Mit gezielten Handgriffen zur Diagnose
Zerrung, Verrenkung und Knie- oder Rückenschmerzen – Hausärztinnen und Hausärzte sind oft mit ähnlichen Symptombildern konfrontiert wie Orthopäden. Daher bietet der in München praktizierende Orthopäde Dr. Holger Nyncke eine Fortbildung zu manuellen Untersuchungstechniken für Hausärztinnen und Hausärzte an.
Was kann man bei Ihnen in der Fortbildung als Hausarzt lernen?
Dr. Nyncke: Hausärzte sollen durch die Fortbildung die Möglichkeit erhalten, ganz gezielt bestimmte orthopädische Untersuchungstechniken einzusetzen – von der Halswirbelsäule bis zu den Zehen. Dazu gehört eine entsprechend spezifische Anamnese mit beispielhafter Erfragung der Funktionsstörung und es gilt herauszufinden, wo beiden Patientinnen und Patienten der Schmerz genau sitzt.
Dann erfolgt die manuelle Untersuchung des Patienten mit einfachen Bewegungstests. Um die praktischen Handgriffe zu erlernen, untersuchen sich die Teilnehmer gegenseitig.
Welche Vorteile hat die manuelle Untersuchung?
Dr. Nyncke: Die Therapie beginnt dadurch früher und das bringt auch eine gewisse Zeitersparnis.
Außerdem verhindert die manuelle Untersuchungstechnik oft das Übertherapieren, denn ganz vieles lässt sich damit schon erkennen und behandeln. Dadurch ist der Nachweis über die bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder MRT in vielen Fällen gar nicht mehr notwendig.
Inwieweit sind manuelle Untersuchungstechniken Begabung oder Erfahrung beziehungsweise
Lerneffekt?
Dr. Nyncke: Von allem etwas. Ganz wichtig ist, keine Scheu davor zu haben, jemanden anzufassen. Und dazu gehört, dass man Vertrauen vermittelt. Bei der Untersuchung haben viele Patienten Angst, dass es gleich schmerzhaft wird. Ich erkläre dann, dass wir das ganz langsam angehen, damit die Patienten die Untersuchung akzeptieren und sich das Ergebnis gut beurteilen läßt.
Warum ist orthopädisches Wissen relevant für Hausärzte?
Dr. Nyncke: Beim Hausarzt landen Patienten mit allen möglichen Beschwerden im Grenzbereich zur Orthopädie – mit Rückenschmerzen sowie Hüft- und Knieproblemen, aber natürlich auch mit Verletzungen. Ich würde mich freuen, wenn die Hausärzte am Ende des Kurses besser einschätzen können, was sie selbst behandeln können und wann weitere Untersuchungen oder eine Überweisung des Patienten notwendig wird.
Was sind die häufigsten Beschwerden, mit denen die Patienten zu Ihnen kommen?
Dr. Nyncke: Am häufigsten kommen die Patientinnen und Patienten mit Rücken-, Nacken- und Schulter- bzw. Armproblemen zu mir, letzteres häufig durch Computerarbeit verursacht. Viele haben aber auch Beschwerden an den Knien oder an der Hüfte, das sind dann oft chronische Entwicklungen früherer Schädigungen.
Welche Empfehlungen würden Sie Studenten und jungen (Assistenz-)Ärzten mit auf den Weg
geben?
Dr. Nyncke: Wenn man in Richtung Allgemeinmedizin tendiert und mit manuellen Untersuchungen arbeiten möchte, ist es das Allerwichtigste, die funktionelle Anatomie – die Bewegungsmechanismen des Körpers – zu verstehen. So etwas wie die normalen Bewegungsmaße der Schulter muss man da einfach kennen. Wer ein starkes Interesse daran hat, sollte eine Ausbildung in Manueller Therapie machen. Das ist zwar zeitaufwändig, aber sehr effektiv, man lernt außer der Untersuchung gleich auch die therapeutischen Griffe.