Zukunftsprobleme lösen - auf die Erfahrung der Hausärzte hören

Dr. Jakob Berger
 Online-Pressekonferenz im Vorfeld des Bayerischen Hausärztetags.

Im Vorfeld des Bayerischen Hausärztetages, der von Freitag, 13. bis Samstag 14. Mai, in Erlangen stattfindet, fordert der Bayerische Hausärzteverband die Politik auf, die Erfahrungen der Hausärztinnen und Hausärzte besser zu nutzen, um gemeinsam die Zukunftsprobleme zu lösen. „Wir sehen immer wieder, dass am grünen Tisch Entscheidungen getroffen werden, die in der Praxis nicht umsetzbar sind, oder die die nachhaltige Versorgungssicherheit gefährden.

Leidtragende sind nicht nur die Praxen, sondern auch die Patienten“, erklären Dr. Markus Beier, Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, und Dr. Petra Reis-Berkowicz, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Bayerischen Hausärzteverbandes sowie Vorsitzende der Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.

„Investoren haben Gesundheit der Menschen als Renditechance entdeckt“

Mit profitgetriebenen Privat-Equity-Gesellschaften, fehlerhafter Digitalisierung und zunehmenden Nachwuchsmangel gäbe es gleich drei große Themenfelder, die die Zukunft der flächendeckenden

Dr. Markus Beier: „Privat-Equity-Investoren haben die Gesundheit der Menschen als Renditechance entdeckt und missbrauchen hierfür das Instrument MVZ. Wir müssen verhindern, dass Gesundheit eine Frage des Geldbeutels wird.“ Bereits jetzt gäbe es ganze Medizin-Fachgebiete, die von Investoren dominiert werden. So arbeitet bereits etwa ein Fünftel aller ambulant tätigen Augenärzte in Praxen, die Investoren gehören. Deren Renditeerwartungen liegen bei rund 20 Prozent.

Dr. Beier: „Wenn wir es zulassen, dass Privat-Equity-Investoren in großem Stil Hausarztpraxen aufkaufen, wird dies verheerende Auswirkungen auf die Versorgung haben. Besonders jene Patienten, die auf dem Land leben und auf ihre Hausarztpraxis in der Nähe sowie den persönlichen Kontakt zu ihrem Hausarzt angewiesen sind, werden dann die großen Verlierer sein. Wir fordern die Politik deshalb auf, endlich unsere Warnungen ernst zu nehmen. Medizinische Versorgungszentren müssen immer in ärztlicher Hand sein und dürfen bestimmte Größen nicht überschreiten. Wir brauchen keine Konzern-Medizin, die den Investoren maximale Rendite garantiert.“

Ärger um Digitalisierung

Auch beim Thema Digitalisierung fordern Bayerns Hausärztinnen und Hausärzte die Politik auf, besser zuzuhören. Erst im vergangenen Winter hatte Dr. Petra Reis-Berkowicz eine erfolgreiche Petition an den Bundestag initiiert, die innerhalb von nur vier Wochen von über 50.000 Bürgern unterstützt wurde. Ziel war es zu verhindern, dass die Praxen nicht ausgereifte Software zwangsweise einführen müssen. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hatte postwendend reagiert und die ursprünglich für den 1. Januar 2022 vorgesehene Einführung des eRezeptes verschoben.

„Wir sind nicht gegen die Digitalisierung. Im Gegenteil, wir können uns sehr viele Anwendungen vorstellen, bei denen Patienten und Praxen von der neuen Technik profitieren. Aber es muss klar sein, dass weder wir Ärzte noch unsere Patienten als unfreiwillige Beta-Tester von der Softwarebranche missbraucht werden dürfen. Wir verlangen, dass Hard- und Software fertig entwickelt und in richtigen Belastungstests eingehend geprüft worden ist. Jede digitale Anwendung muss zeigen, dass sie einen echten Mehrwert für die Praxen und die Patienten bietet“, so Dr. Petra Reis-Berkowicz.

