Mehr Partizipation für Hausarztpraxen an der Forschung

Barbara Stamm beim Nikolausempfang des Bayerischen Hausärzteverbandes 2017
Prof. Dr. Jörg Schelling

Anfang Juni wurde Prof. Dr. med. Jörg Schelling als Beauftragter für Forschung und Lehre in den geschäftsführenden Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes kooptiert. Der Mitbegründer und ehemaliger Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der LMU engagiert sich schon seit Jahren als Ersatzdelegierter im Bezirk München und als Referent des Bayerischen Hausärzteverbandes. Im Interview geht er auf seine neue Rolle im Verband ein und auf das zentrale Ziel, das er sich gesetzt hat: Mehr Partizipation für Hausarztpraxen an der Forschung.

Herr Prof. Schelling, wo sehen Sie Ihre Kernaufgaben als Vorstandsbeauftragter des Bayerischen Hausärzteverbandes für Forschung und Lehre?

Prof. Schelling: Eine Hauptaufgabe sehe ich darin, die Verbindung zwischen Berufsverband und Lehre, den Dialog mit den Lehrstühlen aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, die Lehrstühle bei Forschungsaktivitäten beratend zu unterstützen und zu begleiten. Ich möchte die Bedürfnisse der niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte sowie des Verbands in die allgemeinmedizinische Forschung einbringen. Oder anders ausgedrückt: Es geht mir darum, spezifisch hausärztlichen Forschungsbedarf, der sich aus der hausärztlichen Versorgung ergibt, klar zu formulieren und die Lehrstühle zu motivieren, diese Themen für ihre Forschung aufzugreifen.

Umgekehrt schaue ich mir Forschungsanfragen der Universitäten an und leite für die Praxis relevante Studien an die Hausärztinnen und Hausärzte weiter, zum Beispiel über den Newsletter des Bayerischen Hausärzteverbandes. Ich sehe das auch als Service für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen an, die Flut an Studienanfragen zu sichten und den Praxen die Teilnahme an den Studien zu empfehlen, die für die hausärztliche Versorgung besonders interessanten Fragestellungen untersuchen.

Warum ist die Kooperation mit den Lehrstühlen für einen ärztlichen Berufsverband wichtig?

Prof. Schelling: Niedergelassene Kolleginnen und Kollegen entfernen sich meist im Verlauf ihrer Tätigkeit in den Hausarztpraxen mehr und mehr von den Universitäten. Aber Impulse aus der Wissenschaft zur evidenzbasierten Medizin tun der hausärztlichen Versorgung gut, schon allein deshalb ist es für einen Berufsverband wichtig, für seine Mitglieder einen guten Kontakt zu den Universitäten und damit zur Forschung zu pflegen. Andersherum sollten sich in der Allgemeinmedizin Lehrende und Forschende nicht zu weit von der hausärztlichen Versorgung entfernen.

Allgemeinmedizin ist nicht immer Hausarztmedizin – mit anderen Worten, was in der universitären Allgemeinmedizin gelehrt und erforscht wird, hat nicht immer direkt mit dem System hausärztlicher Versorgung zu tun. Das ist ein wenig vergleichbar mit dem Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Aufgabe des Hausärzteverbandes ist es in meinen Augen auch, die allgemeinmedizinischen Lehrstühle als Repräsentanten der Hausarztmedizin im Medizinstudium darin zu unterstützen, die Praxis, die hausärztliche Versorgung eben, im Blick zu behalten.

Als Mitbegründer und ehemaliger Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der LMU kennen Sie den Lehrbetrieb von innen. Wie lässt sich künftig die Zusammenarbeit des Bayerischen Hausärzteverbandes mit den Lehrstühlen weiter ausbauen?

Prof. Schelling: Ich denke, es ist wichtig, sich gegenseitig auf Augenhöhe zu begegnen und gegenseitige Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Kritik klar und offen zu formulieren.

Gibt es konkrete Ziele, die Sie sich vorgenommen haben?

Prof. Schelling: Mein Ziel ist es, den Hausarztpraxen mehr Partizipation in der Forschung zu ermöglichen. Bisher liegt die Themendefinition sowie die Entscheidung über den Veröffentlichungszeitpunkt der Ergebnisse und die Autorennennung in einem Forschungsprojekt meist allein bei den Universitäten. Die Praxen werden dabei nicht berücksichtigt, sie sollen in vielen Fällen primär nur Daten liefern. Ich möchte erreichen, dass die Praxen in Forschungsvorhaben von Anfang bis Ende einbezogen werden, also von der Themenwahl und Konzeption einer Studie über die Durchführung bis hin zur Publikation der Ergebnisse und die Mitarbeit im Einreichungsprozess.

Der Zeitpunkt, zu dem eine Studie publiziert wird, kann den gesundheitspolitischen Diskurs zu einem Thema maßgeblich beeinflussen. Ich weiß natürlich, dass sich die Forschung nicht nach berufspolitischen Gegebenheiten richtet, aber eine gemeinsame strategische Planung der Veröffentlichung mancher Forschungsergebnisse kann die Wissenschaft zu einem scharfen Schwert in der Hand eines Berufsverbands wie den Bayerischen Hausärzteverband machen.

 

 

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