern für den hausärztlichen Bereich – wenn überhaupt - nur in unterversorgten Gebieten zeitlich begrenzt und abhängig vom Versorgungsgrad zuzulassen.

Honorierung kurzstationärer Nachbehandlung
In einem weiteren Beschluss bitten die Delegierten den geschäftsführenden Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes, sich für die Honorierung von Nachbehandlungen seitens der Hausarztpraxen einzusetzen und in der öffentlichkeitswirksamen Kommunikation den Versorgungsaufwand neben dem Alleinstellungsmerkmal der hausärztlichen Kernkompetenz, der Koordination, darzustellen. Hintergrund ist, dass die Eckpunkte der geplanten Krankenhausreform sowie die bereits bestehenden DRG-Anreize zur Durchführung von kurzstationären Behandlungen und die Förderung von ambulanten Operationen zwangsläufig zu einem höheren Nachbehandlungsaufwand führen. Die neu geschaffenen Hybrid- DRGs werden diesen Trend (vgl. Faktencheck) noch verschärfen.

Digitalisierung

TI-Pauschale
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes unterstützen vor dem Hintergrund der anhaltenden Störungen bei Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) die Forderung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes an den Gesetzgeber, die TI-Pauschale anpassen zu lassen und dabei die durch die Ausfälle verursachten finanziellen Schäden einzupreisen. Ferner darf bei der Neuverhandlung der Pauschalen für die Telematikinfrastruktur (TI) zum Quartal 2-2025 die Anpassung der Finanzierung nicht an die Erhöhung des Orientierungswertes gekoppelt bleiben, sondern muss sich nach den tatsächlichen Erhöhungen unter Beobachtung und Einbeziehung des aktuellen Marktgeschehens richten.

Keine parallele digitale Versorgungsebene
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes lehnen den Aufbau einer parallelen digitalen Versorgungsebene ab und fordern die gesetzlichen Krankenkassen auf, entsprechende Kooperationen zu beenden. Hintergrund ist, dass gesetzliche Krankenkassen als Kostenträger und Verwalter der Versichertengelder zunehmend Versicherte direkt in eine parallele digitale Versorgungsebene steuern, wie etwa das Beispiel der Kooperation der AOK Bayern mit der TeleClinic GmbH zeigt.

 

Anpassung Definition Arzt-Patienten-Kontakte
Die Delegierten bitten den geschäftsführenden Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes, sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen zunehmender digitaler und hybrider Inanspruchnahme von hausärztlichen Leistungen die Definition des Arzt-Patienten-Kontaktes (APK) den Erfordernissen angepasst wird.

Digitale Gesundheitsanwendungen
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern den Gesetzgeber auf, die gesetzli-chen Regelung zu den sogenannten Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in dem Sinne abzuändern, dass die Zulassung von Digitalen Gesundheitsanwendungen erst nach einem vollumfänglichen Nachweis einer wissenschaftlichen Evidenz entsprechend den strengen Zulassungskriterien von Arzneimitteln sowie zeitlich begrenzt erfolgen kann. Des Weiteren müssen die Erstattungsbeträge für DiGAs zum ersten Tag der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis verhandelt werden, wobei eine Erstattungsobergrenze von 150 Euro pro Quartal gelte und der Nutzen nachgewiesen sein müssen.

Beschlüsse zu weiteren Themen

Pandemie
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern die Bayerische Landesregierung auf, die hausärztlichen Expertise – sowohl auf Basis der Erfahrungen aus den Hausarztpraxen als auch aus wissenschaftlicher Sicht – bei der retrospektiven Betrachtung der Corona-Pandemie miteinzubeziehen und daher sowohl den Bayerischen Hausärzteverband als auch die Lehrstühle für Allgemeinmedizin in Bayern bei möglichen Expertenkommissionen zur Corona-Pandemie von Beginn an miteinzubeziehen.

Positionspapier Inklusive Medizin im Studium / in der Weiterbildung
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes unterstützen die Forderungen des Positionspapiers, das von der AG Inklusive Medizin des Bayerischen Hausärzteverbandes unter Leitung von Dr. Ute Schaaf erarbeitet und von den Mitglieder des Landesvorstands des Bayerischen Hausärzteverbandes im Rahmen ihrer Sitzung am 09.02.2024 verabschiedet wurde.

Medikation in Heimen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern

  • sowohl die örtlichen Heimaufsichten als auch den MDK Bayern auf, den Umgang mit Medikationen in Heimen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe ohne bürokratisch unsinnige und uneinheitliche Vorschriften zu ermöglichen;
  • die bayerische Staatsregierung auf, einheitliche Regelungen für die Vorgaben der Heimaufsicht hinsichtlich des Umgangs mit Medikation in Heimen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu erarbeiten und hierfür Merkblätter zu erstellen, in denen die Regelungen für alle verständlich erklärt werden. Mängelrügen an Heime betreffend medizinischer Versorgung, z.B. "ungültige Medikationsblätter", sollten transparent auch mit den versorgenden Ärzten kommuniziert werden.

Gebietsfacharzttermine
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes bitten den Geschäftsführenden Vorstand, gemeinsam mit dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Facharztverbände nach Lösungen zu suchen, um das Thema Facharzttermine für hausärztliche Patientinnen und Patienten zu lösen.

Nationale Versorgungsleitlinien- und Patienteninformations-Angebot aufrecht erhalten
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes unterstützen den einstimmigen Beschluss der Delegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbande am 12./13. April 2024 in Leipzig, wonach der Vorstand des HÄV beauftragt wird, auf die Träger des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) einzuwirken, dass die Angebote des ÄZQ und insbesondere die Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) erhalten und nahtlos fortgeführt werden. Dazu muss eine geeignete Anschlussstruktur, z.B. in Form einer Stiftung getragen von der Ärzteschaft und des GBA, bis zum 01.01.2025 geschaffen werden.

ZUSAMMENFASSUNG DER DELEGIERTENBESCHLÜSSE VOM 19.04.2024 ALS PDF

 

 

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