Dass das Problem auch nach der erfolgreichen Petition akut weiter ist, belegt der Ärger über die Konnektoren, die eine sichere Übermittlung von Patientendaten garantieren sollen. Nachdem es der Industrie in den vergangenen fünf Jahren nicht gelungen ist, die Hardware – wie ursprünglich zugesagt – durch eine Softwarelösung zu ersetzen, müssen die Konnektoren ab Mitte des Jahres ausgetauscht werden, was zu hohen Kosten und viel Ärger führen dürfte. „Diese Umstellung darf nicht zu Lasten von uns Hausärztinnen und Hausärzten erfolgen“, stellt Dr. Reis-Berkowicz klar.

Nachwuchsmangel als großes Zukunftsproblem

Ein großes Zukunftsproblem ist weiterhin der Nachwuchsmangel, auch wenn es erste Lichtblicke gibt. „Wir begrüßen jeden neuen Medizin-Studienplatz und die für die Nachwuchsgewinnung wichtigen Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den Fakultäten“, erklärt Dr. Markus Beier. Dass auch die noch junge Medizin-Fakultät an der Universität Augsburg einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet hat, sei ein positives Signal, so Beier. Umso unverständlicher sei es, dass die Universität Regensburg weiter das Schlusslicht bildet und es hier noch keine Bestrebungen gibt, die für die Versorgung elementare Allgemeinmedizin zu fördern.

Dr. Beier: „Wir weisen seit Jahren daraufhin, dass wichtige Entscheidungen der Politik endlich umgesetzt werden müssen, zum Beispiel die Neustrukturierung des Medizinstudiums mit dem Masterplan 2020. Mit der Strategie ,Augen zu und durch‘ wird es der Politik nicht gelingen, diese langfristigen Herausforderungen zu meistern.“

„Der MFA-Mangel wirkt sich bereits im Praxisalltag aus“

Mittlerweile fehlen in den Praxen aber nicht nur junge Hausärztinnen und Hausärzte, sondern auch Medizinische Fachangestellte. „In der Coronapandemie hat die Politik mit ihrer anhaltenden fehlenden Wertschätzung der Praxisteams das Fass zum Überlaufen gebracht“, erklärt Dr. Beier. Mit der einseitigen Förderung der Kliniken würden die Praxen als zuverlässige und attraktive Arbeitgeber ins Hintertreffen geraten. „Der MFA-Mangel wirkt sich bereits jetzt im Praxisalltag aus“, ergänzt Dr. Reis-Berkowicz und berichtet, dass immer mehr Praxen ihre Sprechstundenzeiten einschränken müssten. „Die Praxen müssen wieder in der Lage sein, den Medizinischen Fachangestellten Löhne zu zahlen, die mit denen in Krankenhäusern vergleichbar sind. Wenn die Politik uns hier nicht schnell unterstützt, wird sich die Spirale sehr schnell nach unten drehen“, warnt Dr. Beier.

Bayerischer Hausärztetag: „Hausarztmedizin im Zentrum – persönlich bleiben, digital werden“

Welche Maßnahmen im Detail notwendig sind, um die hausarztzentrierte Versorgung in Stadt und Land nachhaltig zu sichern, darüber beraten Bayerns Hausärztinnen und Hausärzte auf dem Bayerischen Hausärztetag, der unter dem Motto „Hausarztmedizin im Zentrum – persönlich bleiben, digital werden“ von Freitag, 13. bis Samstag, 14. Mai in der Heinrich-Lades-Halle in Erlangen stattfindet. Als Gesprächspartner zugesagt hat Bayerns Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, der mit den Hausärztinnen und Hausärzten über die drängendsten Probleme in der Mitgliederversammlung diskutieren wird.

Der Bayerische Hausärztetag bildet gleichzeitig die Auftaktveranstaltung für die Wahl zur Vertreter-versammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, die im Herbst ansteht. Der Bayerische Hausärzteverband wird – wie bei den vergangenen KV-Wahlen – erneut mit einer eigenen Hausarztliste antreten.

Zum Bayerischen Hausärztetag

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