Dr. Wolfgang Ritter: „Was uns an der Politik ärgert“

Stephan Pilsinger
Dr. Wolfgang Ritter

„In Sonntagsreden werden die Hausärztinnen und Hausärzte von der Politik gerne gelobt. Wenn es aber darum geht, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen, um die hausärztliche Versorgung in Stadt und Land nachhaltig zu sichern, werden unsere Patientinnen und Patienten sowie unsere Praxen im Regen stehen gelassen“, erklärt Dr. Wolfgang Ritter, Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes.

Masterplan Medizinstudium 2020: 2017 verabschiedet, 2023 immer noch nicht in Kraft

Ärger Nummer eins: Die Posse um den Masterplan Medizinstudium 2020, der zwar 2017 verabschiedet wurde, aber auch im Jahr 2023 noch nicht in Kraft getreten ist. „Mit dieser dringend notwendigen Reform des Medizinstudiums soll die Allgemeinmedizin mehr Gewicht bekommen, damit wir auch in Zukunft genügend Hausärztinnen und Hausärzte in der Versorgung haben. Es ist unverantwortlich, dass es die Gesundheits- und Kultusminister der Länder seit Jahren nicht schaffen, den Masterplan umzusetzen“, so Dr. Ritter. Die Frage der Finanzierung könne in diesem jahrelangen Streit kein Argument sein, so der Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes: „Vom Studienbeginn bis zur Niederlassung vergehen zehn bis 15 Jahre. Die Politik muss deshalb langfristig planen, wenn sie es mit der hausärztlichen Versorgung wirklich ernst meint. Und klar ist, dass die angeblichen Kosten der Reform nur ein Bruchteil des Schadens betragen, wenn die hausärztliche Versorgung flächendeckend zusammenbricht.“

Kein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Regensburg

Ärger Nummer zwei: Der noch immer fehlende Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Regensburg. „Dass der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume einen Medizincampus der Universität Regensburg in Niederbayern mit zwanzig neuen Professuren schaffen will, wäre eine gute Nachricht, wenn er auch an den längst überfälligen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin gedacht hätte, den es an allen anderen Medizinstandorten in Bayern längst gibt“, kritisiert Dr. Ritter. Lehrstühle für Allgemeinmedizin seien von essentieller Bedeutung, um junge Medizinstudierende dafür zu begeistern, sich später als Hausärztinnen oder Hausärzte niederzulassen. Die Universität Regensburg habe eine Verpflichtung, Ärztinnen und Ärzte auszubilden, die in Ostbayern dringend benötigt werden. Dr. Ritter: „Jeder dritte Hausarzt in Bayern ist über 60 Jahre und wird in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. In Niederbayern sind sogar 39,3 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte über 60 Jahre alt, also deutlich mehr als im Bayernschnitt. Ebenfalls dramatisch ist die Lage in der Oberpfalz. In fast der Hälfte der dortigen Planungsbereiche sind bereits zwischen 40 und 50 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte über 60 Jahre alt.“ Medizinstudierende, die diese Praxen in den nächsten Jahren übernehmen sollen, müssen jetzt mit der Allgemeinmedizin in Kontakt kommen, sonst sei es zu spät, erklärt der Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes.

Praxen vor Kapitalinteressen schützen, Digitalisierung, die nutzt und funktioniert

Ärger Nummer drei: „Wir fordern, dass die Politik endlich ihre Hausaufgaben macht und mit uns Hausärztinnen und Hausärzten die Dauerthemen löst, die seit Jahren unsere Praxen belasten und gefährden“, sagt Dr. Ritter. So müsse das Schlupfloch, dass Private-Equity-Unternehmen MVZs gründen, um mit der Gesundheit der Patienten maximale Renditen einzufahren, endlich geschlossen werden. „Und wir erwarten“, so der Landesvorsitzende, „eine Digitalisierung, die den Praxisalltag erleichtert und weniger Bürokratie bedeutet – und die vor allem funktioniert.“ Beispiele, die deutlich machen, welchen Murks die Politik den Praxen als angebliche digitale Lösung aufoktruiert, gäbe es genügend, so Ritter: „Für den Konnektoraustausch fehlen noch immer Softwarelösungen, immer wieder sind eCards nicht einlesbar und verursachen den Absturz des gesamten Praxisnetzwerkes. Und auch eRezept, eAU und ePatientenakte sind keine Erleichterungen, sondern bedeuten mehr Aufwand in den Praxen.“

 

Themen in HOME ÜBER UNS SERVICE AKTUELL HZV FORTBILDUNG NACHWUCHS STIFTUNG :

Login Mitgliederbereich:

Login Mitgliederbereich

Suche: