„Ich möchte als Ärztin Menschen über längere Zeit in ihrem Leben begleiten“

Medizinstudent Julia Michler
Scally Prokop auf einer Urlaubsreise in Prag.
Foto: Torge Mewes

Scally Prokop ist in der unterfränkischen Gemeinde Haibach im Landkreis Aschaffenburg aufgewachsen und hat später in Dresden Medizin studiert. Inzwischen hat sie ihr Studium mit guten Noten abgeschlossen. Wie es nun weitergeht, darüber hat sie mit ihrem ehemaligen Lehrer Heinz Linduschka gesprochen, der so freundlich war, das Interview zur Verfügung zu stellen. Ihr Berufsziel: Hausärztin in einer Gemeinschaftspraxis.

Sie haben in einem früheren Gespräch erwähnt, nach Ihren bisherigen Erfahrungen im Studium ernsthaft zu überlegen, Allgemeinärztin zu werden. Können Sie kurz erläutern, was Sie zu dieser Überlegung gebracht hat?

Scally Prokop: Allgemeinärztin zu werden war schon vor dem Studium mein Ziel. Ich wollte aber offen bleiben für andere Fachrichtungen und habe während des Studiums auch immer mal wieder in andere Richtungen tendiert, zum Beispiel zur Psychosomatik. Aber am Ende war es mit der Entscheidung für die Fachrichtung ähnlich wie mit der Entscheidung für das Studium. Ich habe mich für viele verschiedene Richtungen interessiert, doch nur die eine hat sich ganz richtig und passend angefühlt.

Was schätzen Sie an der Arbeit als Allgemeinärztin?

Scally Prokop: Ich schätze an der Tätigkeit als Hausärztin das besondere, im Optimalfall sehr vertrauensvolle Verhältnis zwischen Patientinnen und Patienten zu ihrer Ärztin/ihrem Arzt, die Begleitung von Menschen über einen langen Zeitraum und durch verschiedene Lebensphasen hindurch und das sogar manchmal für mehrere Generationen einer Familie. Mir gefällt die Vielseitigkeit der Arbeit und die große Bedeutung von guter Kommunikation. Ich freue mich darauf, für meine Patientinnen und Patienten der Knotenpunkt zu sein, bei dem die sprichwörtlichen Fäden, also die Befunde der verschiedenen Fachärzte, zusammenlaufen.

Ich denke, es ist enorm wichtig, dass es gerade für Menschen mit mehreren Erkrankungen und vielen Medikamenten eine Person gibt, die den Überblick behält. Die sich einen ersten Eindruck verschafft, was einem erkrankten Menschen fehlen könnte, und die Weichen für die weitere Ursachensuche und Therapie stellt. Diese Person möchte ich für meine Patientinnen und Patienten gern sein und hoffe sehr, dass es mir gelingen wird.

Ich stelle gerade fest, dass meine Antwort schon ziemlich lang geworden ist, weil es einfach sehr viel gibt, was mir an der Allgemeinmedizin gefällt. Eines muss ich noch ergänzen: Ich möchte später als Hausärztin auf jeden Fall gern ein Pflegeheim mitbetreuen. Ich habe neben dem Studium als Aushilfe in der Pflege in einer Wohnanlage gearbeitet und vermisse diese Tätigkeit. Und besonders dort ist mir die große Bedeutung des vorhin erwähnten „Fäden-Zusammenhaltens“ aufgefallen.

Aktuell weisen ja Hausärzte – auch durch zeitweise Praxisschließungen – auf ihre Probleme im Gesundheitswesen hin. Wie schätzen Sie – noch ohne eigene Berufserfahrung – die Lage ein, wenn Sie auf Vorzüge und Nachteile einer Entscheidung für den Hausarztberuf schauen?

