„Klasse Allgemeinmedizin“: Schon zu Studienbeginn Praxisluft schnuppern
Bereits früh im Studium praktische Fertigkeiten üben und die Besonderheiten der Fachrichtung Allgemeinmedizin kennenlernen – das können Medizinstudierende an der FAU Erlangen mit dem Wahlfach „Klasse Allgemeinmedizin“.
Im Wintersemester 2022/2023 ging es dazu erstmals auch raus auf’s Land: Unter dem Motto „Anatomie und Physiologie meets Praxis“ fuhren die Teilnehmenden des ausgebuchten Wahlfachs ins rund 100 Kilometer entfernte Kulmbacher Land und trafen in der Gemeinschaftspraxis Seitter/Tischer im oberfränkischen Thurnau auf Hausärztinnen und Hausärzte aus dem Landkreis Kulmbach. Auf dem Programm standen die körperliche Untersuchung von Kopf bis Fuß, angewandte Anatomie auch mit Hilfe der Sonographie und zuletzt noch ein Megacode-Training.
Am Studienanfang gleich den Bezug zur Praxis
"Die Medizinstudierenden hatten sichtlich Spaß dabei, Untersuchungstechniken in der Praxis kennenzulernen und auszuprobieren“, berichtet Gastgeberin Anja Tischer. Die Hausärztin engagiert sich im Bayerischen Hausärzteverband, der das Projekt finanziell fördert, als Bezirksdelegierte. Ihr Eindruck wurde in der abschließende Feedbackrunde von den Teilnehmenden bestätigt: „Die Erst- bis Drittsemester, die bei uns waren, fanden es super, schon am Anfang des Studiums auch gleich den Bezug zur Praxis zu bekommen“, so Tischer.
Wer wollte, konnte schon am Vorabend anreisen und sich bei einem Darts-Training, das die Gesundheitsregion plus Kulmbach ermöglichte, näher kennenlernen und austauschen. Für Anja Tischer ein wichtiger Aspekt: „Damit bieten wir Medizinstudierenden mit Interesse an hausärztlicher Tätigkeit beziehungsweise an einer Tätigkeit im ländlichen Bereich die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen, ohne dass sie eine Verpflichtung eingehen müssen“. Ein Angebot, das gerne genutzt wurde: Bis spät in die Nacht hinein habe man beisammengesessen, verrät Tischer.
Hoffen auf den "KLebeeffekt"
Neben Interesse wecken an der Allgemeinmedizin ist ihre Motivation, sich für die „Klasse Allgemeinmedizin“ einzusetzen, vor allem die Hoffnung auf den so genannten Klebeeffekt. „Wir sind ja jetzt schon gute 100 Kilometer vom Studienort Erlangen entfernt, da muss man schon etwas dafür tun, dass die Studierenden zu uns kommen, und wenn es ihnen hier gefällt, kommen sie vielleicht für Praktika und später für die Weiterbildung zurück und bleiben.“ Tatsächlich erkundigte sich eine Studentin, ob sie bei Anja Tischer famulieren kann.
Insgesamt zeigten die Studierenden reges Interesse, nicht nur am Fach Allgemeinmedizin, sondern auch an der Niederlassung in eigener Praxis und der Tätigkeit im ländlichen Umfeld. Viele von ihnen hatten bereits Erfahrungen in medizinischen Ausbildungen. Sicher mit ein Grund für die interessanten und teils sehr zielgerichteten Fragen, die Tischer und ihre Kolleginnen und Kollegen gerne beantworteten. Und weil einige der Teilnehmenden über die Landarztquote zum Medizinstudium gekommen waren, fehlte auch die Frage nicht, ob das Kulmbacher Land als unterversorgt gilt – schließlich haben sich die Landarztquotler verpflichtet, nach Abschluss der Weiterbildung in einer unterversorgten Region in Bayern für mindestens 10 Jahre als Hausärztin/Hausarzt zu praktizieren.
Tatsächlich gilt Kulmbach laut Bedarfsplanung der KVB aktuell noch als ausreichend versorgt. Allerdings ist ein Drittel der Hausärztinnen und Hausärzte im Planungsbereich 60 Jahre und älter. Deshalb ist Anja Tischer überzeugt: „Bis die Medizinstudierenden, die jetzt bei uns waren, einmal als Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung in die Versorgung einsteigen, werden wir hier im Landkreis wohl zumindest in eine drohende Unterversorgung gerutscht sein“.
„Klasse Allgemeinmedizin“ auch im Sommersemester 2023
Deshalb will sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen weiter junge Menschen im Medizinstudium für die Allgemeinmedizin und natürlich ganz besonders für die spätere Niederlassung in Kulmbach und Umgebung begeistern. Die FAU wird das Wahlfach „Klasse Allgemeinmedizin“ auch im nächsten Semester wieder anbieten, natürlich wieder inklusive Exkursionstag mit Übernachtung in der Region Kulmbach.