81. Bayerischer Ärztetag: Was Präsident Dr. Gerald Quitterer Gesundheitsminister Klaus Holetschek mit auf den Weg gibt

„Wir brauchen 6000 zusätzliche Medizin-Studienplätze in Deutschland“: Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, warnte vor den dramatischen Folgen eines Ärztemangels. 

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BLÄK-Präsident Dr. Gerald Quitterer und Bayerns
Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek

Dass ein Gesundheitsminister auf einem Ärztetag mehr als nur höflichen Applaus bekommt, ist keine Selbstverständlichkeit. Insofern ist es durchaus bemerkenswert, dass Klaus Holetschek, Bayerns Staatsminister für Gesundheit und Pflege, auf dem 81. Bayerischen Ärztetag viel Zustimmung erfahren hat.

Holetschek war direkt vom Staatstrauerakt für die verstorbene ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm von Würzburg nach Regensburg angereist. Eine Videobotschaft habe er nicht machen wollen, sagte der Minister, weil er persönlich Danke sagen wollte: „Ohne Sie wären wir in der Pandemie nie so weit und gut durchkommen“, lobte Holetschek Bayerns Ärztinnen und Ärzte.

Zustimmung für Holetscheks gesundheitspolitischen Aussagen

Weiteren Applaus erntete der Minister für seine gesundheitspolitischen Aussagen. So wiederholte Holetschek seine Forderung an die Bundesregierung, das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zu korrigieren und die Neupatientenregelung beizubehalten.

Glasklar war auch Holetscheks Haltung gegen investorengesteuerte MVZ: „Wir wollen, dass der Arzt als Beruf weiter im Zentrum steht.“ Mittlerweile dränge die Zeit, weil solche iMVZ nach einer Gründung Bestandsschutz hätten und nicht einfach wieder aufgelöst werden könnten. „Wenn der Bund nicht in die Puschen kommt“, so Holetschek, werde Bayern eine entsprechende Bundesratsinitiative starten.

Auch das Thema Bürokratie will der Minister angehen und forderte einen „Quantensprung“ beim Abbau unsinniger Regulierungen. Konkret bezeichnete Holetschek den verpflichtenden Konnektoren-Wechsel, der derzeit in vielen Arztpraxen für Kosten und Ärger sorgt, als „unsinnige Maßnahme“, für die es andere Lösungen geben müsste.

BLÄK-Präsident Dr. Gerald Quitterer fordert 6000 zusätzliche Medizin-Studienplätze

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Dr. Gerald Quitterer

Der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Dr. Gerald Quitterer, nutzte als Gastgeber die Gelegenheit, um dem Minister vor allem eine wichtige Forderung mitzugeben, die auch bei der anschließenden Arbeitstagung von den Delegierten per Resolution unterstützt wurde: „Wir brauchen 6000 zusätzliche Medizin-Studienplätze in Deutschland“, sagte Dr. Quitterer und warnte vor den dramatischen Folgen eines Ärztemangels. So habe sich in Oberbayern bereits ein Krankenhaus wegen krankheitsbedingter Personalausfälle von der Versorgung abmelden müssen. Ähnliche Probleme, so Quitterer, gäbe es auch im ambulanten Bereich: „Wir sind genötigt, unsere Praxen zu schließen, weil wir keine Nachfolger haben, nicht nur hier in der Oberpfalz.“

Ein reibungslos funktionierendes Gesundheitswesen und eine adäquate Patientenversorgung seien wesentliche Eckpfeiler eines Staates, mahnte auch Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg, in ihrem Grußwort und forderte: „Dieses Fundament bereitzustellen und zu unterhalten, ist Aufgabe der Politik, die auch im Hinblick auf die medizinische Versorgung grundlegend umdenken muss, um sich zukunftsfähig zu machen. Medizin muss wieder viel deutlicher den Menschen in den Fokus nehmen als bisher.“

Klimawandel als medizinische Herausforderung

Welche Herausforderungen insbesondere der Klimawandel mit sich bringt, thematisierte Professorin Dr. Claudia Traidl-Hoffmann in ihrem Impulsreferat. Die Direktorin der Hochschulambulanz für Umweltmedizin am Universitätsklinikum Augsburg schilderte unter anderem, dass nicht nur Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Schwäche betroffen sind, sondern dass auch Allergien und Tropenkrankheiten zunehmen werden.

