7,32 Euro für die Beratung zur Organspende: „Ich halte den Betrag für viel zu niedrig“

 
Dr. Jakob Berger
Stephan Pilsinger (CSU)

Der CSU-Bundestagsabgeordnete und Arzt in Weiterbildung Stephan Pilsinger aus München gehört zu den Initiatoren des Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende das am 1. März in Kraft tritt. Im Interview geht er auf Details der Neuregelung ein, zu der die Beratung durch den Hausarzt gehört. Er erklärt, warum er die vorgesehene Vergütung für nicht angemessen hält und wieso er gegen eine Widerspruchslösung war.

Herr Pilsinger, was ändert sich mit dem Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende?

Pilsinger: Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird – wegen der Corona-Krise wohl erst Ende dieses Jahres – ein Online-Register eingerichtet, damit rechtssicher und schnell Klarheit darüber besteht, ob ein soeben verstorbener Patient Organspender ist. Und in jedem Krankenhaus, das über eine Intensivstation verfügt, gibt es jetzt einen Transplantationsbeauftragten, der für diese Tätigkeit freigestellt wird. Außerdem stärken wir die Aufklärung: Wer zum Beispiel seinen Pass oder Personalausweis verlängert, bekommt zukünftig Aufklärungsmaterial mit einem Organspendeausweis ausgehändigt. Und bei den Erste-Hilfe-Kursen zum Erwerb eines Führerscheins wird Grundwissen zur Organ- und Gewebespende vermittelt. Die wichtigste Rolle kommt aber den Hausärztinnen und Hausärzten zu. Alle zwei Jahre können sich Patienten bei ihrem Hausarzt über die Organ- und Gewebespende beraten lassen. Natürlich ergebnisoffen. Niemand wird zu irgendeiner Entscheidung gedrängt.

Den Hausärztinnen und Hausärzten übernehmen demnach auch beim Thema Organspende Verantwortung. Wie ist die Honorierung geregelt?

Pilsinger: Die neue EBM-Ziffer sieht 7,32 Euro vor, aber ich halte diesen Betrag für viel zu niedrig. Dies entspricht fünf Minuten Beratung, was bei diesem diffizilen Thema bei weitem nicht ausreichend ist. Hinzu kommt, dass das Ergebnis der Beratung des Patienten auch in das Online-Register eingetragen werden muss. Dies ist ein weiterer Aufwand für die Hausarztpraxen, der natürlich angemessen zu vergüten ist. Wenn diese Leistung im EBM nur fakultativ aufgeführt ist, wird die Eintragung schlussendlich in vielen Fällen faktisch nicht vorgenommen.

Sie haben deshalb bereits beim Bundesgesundheitsministerium interveniert. Mit welchem Ergebnis?

Pilsinger: Das Bundesgesundheitsministerium hat mir bislang ausweichend geantwortet und sich auf die Position zurückgezogen, man sei nur Rechtsaufsicht über den Bewertungsausschuss. Ich bin der Meinung, dass man es sich gerade in dieser Frage im Ministerium nicht so leicht machen darf. Ich werde deshalb nicht lockerlassen.

Sie praktizieren selbst in einer Hausarztpraxis. Wie aufwendig ist es, einen Patienten zum Thema Organspende zu beraten?

Pilsinger: Natürlich variiert das von Patient zu Patient, aber ich würde es mit einem ausführlichen Gespräch vergleichen, wie es eine Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände nach der EBM-Ziffer 35100 vorsieht. Demnach halte ich 21,74 Euro für angemessen.

Ein anderer Gesetzesentwurf hatte vorgesehen, dass jeder, der einer postmortalen Organentnahme nicht widerspricht, automatisch als Spender gilt. Wäre diese sogenannte Widerspruchslösung nicht ein unbürokratischer Weg gewesen?

Pilsinger: Ich bin der festen Überzeugung, dass nichts sagen keine Zustimmung ist. Aus meiner Praxis kenne ich genügend Patienten, die sich aufgrund von psychischen Problemen nicht mit ihrem eigenen Lebensende befassen können. Diese Menschen kann man nicht einfach von Staatswegen zu Organspendern machen. Die Organspende muss immer eine bewusste Entscheidung sein. Neben Ja oder Nein gibt es nach der jetzigen Regelung auch ein Recht auf Nichtentscheidung. Das haben wir zu respektieren.

Die Befürworter hatten immer wieder das Beispiel Spanien angeführt, wo es die Widerspruchslösung gibt. Und wo weitaus mehr Menschen als Organspender zur Verfügung stehen.

Pilsinger: Ich hatte dieses Narrativ im Vorfeld der Organspendedebatte vor über zwei Jahren vom Wissenschaftlichen Dienst prüfen lassen. Das Ergebnis ist eindeutig. Die Einführung der Widerspruchslösung hat in keinem Land zu höheren Organspendezahlen geführt. Entscheidend sind viel mehr strukturelle Probleme, warum wir in Deutschland vergleichsweise geringe Organspendezahlen haben. Unser neues Gesetz beinhaltet deshalb zahlreiche Maßnahmen, um die Strukturen zu verbessern.

 

 

 

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