Scally Prokop: Diese Frage finde ich schwierig zu beantworten, da ich mich ehrlicherweise in letzter Zeit nicht viel mit Berufspolitik beschäftigt habe. Ich habe in meinem Umfeld das Gefühl, dass sich verblüffend viele meiner ehemaligen Mitstudierenden die spätere allgemeinärztliche Niederlassung gut vorstellen können, und höre als Begründung recht oft das freier gestaltbare Arbeitsmodell im Vergleich zur Tätigkeit in einer Klinik. Mir gefällt das ebenfalls. Gerade weil mir die zunehmende Bedeutung von Wirtschaftlichkeit und finanziellen Fragen im Krankenhaus manchmal wirklich Angst machen. In meiner Vorstellung habe ich bei der eigenverantwortlichen Arbeit in einer Praxis mehr Spielraum, die Entscheidungen zu treffen, die für meine Patientinnen und Patienten am besten sind, ohne Wirtschaftlichkeitsdruck. Aber ich glaube, dass ich das im Moment noch ein bisschen idealisiert betrachte. Diesen Druck gibt es sicherlich in hausärztlichen Praxen ebenso. Besonders, wenn man Wert darauf legt, sich wirklich Zeit für die Menschen zu nehmen, die einen aufsuchen. Denn Gespräche werden vergleichsweise schlecht vergütet. Und natürlich wird es auch schwierig, sich diese Zeit nehmen zu können, wenn die Praxen aus allen Nähten platzen.

Haben Sie sich schon mal Gedanken dazu gemacht, wie Sie als Allgemeinärztin arbeiten wollen: Angestellt in einem MVZ/einer Praxis oder als selbstständige Ärztin in einer Gemeinschafts- oder Einzelpraxis?

Scally Prokop: Auf jeden Fall. Ich möchte gern in einer Gemeinschaftspraxis arbeiten. Schon aus rein pragmatischen Gründen. Man kann dann die bürokratischen Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen und es ist leichter, auch mal Urlaub zu nehmen. Außerdem glaube ich, dass man, egal wie sehr man sich bemüht, nicht zu allen Patientinnen und Patienten ein gutes Verhältnis aufbauen kann. Da finde ich es schön, die Person, bei der es nicht klappt, dann vielleicht einfach an eine Praxispartnerin oder einen Praxispartner verweisen zu können. Auch die Möglichkeit, verschiedene Erfahrungen zusammenzubringen und bei einer fachlichen Frage oder Unsicherheit einfach mal am Nachbarzimmer anklopfen zu können, schätze ich sehr. Das Konzept Gemeinschaftspraxis überzeugt mich spätestens seit meiner sehr guten und sehr prägenden Famulatur in der Praxis Dr. med. Heike Grunenberg-Sauer, Joachim Lentzkow und Frank Hartl im unterfränkischen Goldbach sehr.

Spielte in Ihrer Ausbildung auch die Frage eine Rolle, wie man eine Praxis wirtschaftlich führt?

Scally Prokop: Leider überhaupt nicht. Das bedauere ich ziemlich. Es ist mit keinem Wort Teil meines Studiums gewesen.

Zum Schluss bitte ich Sie noch, einen Blick in die Glaskugel zu werfen und zu verraten, wie Sie darin in zehn Jahren Ihre berufliche und private Situation sehen oder gerne sehen wollen.

Scally Prokop: Hm … in zehn Jahren sehe ich mich glücklich verheiratet mit meinem langjährigen Partner, wahrscheinlich mit Kind oder Kindern, als Hausärztin in einer Gemeinschaftspraxis mit Kolleginnen und Kollegen, denen dieselben Werte am Herzen liegen, die aber vielleicht andere Spezialisierungen oder Vorerfahrungen haben. Wir ergänzen uns gut, und unsere Patientinnen und Patienten sind zufrieden mit unserer Arbeit. Ich habe eine anstrengende, aber bereichernde Facharztausbildung genossen, kann mir viel Zeit für Gesprächsführung nehmen und kenne mich in der Palliativmedizin so weit aus, dass ich Menschen am Lebensende gut begleiten kann. Das wäre meine Vorstellung, wenn alles optimal verläuft. Erstmal steht jetzt aber der Berufseinstieg im März oder April in einem Dresdner Krankenhaus vor der Tür. Davor habe ich großen Respekt, aber ich freue mich auch sehr darauf.

 

 

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