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Professorin Dr. Claudia Traidl-Hoffmann

Wohl auch wegen dieser mahnenden Worte begrüßte der 81. Bayerische Ärztetag am ersten Tagungstag die Planung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) für die verpflichtende Einführung von Hitzeaktionsplänen in Bayern. In Anbetracht des Klimawandels mit extremen Hitzeperioden forderten die Delegierten deren verpflichtende Einführung noch vor dem nächsten Sommer. Da die erforderlichen Investitionen in die Infrastruktur zur Reduktion der Durchschnittstemperatur in Innenstädten derzeit einen Hinderungsgrund für die schnelle Umsetzung dieser Hitzeaktionspläne darstellen, sollten Maßnahmen, die ohne große Investitionen realisiert werden können, umgesetzt werden. Dazu gehörten zum Beispiel die Erstellung von Alarmplänen bei Hitzeperioden mit Ergreifen entsprechender Maßnahmen für Krankenhäuser, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen, Kindergärten und Schulen, die Information über kühle Aufenthaltsmöglichkeiten für vulnerable Gruppen, die Schaffung von Trinkbrunnen in den Innenstädten und ein Verbot schulischer Sportveranstaltungen im Freien bei Überschreiten von festgelegten Temperaturen.

Das Ärzteparlament forderte erneut und eindringlich den Gesetzgeber auf, „endlich die Energievergeudung und Gesundheitsgefährdung auf deutschen Straßen durch Einführung von Tempolimits zu verringern“. Die direkten und indirekten gesundheitlichen Gefahren des Straßenverkehrs seien hinlänglich bekannt.

Die weiteren Beschlüsse des 81. Bayerischen Ärztetages

  • Unterstützung der Ukraine

Der 81. BÄT unterstützt die im Rahmen der 73. Generalversammlung des Weltärztebundes (WMA) in Berlin verabschiedete Resolution über humanitäre und medizinische Hilfe für die Ukraine vom 10. Oktober 2022.

  • Kein Verbot der Ex-Post Triage

Die Delegierten forderten den Gesetzgeber auf, vom Verbot einer Ex-Post Triage abzusehen. Mit dem Verbot der Ex-Post Triage sollen Menschen vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderungen im Falle nicht ausreichender Behandlungskapazitäten geschützt werden. Dieser Schutz vor Benachteiligung ergebe sich aber bereits aus der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte sowie aus dem Genfer Gelöbnis. Aufgrund des Gleichheitsgebots müssen alle Patienten mit einem vergleichbaren medizinischen Behandlungsbedarf gleichberechtigten Zugang zu Intensivressourcen haben. Die aktuelle Überlebenswahrscheinlichkeit lasse sich jedoch oft erst nach einem intensivmedizinischen Behandlungsversuch verlässlicher abschätzen. Bei einem Verbot der Ex-Post Triage werden alle Patienten, auch diejenigen mit einer hohen Überlebenswahrscheinlichkeit, allein aufgrund ihres zeitlich späteren Eintreffens in der Klinik benachteiligt. Es müsse daher ohne Rechtsfolgen möglich sein, Therapieziele dem jeweiligen Krankheitsverlauf anzupassen und zu ändern, was durch die angedachte gesetzliche Regelung verhindert werde.

  • Neupatientenregelung und Energiezulage

Der 81. BÄT unterstützt die Proteste der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte gegen die von der Bundesregierung beabsichtigte Streichung der Neupatientenregelung sowie gegen das Ergebnis der Honorarverhandlungen von zwei Prozent in Anbetracht einer Inflation von knapp zehn Prozent und rapide steigender Energiekosten. Alle ärztlichen Leistungen müssten mit festen und angemessenen Preisen vergütet werden. Bei unzureichender Reaktion der Politik und der Kassen sollten die Proteste fortgesetzt werden, da sonst die Wirtschaftlichkeit der Praxen und damit die ambulante medizinische Versorgung der Menschen gefährdet sei. Die Delegierten unterstützen auch die Forderung der Bundesärztekammer nach einer steuerfinanzierten Energie-zulage für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Form eines gestaffelten Zuschusses auf Grundlage der Gas- und Stromrechnungen aus dem Vorjahr. Eine gesicherte und adäquate Finanzierung der vertrags-ärztlichen Vergütung sei zu gewährleisten.

