Appell: Erfahrungen aus der hausärztlichen Praxis bei politischen Entscheidungen berücksichtigen und Mitarbeit wertschätzen

 

Der Landesvorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes fordert, in der Corona-Pandemie klar zu kommunizieren und mit Irrtümern bezüglich der Impfungen aufzuräumen. Auch muss stärker auf die Expertise von Hausärztinnen und Hausärzte zurückgegriffen werden – unter anderem sollte der von der Bundesregierung installierte ExpertInnenrat zu COVID-19 umgehend um eine Vertreterin / einen Vertreter aus der hausärztlichen Praxis erweitert werden.

Ausgangssituation

Dieses Land, nicht nur die Politik, Medien und die Gesellschaft, ist gerade dabei, sein soziales Rückgrat zu verlieren. Ein Teil dieses Rückgrats sind unsere Praxen und deren Teams. Sie leisten seit Beginn der Pandemie Großes, aber seit Boostern und Omikron-Welle ist es eine tägliche Leistung über allen Maßen. Dies wird öffentlich nach wie vor nicht gesehen und wertgeschätzt. Es geht im öffentlichen Diskurs weiter sehr zentral um die (unbestreitbare) Überlastung der Kliniken und um das völlig absurde Projekt, jetzt auch noch Apotheken mitimpfen zu lassen. Es grenzt an surreale Verbohrtheit. Es sind Erzählungen, die uns wie Hohn vorkommen, wenn man die Situation in unseren Praxen betrachtet mit all den Menschen, die wir zusätzlich zu allem anderen täglich Testen und Impfen und durch ein Dickicht an Regelungen führen. Dazu kommt eine verfehlte Kommunikation der Politik, wie z. B. die völlig aus der Zeit gefallene Werbekampagne „Impfen hilft“ der Bundesregierung.

Wir in unseren Praxen haben die Impfung schon lange (mit eigenen Plakat-Aktionen) so beworben und die Patientinnen und Patienten zum Impfen beraten. Über 11 Millionen Impfungen alleine in Bayern wurden im ambulanten Sektor verabreicht. Die Zielgruppe, die durch diese Werbung angesprochen werden soll, ist ganz überwiegend schon lange durch uns Hausärztinnen und Hausärzte geimpft.

Es muss endlich Klartext gesprochen werden.

Ein Genesenen-Status alleine hilft gegen gar nichts! Warum wird dieser ohne Impfung überhaupt noch anerkannt? Dieser Status zieht einen Rattenschwanz an Testung und Bürokratie hinter sich her, der im Hinblick auf die Escape-Variante Omikron auch keinen Schutz vor den bisherigen Corona-Varianten bietet. Erwiesenermaßen ist das Vorliegen einer dreifachen Impfung (inkl. Boostern) essenziell zum Schutz vor einem schweren Verlauf einer COVID 19 Erkrankungen, auch wenn sie eine leichte Infektion mit der Omikron-Variante des Coronavirus nicht verhindern. Genau dieser Schutz bringt uns aber aus der Pandemie.

Drei Kommunikationshindernisse müssen umgehend beseitigt werden:

• Die Aussage „Ich muss mich nicht impfen lassen, denn Omikron macht einen leichten Verlauf.“ stimmt in dieser Einfachheit nicht! Es wird dabei vergessen, dass mit relativer Sicherheit dies nur für geboosterte Menschen gesagt werden kann. Auch unter der Vorherrschaft der Omikron-Variante bleibt COVID-19 eine Systemerkrankung.

• Die Aussage „Ich muss mich nicht impfen lassen, da es ja gut wirksame Tabletten gibt.“ Ist so nicht richtig! Dies ist eine gefährliche falsche Sicherheit. Ja, einige Risikopatienten werden sicher von den Möglichkeiten einer frühzeitigen ambulanten Therapie profitieren, aber die Wirkstärke der Therapien ist absolut nicht so hoch wie derzeit öffentlich gefühlt. Und Nebenwirkungen und Interaktionspotential können gravierend sein.

• Der Aussage „Ich lasse mich nicht Impfen, denn ich kenne einige positive Fälle, die teils auch dreifach geimpft sind.“ muss ebenso widersprochen werden. Ja, insbesondere für Omikron braucht es noch zusätzlich eine gute Schleimhautimmunität. Eine Erkrankung mit Omikron ohne vorherige Impfung bedeutet Russisch Roulette spielen. Der Schutz durch die Corona-Impfungen für den Gesamtkörper ist enorm.

Wir erwarten Unterstützung der Hausarztpraxen beim Impfen, eine Anerkennung für unsere Praxen und eine nachhaltige Kommunikationsstrategie auf Bundes- und Landesebene und keine Pseudo-
Containment-Strategie auf unserem Rücken. So fordert der Bayerische Hausärzteverband seit langem eine stärkere Einbindung hausärztlicher Expertise und die Berücksichtigung der Erfahrungen und Belastungen der Praxisteams bei der Vorbereitung und Durchsetzung politischer Entscheidungen rund um die Bewältigung der Corona-Pandemie auf Bundes- und Landesebene. Obwohl während der gesamten Pandemie bislang über 90% der Corona-Patientinnen und -Patienten nachweislich ambulant versorgt werden und die Praxen als ambulanter Schutzwall somit die Krankenhäuser entlasten, wird der ambulante Sektor in der öffentlichen Wahrnehmung und in der politischen Diskussion weiterhin oft vergessen und die Belange unserer Praxisteams nicht ausreichend berücksichtigt.

