Einstimmiger Widerstand gegen Lauterbachs Angriff auf die niedergelassene Ärzteschaft

Stephan Pilsinger
Dr. Petra Reis-Berkowicz leitete die vertreterversammlung der KVB
als deren Vorsitzende.

Einstimmig hat die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns unter Leitung der Hausärztin Dr. Petra Reis-Berkowicz vergangenen Samstag in München eine Resolution gegen die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach forcierte Verschlechterung der Notfall- und Akutversorgung verabschiedet. Eingebracht worden war der Entschlussantrag von Dr. Wolfgang Ritter, Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes.

Notfallversorgungskonzept bedroht KVB-Bereitschaftsdienst

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte im vergangenen Jahr eine Regierungskommission als Expertengremium installiert, die ausschließlich mit Vertretern aus dem stationären Bereich besetzt ist. Diese Regierungskommission hat jetzt ein Konzept erarbeitet, das sogenannte Integrierte Notfallzentren und Integrierte Leitstellen vorsieht – was das Aus für den KV-Bereitschaftsdienst in seiner jetzigen Form bedeuten würde. So soll ein Integriertes Notfallzentrum „aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notfallpraxis sowie einem Tresen als zentrale Entscheidungsstelle bestehen“, schreibt die Regierungskommission in ihrem Konzept und erklärt, dass die Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen, also der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, „verpflichtend“ sei.

"Maßnahmen verhindern, die den Praxen schaden und der Patientenversorgung nichts nutzen"

Bereits zum Auftakt der VV hatte der neue KVB-Vorstandsvorsitzende und Hausarzt Dr. Christian Pfeiffer die geplante Änderung der Notfallversorgung kritisiert und erklärt, man müsse alles daran setzen, schon frühzeitig zu intervenieren, „um Maßnahmen zu verhindern, die den Praxen schaden und der wirklichen Patientenversorgung nichts nutzen“.

Dr. Pfeiffer: „Es ist nicht einfach mit einem Gesundheitsminister, der seine Politik ohne die Mitsprache von Betroffenen macht. Denn auch uns Ärztevertreter zählt er zu den unwillkommenen ,Lobbyisten‘. Wohin eine derart naive Strategie führen kann, zeigt eindrucksvoll der Vorschlag der Regierungskommission zur Notfallreform. So viele realitätsferne Vorschläge aufgrund fehlenden Wissens über die derzeitigen Strukturen in unserem Gesundheitssystem auf Expertenseite habe ich noch nicht erlebt.“

Realitätsfremd: Hausärzte sollen Bereitschaftsdienst schieben zu eigenen Praxszeiten

Stephan Pilsinger
Dr. Christian Pfeiffer: „Es ist nicht einfach mit
einem Gesundheitsminister, der seine Politik ohne die
Mitsprache von Betroffenen macht."

Als Beispiel nannte der Vorstandsvorsitzende der KVB unter anderem die Forderung der Regierungskommission, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte auch montags bis freitags von 14 bis 22 Uhr, also während der eigenen Praxiszeiten, Bereitschaftsdienst in den Integrierten Notfallzentren an Krankenhäusern der Notfallstufe 2 leisten sollen, an Krankenhäusern der Notfallstufe 3 sogar rund um die Uhr. Realitätsfremd sei auch die Forderung der Regierungskommission nach einem Lieferservice von Medikamenten an die Patienten.

In der Resolution, die von der Vertreterversammlung der KVB nun verabschiedetet wurde, wird das Konzept der Regierungskommission entschieden abgelehnt. Außerdem fordert die Vertreterversammlung „die sofortige Einbeziehung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei der Erarbeitung neuer Konzepte“.

Eigentliches Problem: Fehlende Patientensteuerung

Dr. Ritter in der mündlichen Aussprache: „Die Regierungskommission, die sich mit der Notfallreform beschäftigt hat, hat wortwörtlich erklärt: ,Uns ist bewusst, dass Akut- und Notfallversorgung auch in den hausärztlichen Praxen stattfindet, aber es interessiert uns nicht.‘ Solche Aussagen einer Regierungskommission sind ein Skandal. Richtig ist: Der Großteil der Versorgung findet in den Praxen statt.“ Das wirkliche Problem sei nicht die ambulante Notfallversorgung, sondern die fehlende Steuerung der Patienten und die fehlende Entscheidung der Politik, die Versorgung nicht am Bedürfnis, sondern am medizinischen Bedarf des Patienten auszurichten.

„Die aktuellen Empfehlungen der Regierungskommission sind geeignet, den seit Jahren jetzt bestehenden und gut funktionierenden Bereitschaftsdienst in Bayern massiv zu verändern und die ungesteuerte Inanspruchnahme von Notfallambulanzen durch Patientinnen und Patienten weiter zu forcieren. Es besteht die Gefahr, dass der Bereitschaftsdienst in Bayern in Zeiten zurückkatapultiert wird, in denen gerade für Kolleginnen und Kollegen in ländlichen Regionen hunderte von Stunden im Bereitschaftsdienst pro Jahr üblich waren, und dass damit der Mangel an Ärztinnen und Ärzten sich weiter verschärfen wird“, begründet Hausarzt Dr. Ritter seinen Antrag.

Gute Bilanz für Bayerns Bereitschaftsdienst

Dabei kann sich die aktuelle Bilanz des Bereitschaftsdienstes in Bayern sehen lassen, wie Dr. Pfeiffer in seinem Vorstandsbericht an Hand von aktuellen Zahlen belegt hat: „99,65 Prozent aller Einwohner in Bayern erreichen eine Bereitschaftspraxis innerhalb von 30 Minuten.
Im Schnitt sind 100 Bereitschaftsdienstfahrzeuge parallel in ganz Bayern im Einsatz, die über 337.000 Hausbesuche im Jahr fahren.“

Einstimmig von der Vertreterversammlung angenommen wurde noch ein zweiter Antrag, den Dr. Wolfgang Ritter gemeinsam mit Dr. Michael Hubmann vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte eingebracht hat. Demnach soll der Gesetzgeber bei Prüfanträgen und -mitteilungen eine Geringfügigkeitsgrenze von 100 Euro pro Krankenkasse, Quartal und Arzt einführen, um die Praxen in der Bürokratie zu entlasten. Außerdem wird eine Aufwandspauschale für unbegründete Prüfanträge gefordert.

Antragsflut der Krankenkassen bindet wertvolle Arztzeit

Hintergrund ist laut Antragsbegründung „eine wahre Antragsflut der Krankenkassen“. Allein im Jahr 2022 seien bei der KVB knapp 475.000 Datensätze eingegangen. In den meisten Fällen habe es sich um eine „verschwindend geringe Rückforderungssumme“ gehandelt, die in Praxen „erheblichen bürokratischen Aufwand“ ausgelöst und „wertvolle Arztzeit“ gekostet habe. Hinzu komme, so die Drs. Ritter und Hubmann, dass ein großer Anteil der Anträge unbegründet war: „So stellte sich im Jahr 2020 fast die Hälfte der Kostenträgeranträge als falsch heraus, 2021 stieg dieser Anteil sogar auf 56 Prozent und 2022 auf 57 Prozent. Einzelne Krankenkassen haben dabei Ablehnungsquoten von über 90 Prozent.“

 

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