  • European Health Data Space

Der 81. BÄT forderte die Bundesregierung und die Bayerische Staats-regierung auf, sich intensiv mit dem seit Mai 2022 vorliegenden Verordnungsentwurf der EU-Kommission über den „Europäischen Raum für Gesundheitsdaten“ (European Health Data Space, EHDS) zu befassen und dafür einzusetzen, dass der EHDS nicht zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in Deutschland führe und etablierte Datenschutzstandards zu Lasten des Einzelnen abgesenkt werden. Dabei seien insbesondere folgende Forderungen zu berücksichtigen:

    • Keine Verwendung gesundheitsbezogener Daten für Gesundheitsforschung und -politik (sogenannte Sekundärnutzung von Daten) ohne Widerspruchsrecht der betroffenen Person.
    • Risiken der ReIdentifizierung bei Sekundärnutzung müssen ausgeschlossen werden.
    • Keine Genehmigungsfiktion der Datenfreigabe zur Sekundärnutzung elektronischer Gesundheitsdaten nach Fristablauf.
    • Datenlieferungspflichten für Ärztinnen und Ärzte rechtssicher gestalten und angemessen vergüten.
    • Keine Absenkung hoher Datenschutzstandards und Wahrung der Patientenrechte.
    • Die im Gesundheitsbereich geltende Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten muss - zu Gunsten der Mitgliedstaaten - gewahrt werden.
    • Angebote an grenzüberschreitenden, telemedizinischen Dienstleitungen dürfen nicht zu Qualitätsverlusten in der Behandlung führen.

  • Mehr Studienplätze

Der 81. BÄT lehnte die zunehmende Förderung des Studiengangs „Physician Assistant“(PA) ab und forderte die umgehende Schaffung von mindestens 6.000 neuen Studienplätzen für Humanmedizin. Die in Deutschland existierenden Studiengänge zum PA seien von unterschiedlichen Schwerpunkten geprägt und wiesen keine einheitliche Studien- und Ausbildungsziele auf. Es würden damit während des Studiums universitäre Kapazitäten vereinnahmt, die dringend an den medizinischen Fakultäten gebraucht werden. Weiter bestehe die Gefahr, dass junge Ärztinnen und Ärzte in ihrer Weiterbildung in Kliniken mit PAs konkurrieren müssen und Weiterbildungsplätze wegfallen. Die medizinische Versorgung in Bayern könne nur durch eine Steigerung der Anzahl von Medizin-Studienplätzen aufrechterhalten werden.

  • Stopp von unkoordinierten Krankenhausstrukturveränderungen

Die Delegierten des 81. BÄT forderten die Bayerische Staatsregierung auf, eine bedarfsorientierte Krankenhausplanung aufzustellen. Deren Umsetzung erfordere mutige und gegebenenfalls auch politisch unpopuläre Entscheidungen. „Die Mindestmengen-Regelungen führen zu unkoordinierten Krankenhausstrukturveränderungen, die eine bedarfsorientierte Krankenhausplanung nicht ersetzen“, so der Wortlaut des Beschlusses. Die Umsetzung von Mindestmengen-Regelungen dürfe nicht zur Verschlechterung der Patientenversorgung führen. Bevor Häuser von der Leistungserbringung ausgeschlossen würden, müsse die Behandlungskapazität an den verbleibenden Krankenhäusern entsprechend sichergestellt werden.

  • Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat die Notwendigkeit der neuen GOÄ erkannt und für redlich befunden. Der 81. BÄT forderte den Gesetzgeber deshalb auf, die neue GOÄ nach Abschluss des Konsentierungsverfahrens zwischen Bundesärztekammer (BÄK) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung umgehend zu beschließen. Sollte der Verordnungsgeber die „GOÄneu“ nicht bis zum 31.12.2022 in Kraft setzen, forderten die Delegierten die BÄK auf, die Ärzteschaft zur GOÄ über die rechtskonforme Möglichkeit der Anwendung besonderer Honorarvereinbarungen (sogenannte Abdingung) mit höheren Steigerungsfaktoren als dem 2,3-fachen Regelsteigerungssatz nachhaltig zu informieren.

  • Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

Die Delegierten unterstützen den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 22./23. Juni 2022 zu MVZ, in dem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gebeten wird, in geeigneter Weise im Bereich des Berufsrechts Regelungen zu treffen, die sicherstellen, Fremdinvestoren mit ausschließlichen Kapitalinteressen von der Grün-dung und dem Betrieb zahnärztlicher MVZ auszuschließen, und forderte das BMG auf, solche Regelungen im Bereich des Berufsrechts auch analog für ärztliche MVZ zu treffen und in der Bundesärzteordnung zu verankern.

  • Förderung der Qualifikation Medizinischer Fachangestellten

Die Delegierten forderten die Bayerische Staatsregierung sowie die Bundesregierung auf, berufsbegleitende Studiengänge und Qualifikationsmöglichkeiten für Medizinische Fachangestellte (MFA) weiter aus-zubauen und zu fördern. Um auch zukünftig eine hochwertige, haus- und fachärztliche Versorgung sicherzustellen, sei hervorragend ausgebildetes medizinisches Fachpersonal und eine adäquate Finanzierung unverzichtbar. Dabei müssten die Steigerung der Qualifikationen und die Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten mit einer angepassten Vergütung einhergehen.

 

 

 

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