Der MFA-Bonus wäre ein Zeichen öffentlicher Wertschätzung der fantastischen Arbeit unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzten. Der Bayerische Hausärzteverband wird sich weiter aktiv in die Vorbereitung politischer Entscheidungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie einbringen, fordert Bundes- und Landesregierungen gleichsam auf, folgende Punkte dabei sicherzustellen:

Klare und moderne Kommunikation unabdingbar

Die Tätigkeit in den hausärztlichen Praxen und infolgedessen auch die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten leidet seit nunmehr über zwei Jahren an einer fehlenden klaren und nachhaltigen Kommunikation der politisch Verantwortlichen in der Corona-Pandemie. Bei allem Verständnis für die - angesichts oftmals auch kurzfristig wechselnder pandemischer Entwicklungen – schwierige Situation ist es unabdingbar, klar und verlässlich zu kommunizieren. Bundes- und Landesregierungen sind daher aufgefordert, hier zu einer entsprechenden gemeinsamen Kommunikationsstrategie zu kommen. Dabei muss auf moderne Kommunikationsmittel und -wege zurückgegriffen werden.

Kommunikationsstrategie nur unter Einbindung der hausärztlichen Expertise

Diese Kommunikationsstrategie ist unter Beteiligung von Hausärztinnen und Hausärzten zu erstellen und muss zwischen Bundes- und Landesebene abgestimmt sein. Es darf nicht mehr vorkommen, dass wir aufgrund von öffentlichen Verlautbarungen in den Praxen (Beispiel „Booster-Impfungen“) mit nicht erfüllbaren Anliegen von Patientinnen und Patienten quasi „überrannt“ werden. Dies demotiviert unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, führt zu unnötigem Aufwand in unseren Praxen und fehlender Zeit in der medizinischen Behandlung und Betreuung unserer Patientinnen und Patienten.

ExpertInnenrat um praktischen hausärztlichen Sachverstand erweitern

Der von der Bundesregierung installierte ExpertInnenrat der Bundesregierung zu COVID-19 muss umgehend um eine Vertreterin / einen Vertreter aus der hausärztlichen Praxis erweitert werden. Es ist zwingend erforderlich, dass die Erfahrungen aus dem ambulanten Bereich dort direkt in die Vorbereitungvon Entscheidungen einfließen können.

Aktive Mitarbeit wertschätzen

Der Bayerische Hausärzteverband ist bereit, die Erfahrungen seiner Mitglieder und deren Praxisteams aus der tagtäglichen praktischen Arbeit in den Praxen, die direkten Erfahrungen mit den Patientinnen und Patienten im Umgang mit der Corona-Pandemie sowie seine medizinische Expertise weiterhin konstruktiv und aktiv in die politischen Beratungen und die Vorbereitung von Entscheidungen auf den unterschiedlichsten Ebenen einzubringen. Diesem Engagement muss aber auch die entsprechende Wertschätzung entgegengebracht werden. Es fällt zunehmend schwer, engagierte Bürgerinnen und Bürger zu finden und für ein verbandspolitisches Engagement zu gewinnen. Die fehlende Wertschätzung verbandspolitischen Engagements im aktuellen Pandemie-Management wird diese Entwicklung weiter verstärken.

Keine (kostenlose) Übernahme von Tätigkeiten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes durch Hausarztpraxen

Hausärztinnen und Hausärzte bewältigen in der aktuellen Pandemie zusammen mit ihren Praxisteams – neben ihren „üblichen“ medizinischen Aufgaben – vielfältige Zusatzaufgaben. Dabei sind sich gerade die Hausarztpraxen ihrer Verantwortung sehr bewusst und beteiligen sich etwa in einem überwältigen Umfang und mit vielfältigen Aktionen an den notwendigen COVID 19-Impfungen und Testungen. In der jetzigen pandemischen Phase, wo das Infektionsgeschehen nicht mehr genau abgebildet werden kann und der öffentliche Gesundheitsdienst mit der Kontaktaufnahme zu den Infizierten und Kontaktpersonen überfordert ist, weiterhin an einer Teststrategie festzuhalten, die meist nur den Grund der Erstellung eines Genesenen-Zertifikates hat, ist von den Praxen kaum noch zu stemmen.

Zusätzlich führen die vielen positiven Befunde zu massivem Nachfragen der Patienten bezüglich Quarantäne / Isolation, da die Gesundheitsämter vielfach nicht zu erreichen sind. Hausarztpraxen sind aber nicht der Ort, Verwaltungsaufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu übernehmen und diese neben der bereits aufwändigen Betreuung und Behandlung von Patientinnen und Patienten zu leisten. Verwaltungsaufgaben im Rahmen der Pandemie sind ausschließlich Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Sollten einzelne Aufgaben auf die Hausarztpraxen abgewälzt werden, muss dies mit den Hausarztverbänden und Körperschaften besprochen, einheitlich geregelt und ausreichend finanziell honoriert werden.

 

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